Mühle Langelsheim: „Auskömmlich wirtschaften wird immer schwerer“

Christian Bammert und Anke Dege in der Walzenkammer, wo das Mehl vermahlen wird. Immer wieder wird dieser energieintensive Prozess kontrolliert. Foto: Neddermeier
Die Mühle Sack in Langelsheim produziert seit 1880 Mehl. Die Energiekrise und gestiegene Spritpreise machen es Inhaberin Anke Dege immer schwerer, auskömmlich zu wirtschaften. Es bleibt die Hoffnung auf stabilere Zeiten mit verlässlicheren Faktoren.
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Langelsheim. In der Getreidemühle Erich Sack wird immer noch fleißig geschrotet, zerkleinert und gemahlen. Und das schon seit 1880. Die Technologie hat sich über die Jahrzehnte natürlich deutlich verändert. Mühlsteine sind nur noch Zierde und Anschauungsmaterial. Mittlerweile, seit 2008, hat hier Müllerin Anke Dege den Hut auf. An ihrer Seite ist Lebensgefährte Christian Bammert, auch Müllermeister. Seit 1959 ist die traditionsreiche Mühle in Langelsheim im Besitz der Familie Sack. Anke Dege ist mit dem Müllerhandwerk groß geworden und hat die Nachfolge des Vaters im Traditionsbetrieb angetreten. Die Zeiten haben sich über die Jahrzehnte deutlich geändert.

Anke Dege im Hofladen direkt auf dem Gelände der Mühle. Neben verschiedenen Mehlsorten gibt es einige weitere nachhaltige Produkte. Foto: Neddermeier
„Es ist schwierig für uns und es wird auch nicht einfacher“ sagt Anke Dege. Die vergangenen Jahre seien doch sehr herausfordernd gewesen. Corona-Pandemie, Wirtschaftskrise und vor allem die Auswirkungen des vor zwei Jahren begonnenen Ukraine-Krieges, mit drastisch gestiegenen Energiekosten, wirken sich auch auf die Mühle Sack aus. „Insbesondere die Getreidepreise sind zeitweise in fast astronomische Höhen gestiegen“, sagt Christian Bammert.
Bis auf 400 Euro sei in der Spitze die Tonne Weizen im Frühjahr 2022 ins Uferlose gestiegen. Mittlerweile liege der Preis „glücklicherweise“ bei rund 200 Euro pro Tonne. In der Mühle werden jährlich rund 11.000 Tonnen Roggen, Weizen und auch Dinkel, überwiegend aus regionalem Anbau, vermahlen.
Hohe Nebenkosten schwer zu kalkulieren
Wie es die kommenden Jahre weitergeht, das ist auch für das Müllerpärchen eher Kaffeesatzlesen. Drastisch waren und sind auch die Kosten für Strom und Heizung. Bis zu 50 Cent pro Kilowattstunde seien zeitweise aufgerufen worden. Mit der Mühle und den modernen Maschinen zur Mehlverarbeitung sei man doch sehr energieintensiv unterwegs, so Bammert. Auch der Fuhrpark mit drei Lkw und einem Transporter müsse bei hohen Spritpreisen unterhalten und finanziert werden. Rund 27 Liter auf 100 Kilometer seien bei dem 40-Tonner der Durchschnittsverbrauch.
Die Mühle Sack ist regional unterwegs und beliefert Kunden in einem Umkreis von rund 120 Kilometern. Die Zulieferer aus der Landwirtschaft kommen auch aus dem Umland, der regionale Bezug ist Anke Dege sehr wichtig. „Nicht ganz unerheblich zu Buche schlagen auch die gestiegenen Personalkosten“, sagt sie. Zwar sei man nicht tarifgebunden, doch wolle man auch faire Löhne zahlen, nicht zuletzt auch deswegen, damit Fachkräfte gehalten werden und auch neue zu finden sind. Einige Mitarbeiter seien schon jenseits der 60, so Dege. Eine ziemlich betrübliche Entwicklung sehen die beiden Müller in der Tatsache, dass viele kleinere Handwerks-Bäckereien geschlossen haben und der Trend anhält. Allein in Langelsheim habe es ei mal acht Bäckereigeschäfte gegeben. Die Discounter und Ketten machten es dem Bäckerhandwerk äußerst schwer. Gerade dann auch, wenn die Produktionskosten, wie in den vergangenen Jahren, in die Höhe schnellen. Da bleibe die Wettbewerbsfähigkeit auf der Strecke. Die Mühle Sack hat vor sieben Jahren noch fast 90 Backstuben mit ihrem Mehl beliefert – heute sind es nur noch knapp 70. Dass dieser Trend bald stoppen werde, sei kaum wahrscheinlich.
Discount-Konkurrenz ein Problem
Neben der Discounterware mit deutlich kürzeren Teig-Ruhephasen und Massenproduktion glaubt Anke Dege einen Trend festzustellen, nämlich dass die Leute wieder mehr und mehr dazu kommen, ihr Brot selbst zu backen. Das jedenfalls ist das Feedback, das sie im kleinen Mühlenladen immer öfter gespiegelt bekomme. Wie im Zuge der Bauernproteste geäußert, sind auch für die Mühle Sack und die dortigen Arbeitsprozesse die zunehmenden Regulierungen und behördlichen Anordnungen ein immer größer werdendes Ärgernis. Proben des gelieferten Getreides und behördliche Kontrollen würden mittlerweile so viel Zeit und Aufwand in Anspruch nehmen, dass die eigentliche Müllerarbeit immer öfter in den Hintergrund rücke. Auch sei es schwer, mit Produkten aus dem Ausland mitzuhalten, da etwa Verarbeitungsmethoden, die dort angewendet werden, hier teilweise seit Jahrzehnten verboten sind, so Dege. Dadurch seien diese Produkte teilweise um einiges günstiger und somit attraktiver für Kunden, auch wenn die Qualität schlechter sei.

Zur Qualitätsüberprüfung gibt es in der Mühle Sack auch ein kleines „Labor“. Hier wird die Qualität der gelieferten Getreidesorten unter die Lupe genommen. Foto: Neddermeier
Die anhaltenden Proteste der Landwirte können Dege und Bammert durchaus nachvollziehen. „Ohne Bauern kein Weizen“ steht auch auf einem Plakat am Eingang der Mühle. Und der Ausblick auf 2024 ist bisher alles andere als positiv. Aufgrund des vielen Regens und des Hochwassers Ende letzten Jahres sind viele Weizenfelder noch immer überschwemmt oder zu weich. Die Landwirte können teilweise noch nicht mit schweren Maschinen arbeiten. Dennoch besteht Hoffnung, die Umstände könnten sich auch noch einige Wochen vor der Ernte ändern, zumal erst ab Juli angefangen wird, Weizen zu ernten. Eines stünde aber fest: Ein auskömmliches Wirtschaften werde immer schwieriger – da sind sich Anke Dege und Christian Bammert einig.
Bauern-Proteste nachvollziehbar
In den vergangenen Jahren ist die Anzahl der Mühlen in Deutschland rückläufig gewesen. Der Trend war zuletzt recht eindeutig. Im Wirtschaftsjahr 2022/23 hat es nur noch insgesamt 176 Mühlen (agraronline) in Deutschland gegeben. In Langelsheim bei der Traditionsmühle Sack jedenfalls wolle man noch weitermachen. Die Hoffnung auf stabilere äußere Einflüsse hat das Müllerpaar noch nicht verloren.