Lokal kaufen: Weniger Müll und prima fürs Klima

"Bei 80 bis 90 Prozent der Artikel sind wir konkurrenzfähig zu Online-Preisen": Jürgen Breiler, Chef von Expert Riedel & Neumann in Goslar. Foto: Archiv
Mehr Klimaschutz, weniger Müll? Dafür lässt sich auch beim Einkaufen eine Menge tun. Das geht stressfrei, macht auch noch Spaß – und stärkt die eigene Region: Einkaufen vor Ort statt Online-Handel. Vor jedem Klick lohnt es sich, darüber nachzudenken.
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Goslar.Gemütlich zu Hause mit Smartphone oder Tablet sitzen, die weltweite Warenwunderwelt durchstöbern, ein paar Klicks zum Bezahlen, dann kommen die Pakete alsbald auch ganz bequem zur Haustür. Mit dem Gefühl, einige Schnäppchen gemacht zu haben, bestellt sich mancher dann zur Entspannung noch eine Pizza vom Lieferservice. So einfach geht das Einkaufen.
Online-Boom
Gerade während der Corona-Pandemie von 2020 bis 2022 hat der Online-Handel noch mal einen wahren Boom erlebt, während Geschäftsleute in den Innenstädten durch Lockdowns und Beschränkungen zeitweise in die Röhre gucken mussten. Laut Umweltbundesamt wuchs der Online-Handel 2020 allein in Deutschland um 17 Prozent – oder 3,6 Millionen Pakete mehr als im Jahr zuvor.
Die Bezahlung per Klick offenbart aber nur die halbe Wahrheit – und verschleiert immense Folgewirkungen. Nach Schätzungen der Verbraucherzentrale wird bei Kleidung mindestens jedes zweite Paket zurückgegeben – und knapp vier Prozent der zurückgeschickten Ware wird laut Umweltbundesamt schlicht entsorgt: rund 20 Millionen Artikel pro Jahr.
In der Folge landet Neuware auf dem Müll oder in Verbrennungsanlagen, weil das Auspacken, Kontrollieren und Etikettieren der Rücksendungen rein betriebswirtschaftlich zu teuer sei. Im gleichen Zuge verstopfen Lkw immer mehr die Straßen und Autobahnen. Das kostet nicht nur Nerven, sondern auch Geld für Straßensanierung und Klimabelastung. Kosten, die jeder Steuerzahler zusätzlich zu begleichen hat.
Auch die vermeintlich bequeme Paketannahme wird zum Problem: Wer nicht zu Hause ist, findet sein Päckchen womöglich auf der Terrasse, beim Nachbarn – oder muss es beim Zusteller schließlich selbst abholen. Denn rund ein Viertel aller Zustellungen findet beim ersten Versuch gar nicht den richtigen Adressaten. So entstehen zusätzliche Fahrten, bis die Ware dann endlich zu Hause ist.
Fünf Milliarden Pakete in Deutschland
Hinzu kommt der wachsende Verpackungsmüll. Rund fünf Milliarden Päckchen und Pakete gehen in Deutschland jährlich auf die Reise. In den Verpackungen ist neben viel Plastik und Polsterfolie vor allem sehr viel Luft. Rund ein Drittel aller Lkw-Fuhren ließe sich allein durch sinnvollere Verpackungen einsparen, rechnete im Herbst Klaus Nickel vor, Geschäftsführer der Firma Harzer Kartonagen (Astfeld).
Parallel hecheln Paketzusteller von Ort zu Ort, um unter Zeitdruck und oft zu Billiglöhnen ihre Arbeit zu verrichten. Päckchen stehen im Regen, sind zerdrückt oder beschädigt – und der Aufwand für Reklamationen oder Austausch ist hoch.
Mancher Paketdienst wirbt schon damit, Kunden mögen auf einen Klick kurz zustimmen, dass die Ware auch vor der Tür, neben der Garage oder auf der Terrasse einfach abgelegt werden darf – natürlich ganz im Sinne des Klimaschutzes. Ein geradezu aberwitziges Argument, um sich Aufwand, Fürsorge für die Ware, Personal- und Treibstoffkosten zu ersparen.
Service und Preise im Vergleich

Mehr Klimaschutz, weniger Müll? Der boomende Online-Handel bewirkt genau das Gegenteil. Foto: dpa/Schuldt
Auch preislich scheue sein Unternehmen nicht den Vergleich: „In 80 bis 90 Prozent der Artikel sind wir konkurrenzfähig zu Online-Preisen. Das halten wir jeden Morgen nach über Listen bei der Expert-Zentrale“, schildert Breiler.
Ein ganz wesentlicher Aspekt liegt dabei noch gar nicht auf dem Tisch: Wer in seiner Stadt, in seiner Region einkauft, der stärkt am Ende vor allem auch sich selbst. „Dein Geld bleibt in der Stadt“, erklärt Breiler. Denn das fließt in Gehälter der Beschäftigten, in Investitionen des Unternehmens, Aufträge an heimische Firmen, in Gewerbesteuer, Grundsteuer, Einkommensteuer – und damit auch die Handlungsfähigkeit der eigenen Stadt. Dies reicht von Kindergärten und Schulen bis zu Bürgerservice und Nahverkehr.
Sehen und probieren im Laden
Hinzu kommen ganz praktische Aspekte für Kunden: Wer kauft Kleider oder Schuhe auf Anhieb passend im Internet? Farbe, Material, Größe, Form – da sind die Rücksendungen über Straßen und Autobahnen schon programmiert. Im Laden vor Ort können Kunden hingegen die Ware anprobieren, das Material fühlen, die Farben bei Tageslicht sehen, die passende Größe finden – und im wahrsten Sinne erkennen, wo der Schuh drückt.
„Schrei vor Glück! Oder schick‘s zurück!“, hieß jahrelang der Slogan bei Zalando. Bis das Unternehmen 2019 offenbar erkannte, dass diese Devise alles andere ist als verantwortungsvolles Handeln von Unternehmen und Kunden.
Mitten in der Stadt oder aus der Lagerhalle?

„Verfügbare Waren und Beratungskompetenz“: Uwe Schnevoigt ist Seniorchef bei Intersport Deckert in Goslar.
Große Online-Händler hingegen operieren auf billigem Boden möglichst nahe der Autobahn mit Lagerhallen, in denen Gabelstapler, Fließbänder und Packpersonal ihren Dienst tun, um dann Lastwagen unter Zeitdruck hin und her auf die Reise zu schicken. Vor jedem künftigen Klick lohnt es sich umso mehr, darüber nachzudenken.