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Zeitzeugen und Buchvorstellung

Innerdeutsche Teilung lebt in Grenzgeschichten weiter

Lebhafte Diskussion vor voll besetztem Haus (v.li.): Die Zeitzeugen Ursula Breustedt und Lothar Engler mit Buchautorin Ines Godazgar und Museumsvereinschef Andreas Weihe. Foto: Cronos

Lebhafte Diskussion vor voll besetztem Haus (v.li.): Die Zeitzeugen Ursula Breustedt und Lothar Engler mit Buchautorin Ines Godazgar und Museumsvereinschef Andreas Weihe. Foto: Cronos

Das Grüne Band, auch entlang des Harzes, ist ein Ort der Erinnerung. An Zeiten des geteilten Deutschlands, Repressalien und Vorfälle an der innerdeutschen Grenze. Das Heimatmuseum Abbenrode ist bestrebt, die Erinnerung an diese Zeit zu erhalten.

Montag, 06.11.2023, 17:00 Uhr

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Von Maria Cronos

Abbenrode. „Man muss auch vor Ort was machen“, verkündet Andreas Weihe am Samstagnachmittag im gut gefüllten Versammlungsraum des Heimat-, Kultur- und Museumsvereins Abbenrode. Und was der Vereinsvorsitzende sagt, setzt er auch in die Tat um: Im Sinne von: „Was machen“. Die besondere Geschichte Abbenrodes im Zusammenhang mit der innerdeutschen Teilung und der Wiedervereinigung wachzuhalten, ist seit Langem ein besonderes Anliegen für Weihe und seine Mitstreiter.

Ein wichtiger Begegnungsort 

In den vergangenen Jahren hat Weihe gemeinsam mit den Vereinsmitgliedern, und unterstützt durch verschiedene Förderungen aus nah und fern, das Heimatmuseum zu einem Begegnungsort für Grenzwanderer und Geschichtserkunder gemacht. Aber nicht nur das. Gerade wird die Website des Vereins überarbeitet und modernisiert.

Und die App Grenzwandler bietet eine geführte Begleitung auf Wanderungen durch das grüne Band mit viel zusätzlichem Wissen und Bildmaterial an. Und Bücher entstehen ganz nebenbei auch noch.

Der Versammlungsraum des Heimat-, Kultur- und Museumsvereins Abbenrode ist Samstag bis auf den letzten Platz gefüllt. Foto: Cronos

Der Versammlungsraum des Heimat-, Kultur- und Museumsvereins Abbenrode ist Samstag bis auf den letzten Platz gefüllt. Foto: Cronos

Das nahende Jubiläum des Berliner Mauerfalls am 9. November 1989 bot dann auch den perfekten Anlass für ein besonderes Zusammentreffen. Ines Godazgar besuchte Abbenrode für eine gewissermaßen grenzüberschreitende Buchvorstellung. In „Grenzschicksale. Als das grüne Band noch grau war“ gibt die Journalistin Einblicke in 30 damals ganz normale und heute doch unglaubliche Einzelschicksale. Sie stehen nur stellvertretend für unzählige Erlebnisse von Menschen, die im ehemaligen Osten und Westen Deutschlands in unmittelbarer Nähe zum Grenzstreifen gelebt haben.

Neben Andreas Weihe und der Autorin des Buchs selbst sind zwei weitere Zeitzeugen anwesend, die im Buch eine Stimme bekommen und auch im Heimatverein: Ursula Breustedt und Lothar Engler.

Direkter Austausch gewinnbringend

Freundlich und mit einem guten Maß an Feingefühl moderiert Ines Godazgar die Veranstaltung, interviewt mit voranschreitender Zeit immer häufiger auch Besucher, die selbst nicht minder Zeitzeugen sind. Denn: „Ich werde Ihnen keine Geschichten vorlesen. Vorlesen ist langweilig.“ Das Buch kann jeder selbst lesen. Viel wertvoller sei es, die Chance zu nutzen, ins direkte Gespräch zu kommen, Geschichte aus erster Hand zu erfahren. Im bis auf den letzten Platz gefüllten Raum ist es völlig still, während Ursula Breustedt aus ihrem Leben berichtet. Von Zwangsenteignung und -umsiedlung, Sperrzonen und Überwachung, Verlusten und Neuanfängen. „Aktion Ungeziefer“ wurde die Zwangsumsiedlung von „politisch unzuverlässigen“ Gemeindegliedern 1952 genannt. Sie ist nur ein Beispiel für die Gängelungen derer, die es wagten, zu nah an der Grenze zu wohnen.

Bis heute haben die Betroffenen weder Gerechtigkeit noch Wiedergutmachung erfahren. Umso wichtiger sei es, nicht zu vergessen und Orte zu erhalten – physisch und auch virtuell, an denen Geschichte weiterhin für viele erlebbar gemacht werde.

Auch Jüngere erreichen

„Grenzschicksale. Als das grüne Band noch grau war“, erschienen im Verlag Janos Stekovics, ist derzeit vergriffen und nur noch über die Autorin selbst erhältlich. Die hohe Nachfrage und auch der Andrang am Samstag im Heimatmuseum zeigen, dass ihre Art, Geschichte in Geschichten zu erzählen, gut ankommt – ebenso wie Zeitzeugen selbst zu Wort kommen zu lassen.

Nun wäre es nur noch zu wünschen, dass der Verein einen Weg findet, auch die jüngeren Generationen zu erreichen. Damit die, die es nie erlebt haben, dennoch nicht vergessen.

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