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Prozess wird wiederholt

Horror-Missbrauch von Goslar: BGH hebt Urteil auf

Im Vorjahr wurden eine 53-Jährige und ihr Mann zu langen Haftstrafen verurteilt. Die beiden sollen die heute 25 Jahre alte Tochter der Frau als eine Art „Sex-Sklavin“ gehalten und immer wieder vergewaltigt und gequält haben. 19 Taten zwischen 2021 und 2022 waren angeklagt. Nun hob der Bundesgerichtshof das Urteil auf. Foto: Erik Westermann

Im Vorjahr wurden eine 53-Jährige und ihr Mann zu langen Haftstrafen verurteilt. Die beiden sollen die heute 25 Jahre alte Tochter der Frau als eine Art „Sex-Sklavin“ gehalten und immer wieder vergewaltigt und gequält haben. 19 Taten zwischen 2021 und 2022 waren angeklagt. Nun hob der Bundesgerichtshof das Urteil auf. Foto: Erik Westermann

Das Urteil des Braunschweiger Landgerichts im vergangenen Jahr war aufsehenerregend. Die Richter stellten fest: Eine junge Frau wird über Jahre von ihrer Familie gequält und missbraucht. Nun hebt der Bundesgerichtshof das Urteil auf.

Freitag, 19.04.2024, 09:30 Uhr

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Goslar. Das Urteil des Braunschweiger Landgerichts im vergangenen Jahr war aufsehenerregend. Die Richter stellten fest: Eine junge Frau wird über Jahre von ihrer Familie gequält und missbraucht. Sie erkennen monströse Taten – und greifen zum schärfsten Schwert der Justiz. 9,5 Jahre Haft für den Stiefvater (57) Torsten R., 13,5 Jahre für die Mutter Ramona (53). Wegen dutzendfacher Vergewaltigung.

Im Fall der Mutter sprach das Schwurgericht gar die anschließende Sicherungsverwahrung aus. Sie beschrieben die Richter als „treibende Kraft“ hinter Taten, die von ausgeprägtem sexuellen Sadismus zeugten. Dabei stützten sie sich vor allem auf die Angaben des mutmaßlichen Opfers aus Goslar.

Es beschrieb Übergriffe mit brennenden Zigaretten, einem glühenden Stielkamm, brutalen Vergewaltigungen: allein, zu zweit, zu dritt. Die junge Frau berichtet, seit der Kindheit von ihrer Familie darauf abgerichtet worden sein, ihr sexuell zu Diensten zu sein. „Wir sehen in einen menschlichen Abgrund“, sagte der Vorsitzende bei der Urteilsverkündung.

Begründung „lückenhaft“

Doch der Prozess muss wiederholt werden: Der 6.  Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat der Revision der Angeklagten stattgegeben und hob das Urteil auf. Die BGH-Richter monierten vor allem die lückenhafte Urteilsbegründung ihrer Braunschweiger Kollegen. Gerügt wurde etwa, dass das Landgericht die Zeugenaussagen der jungen Frau, heute 25, nicht ausführlich genug zitiert habe. So sei nicht nachprüfbar, ob ihre Angaben im Laufe der Zeit konstant blieben. Außerdem habe man sich zu leichtfertig auf die Diagnose des Therapeuten der 25-Jährigen mit Blick auf ihre Aussagetüchtigkeit gestützt. Der Arzt verneinte eine Persönlichkeitsstörung bei seiner Patientin. Vielmehr leide sie an einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung.

Ein Aussage-Psychologe hatte ihre Schilderungen im Prozess zwar als sehr glaubhaft eingestuft, aber das reicht dem BGH nicht. Denn auch er beziehe sich offenkundig auf die Diagnose ihres Therapeuten. Um den gesundheitlichen Zustand der Frau einschätzen zu können, braucht es nach Ansicht des BGH-Senats ein externes psychiatrisches Gutachten. Ein Fachmann, der mit dem Fall noch nicht befasst war, soll feststellen: Ist sie in der Lage Erlebtes zu schildern?

Wann die neue Beweisaufnahme beginnt, ist unklar. Zuständig ist nun eine andere Kammer des Landgerichts Braunschweig. Von Erik Westermann, Funke Medien Gruppe

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