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Projekt von Axel Zierer

Historisches Reisetagebuch aus Braunlage verfilmt

Vorm Hotel „Blauer Engel“ in Braunlage packt der Chauffeur den Wanderer, mit dem die Honoratioren reisen. Fotos: Privat/Nachtweyh

Vorm Hotel „Blauer Engel“ in Braunlage packt der Chauffeur den Wanderer, mit dem die Honoratioren reisen. Fotos: Privat/Nachtweyh

Der Braunlager Axel Zierer hat schon etliche historische Harz-Geschichten verfilmt. Jetzt hat er mit Eckhard Friedrich ein besonderes Projekt realisiert: Ein Reisetagebuch von 1938. Spannend: Die Reisenden waren damals keine Unbekannten in Braunlage.

Von Berit Nachtweyh Dienstag, 28.05.2024, 18:00 Uhr

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Braunlage. Wie lässt sich ein zeitgeschichtliches dokumentarisches Kleinod medial modern aufbereiten? Oder: Wie macht man aus einem bebilderten Reisetagebuch vom August 1938 einen Film? Darüber hat sich Axel Zierer viele Gedanken gemacht. Der „Video-Botschafter“ aus Braunlage hat schon etliche historische Dokumente filmisch in Szene gesetzt. Doch das Projekt, das Eckard Friedrich voriges Jahr an ihn herangetragen hatte, war etwas Besonderes. Jetzt ist der Film fertig, er heißt „Besinnliche Reise zu den Bajuwaren“ – so wie das Tagebuch von einst.

Filmemacher Axel Zierer (li.) und Ideegeber Eckhard Friedrich. Foto: Nachtweyh

Filmemacher Axel Zierer (li.) und Ideegeber Eckhard Friedrich. Foto: Nachtweyh

Entdeckt hatte Eckhard Friedrich die gebundenen Reise-Erinnerungen im Nachlass seines Großvaters – das war Dr. Walter Ebrecht, bis ins Jahr 1960 Arzt in Braunlage und bis zu seinem Tod 1989 Hotelier des „Blauen Engel“. Ebrecht war einer der drei Reiseteilnehmer von damals. Denn, nicht irgendwer hatte sich im Sommer 1938 von Braunlage auf den Weg zu den Bajuwaren gemacht, sondern gewissermaßen die Honoratioren der Stadt: der Arzt und Sanatoriumsbetreiber Dr. Kurt Schröder, der Fotograf und Geschäftsmann Hans Rudolphi sowie eben Dr. Walter Ebrecht.

Momente, Begegnungen und Landschaften festgehalten

Was der Anlass für diese Reise der drei Mittvierziger damals gewesen sein mag, lasse sich heute nicht mehr rekonstruieren, bedauert Eckhard Friedrich. Möglicherweise hatte der gebürtige Regensburger Hans Rudolphi den beiden Freunden seine Heimat zeigen wollen. Zumindest war Regensburg eine der Stationen entlang der Route. Anhand der vielen Fotografien von Rudolphi, der sich später auch als „Harzlichtbildner“ einen Namen machte, lässt sich immerhin der Verlauf der bayrischen Sommerfrische nachvollziehen, die unter anderem nach München, an den Starnberger See und zur Walhalla führte. Überall machte Rudolphi seine Aufnahmen, in denen Momente, Begegnungen und Landschaften festgehalten sind.

Die Einkehr in Gasthäusern und Biergärten ist für die drei Braunlager ein wichtiger Teil ihrer Reise durch Bayern.

Die Einkehr in Gasthäusern und Biergärten ist für die drei Braunlager ein wichtiger Teil ihrer Reise durch Bayern.

Besonders machen das Reisetagebuch aber nicht nur die sorgsam eingeklebten Fotografien, sondern vor allem auch die Textpassagen. Unter dem Bild vor der Abfahrt am Hotel „Blauer Engel“ etwa heißt es: „Sich wohl zu fühlen ist in unser aller Gefühl mit dem Nichtstun eng verbunden, die große Aufgabe, Ferien zu machen ist gleich bedeutend mit der Aufgabe, zu faulenzen, es ist eine Aufgabe von höchster Schwierigkeit“. Wer hat solch philosophische Gedanken während der Reise verfasst? Es war wohl Dr. Kurt Schröder, hat Eckhard Friedrich nach einem Gespräch mit dessen Enkel herausgefunden. In der Familie waren auch andere Reisebeschreibungen von Schröder bekannt.

Viele Bilder aus Gastwirtschaften

Einen solchen Text und die historischen Bilder im Film harmonisch miteinander zu verbinden, das war für den Video-Spezialisten Axel Zierer die große Herausforderung. Er entschied sich, Eckhard Friedrich als „Erzähler“ einzusetzen und für die musikalische Untermalung fragte er die Akkordeon-Spielerin Esther Rager an und nutzte Aufnahmen des verstorbenen Harzzither-Spielers Helmut Reichertz. Auf diese Weise ist ein atmosphärisch dichtes Video entstanden, es ist eine knappe halbe Stunde lang. Der Kurzfilm nimmt den Betrachter mit in eine Zeit, in der das Reisen nicht alltäglich war und die – vielleicht auch wegen der zahlreichen Wirtshausbilder – dennoch von einer großen Gastlichkeit erzählt.

Im "Wanderer" mit Chauffeur unterwegs

Unterwegs waren die drei Freunde damals mit einem „Wanderer“. Das Auto gehörte Dr. Kurt Schröder, das hat Eckhard Friedrich inzwischen ebenfalls recherchiert. Selbst am Steuer saßen die Herren Honoratioren damals allerdings nicht. Sie hatten für ihre Reise eigens einen Chauffeur engagiert, der die Braunlager Sommerfrischler über die seinerzeit noch nagelneue und kaum genutzte Reichsautobahn kutschierte – die Fotos von Hans Rudolphi dokumentieren auch das.

Das Tagebuch endet bei der Rückreise, die über Weimar führt, mit der Erkenntnis: „Diese ganze Epoche kennt nur eine Zeit, die wirklich allgemeiner Anerkennung sich erfreuen darf, das ist die gute, alte Zeit“.

Zu sehen ist der Film ab sofort auf der Internetseite von Axel Zierer: www.axelzierer.de.

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