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Reanimation im Unterricht

Goslarer Schüler sollen zu Lebensrettern werden

Markus Creydt, Vorstand der Volksbank Nordharz (Mitte) führt unter Anweisung von Stefan Bolde-Müller (rechts) eine Reanimation durch. Im Hintergrund ist Schulleiter Hans-Peter Dreß zu sehen. Foto: Fricke

Markus Creydt, Vorstand der Volksbank Nordharz (Mitte) führt unter Anweisung von Stefan Bolde-Müller (rechts) eine Reanimation durch. Im Hintergrund ist Schulleiter Hans-Peter Dreß zu sehen. Foto: Fricke

Mit seinem Reanimationsunterricht hat das Goslarer Ratsgymnasium ein Alleinstellungsmerkmal in Niedersachsen. Der Unterricht wurde jetzt durch eine Spende von 1500 Euro von der Volksbank Nordharz unterstützt. Damit wurde das Projekt digitalisiert.

Von Julia Fricke Montag, 23.01.2023, 19:00 Uhr

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Goslar. Es ist ein ganz normaler Freitagmorgen. Sechs Torsos liegen auf der Bühne der Aula im Ratsgymnasium. Allesamt ohne Gesichter. Die liegen in Papier verpackt in einer Kiste, werden von Lehrer Stefan Bolde-Müller an die Schüler verteilt. Das mag zwar seltsam anmuten, ist aber Teil des Reanimationsunterrichts des Ratsgymnasiums in Goslar. Mit einer Spende in Höhe von 1500 Euro von der Volksbank Nordharz konnten die Puppen aufgerüstet und das Projekt digitalisiert werden. Das Geld stammt aus den Reinerträgen der VR-Gewinnspargemeinschaft.

Um das Gefühl der Reanimation für die Schüler möglichst realistisch zu machen, zeigt Bolde-Müller, wie die Masken mit Plastikzähnen ausgestattet werden. Ein Plastikbeutel, der in den Kopf der Puppe gesteckt wird, simuliert die Lunge. Anschließend wird das Gesicht auf der Puppe platziert und festgedrückt. Sind alle Reanimationspuppen vorbereitet, geht es los: Erst ansprechen, dann kann die eigentliche Reanimation beginnen.

Ohne Gesicht sehen die Puppen gewöhnungsbedürftig aus. Foto: Fricke

Ohne Gesicht sehen die Puppen gewöhnungsbedürftig aus. Foto: Fricke

Mit Herzblut und Freude bei der Arbeit begleitet Bolde-Müller seine Schüler bei der Wiederbelebung. „Und los!“, gibt er den Startschuss. Dabei hallt Lady Gagas „Pokerface“ durch die Lautsprecher, scheint die Schüler anzuspornen, fest auf die künstlichen Körper zu drücken.

Die Gesichter der Puppen können abgezogen werden. Foto: Fricke

Die Gesichter der Puppen können abgezogen werden. Foto: Fricke

Was zunächst so scheint, als diene es alleine der Motivation der Schüler, hat einen ganz anderen Hintergrund. Alle Musikstücke, die Bolde-Müller während seines Unterrichts spielt, haben einen Rhythmus von 120 – also 120 Schläge in einer Minute. In diesem Rhythmus sollen die Schüler die Reanimation durchführen.

Haben die Puppen ihre Gesichter aufgezogen bekommen, kann die Reanimation starten. Rundes Foto: Fricke

Haben die Puppen ihre Gesichter aufgezogen bekommen, kann die Reanimation starten. Rundes Foto: Fricke

Ängste verlieren

Die Vitalwerte der Patienten können live auf einer Anzeige verfolgt werden. Hier wird auch angezeigt, wie wirksam Druckmassage und Beatmung sind. Dies wurde durch die Spende der Volksbank ermöglicht. „Es geht in erster Linie erst einmal darum, dass die Kinder die Angst davor verlieren, Erste Hilfe zu leisten“, erklärt Bolde-Müller. Während in den fünften Klassen zunächst die Druckmassage ohne Beatmung geübt wird, kommt diese erst später hinzu. Auch der Umgang mit einem Defibrillator und lebensrettende Sofortmaßnahmen stehen auf dem Plan der älteren Schüler.

Die Schüler nehmen mit Freude am Unterricht teil. Foto: Fricke

Die Schüler nehmen mit Freude am Unterricht teil. Foto: Fricke

Am Ende einer Einheit ziehen die Schüler die benutzten Masken wieder von den Puppen ab und geben sie bei Bolde-Müller ab. „Wir bringen die Masken zum Desinfizieren und Aufbereiten zum DRK nach Goslar. Die haben die gleichen Puppen, und ich hole dann neue Masken ab.“

In verschiedenen Grußßen dürfen die Schüler die Wiederbelebung ausprobieren. Foto: Fricke

In verschiedenen Grußßen dürfen die Schüler die Wiederbelebung ausprobieren. Foto: Fricke

Eigene Masken

Durch die Spende der Volksbank war es nun möglich, dass alle Schüler der fünften Klassen ihre eignen Masken erhalten können. „Die bringen sie dann zu unserem Reanimationsunterricht mit und behalten sie bis zum Ende ihrer Schulzeit“, sagt Bolde-Müller weiter. Dies spare Ressourcen. Am Ende des Unterrichts bekommen die Schüler einen Stempel in ihren „Herzensretter-Ausweis“. Bronze, Silber, Gold und Platin können erlangt werden. Einmal im Jahr findet der Reanimationsunterricht statt. Die Zeit reiche bereits aus, damit die Schüler die Scheu vor einem Ernstfall entwickeln.

Auch Pressesprecherin Dagmar Kleudgen versucht sich an der Wiederbelebung. Schulleiter Hans-Peter Dreß, Volksbank Nordharz Vorstand Markus Creydt, Lehrer Stefan Bolde-Müller, Schatzmeisterin des Elternvereins Tanja Peterson und Auszubildende Lea Sefrin (v.r.) beobachten das Ganze aus der hinteren Reihe. Foto: Fricke

Auch Pressesprecherin Dagmar Kleudgen versucht sich an der Wiederbelebung. Schulleiter Hans-Peter Dreß, Volksbank Nordharz Vorstand Markus Creydt, Lehrer Stefan Bolde-Müller, Schatzmeisterin des Elternvereins Tanja Peterson und Auszubildende Lea Sefrin (v.r.) beobachten das Ganze aus der hinteren Reihe. Foto: Fricke

Alleinstellungsmarkmal

„Wir haben in Deutschland das Problem, dass wir meistens erst mit dem Führerschein in Kontakt zu Erster Hilfe kommen und danach nie wieder“, kritisiert Bolde-Müller. Konkrete Regelungen zum Reanimationsunterricht in Schulen gebe es derzeit nicht. „Die Initiative kommt oft von außen“, sagt Schulleiter Hans-Peter Dreß. Mit ihrem Reanimationsunterricht hat das Ratsgymnasium ein Alleinstellungsmerkmal in ganz Niedersachen. Dabei sei eine Umsetzung eines solchen Unterrichts oftmals ganz leicht, sagt Bolde-Müller. „Die Puppen, die wir jetzt hier haben, sind die Hightech-Varianten. Es gibt aber auch Kleinere. Die würden auch erst einmal reichen, um die Schüler ans Drücken zu kriegen und ihnen die Angst zu nehmen“. Denn die Angst davor etwas falsch zu machen sei der häufigste Grund, weshalb Menschen sich nicht trauen, Erste Hilfe zu leisten.

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