Fem-Slam in Goslar: Witz und deutliche Worte

Am 9. März geht der 1. Fem-Slam im Kulturkraftwerk erfolgreich über die Bühne. Foto: Zietz
Vergnüglich, bissig, relevant – so könnte man den 1. Fem-Slam im Goslarer Kulturkraftwerk am Abend nach dem Internationalen Frauentag beschreiben, wobei mindestens noch ein Aspekt fehlt: die Poesie. Den 1. Platz belegte am Ende Janina Mau.
Für nur 0,99 € alle Artikel auf goslarsche.de lesen
und im ersten Monat 9,00 € sparen!
Jetzt sichern!
Fünf Frauen stellten am 9. März vor gute gefülltem Haus Schlag auf Schlag ihre Texte zum Thema Frausein vor. Die Moderation des Poetry-Slams von Frauen nicht nur für Frauen oblag Annika Blanke, die bereits bei der Langen Nacht 2023 den Sympathiejoker gezogen hatte. So fiel es ihr nicht schwer, acht Jurorinnen aus der Mitte des Publikums für den ersten Durchlauf zu finden, die drei der fünf Teilnehmerinnen in die Abschlussrunde katapultierten. Jede hatte ihre Qualitäten, die Punkte lagen dicht beieinander; der eine „Mut-Punkt“ für die Teilnahme musste nie vergeben werden, Mitleid war nicht vonnöten.
Ein Abend ohne Gendern
Warum ein reiner Frauen-Slam? Das ist weder Zufall noch nur dem Frauentag geschuldet – die Gleichstellungsbeauftragten von Stadt und Landkreis ziehen hier mit dem Kulturkraftwerk als Veranstaltungsstätte an einem Strang: Es geht um die Benachteiligung von Frauen in künstlerischen Berufen. Und darum, ihr mit Veranstaltungen wie dem Dichterinnen-Wettstreit entgegenzuwirken. Das hatte für die Poetinnen des Abends einen ungeahnten Vorteil: „Wir sind froh, nicht gendern zu müssen“, verriet Annika Blanke. Die Benachteiligung von Frauen, ob bei ungleicher Bezahlung oder Quotendenken, ist nicht lustig, wirkt aber mehr, wenn sie nicht verbissen rüberkommt.
Dass Frauen über sich selbst lachen können, den Beweis traten zum Warm-up erst mal Vera Tietz und Kathrin Falkner an, Gleichstellungsbeauftragte von Stadt und Kreis, indem sie in die Klischee-Kiste griffen und mit „Fakten“ zu Frauen erfreuten: Wie viele Tage verbringt eine Frau in ihrem Leben beim Durchwühlen ihrer Handtasche? Angeblich 76. „Wie viel Lippenstift verbrauchen wir?“ Antwort: 2,7 Kilogramm. Bevor die Slammerinnen loslegten, noch ein Zitat des einzigen Mannes, der zu Wort kam, Albert Einstein: „Manche Männer bemühen sich lebenslang, das Wesen einer Frau zu verstehen. Andere befassen sich mit weniger schwierigen Dingen, zum Beispiel der Relativitätstheorie.“
Fünf Poetinnen, fünf Arten, mit Erlebtem, mit Sprache umzugehen – ein spannender Mix. Für Frieda Tirre sprang Sadaf Zahedi ein, die mit ihrer Erzählung aus zwei Perspektiven deutlich machte, wie entscheidend für den Lebensweg einer Frau das Land ihrer Geburt ist. Eine sanfte Stimme, ein poetischer Beitrag, eine ausdrucksstarke Gestik – und letztlich ein kraftvolles Plädoyer für ein gewaltfreies, selbstbestimmtes Leben der Frauen in Afghanistan (und auf der Welt).
Viele Perspektiven
Nele Müller philosophierte über den „Geschmack von Familienglück“ und die Mutterlosigkeit, Mia Heuse trug mutig die Sicht der Transfrau bei, „aus Versehen als Mann auf die Welt gekommen und den Fehler korrigiert“, eine „gute Feuerprobe für das Dasein als Frau“. Allein die Namensänderung ein irrwitziger bürokratischer Akt. Der Applaus des Publikums katapultierte sie in der Endrunde auf den dritten Platz.
Den zweiten Platz eroberte die Frau, die ständig als Erste in die Bütt muss, Tanja Schwarz. Sie sprang für Eva Matz ein – und kam mit unterschiedlichen Texten gleich gut an. Erst eine Geschichte über Depression, dann über die Beziehung: „Ist das Liebe oder kann das weg?“ Wenn sich Depressionen erst mal festgesetzt haben, gibt’s kaum ein Entrinnen: „Alle Limetten der Welt könnten nicht so sauer sein, um es wieder lustig zu machen“, meinte Schwarz, ein schönes Bild. Schneestürme im Innern, auch im Sommer, die Bitte um Akzeptanz – stark.
The Winner is: Janina Mau. Für sie hielt der Saalapplaus noch eine kurze Spanne länger an. Eine Frau gehört nicht auf den Bau? Sie bewies das Gegenteil, eine Einlage von kabarettistischer Qualität. Nach dem Baumarkt die Beschneidung: Mau kann beides, witzig sein und bissig-böse, deutlich, drastisch, unversöhnlich und klar am Ende die Forderung, Menschen nicht nach ihrem Geschlecht zu bewerten, sondern als Menschen zu sehen – mit gleichen Rechten.