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Trilogie: „Minna“, „Hanne“ und „Romy“

Felicitas Fuchs liest in Goslarer Buchhandlung Böhnert

Carla Berling alias Felicitas Fuchs liest in der Buchhandlung Böhnert. Foto: Hartmann

Carla Berling alias Felicitas Fuchs liest in der Buchhandlung Böhnert. Foto: Hartmann

Autorin Felicitas Fuchs alias Carla Berling las in der Goslarer Buchhandlung Böhnert aus ihrer „Mütter“-Trilogie vor. In den Büchern „Minna“, „Hanne“ und „Romy“ spürt sie ihrer eigenen Familiengeschichte nach und erzählt über ein dunkles Geheimnis.

Von Petra Hartmann Montag, 29.05.2023, 15:00 Uhr

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Goslar. „Minna“, „Hanne“ und „Romy“ – drei Bücher über Großmutter, Mutter und Tochter – hat Felicitas Fuchs geschrieben. Die ersten beiden Bücher sind schon erschienen, Teil drei kommt im Juli heraus. Nun war die Autorin zu Gast in der Goslarer Buchhandlung Böhnert und stellte ihre Heldinnen vor.

Felicitas Fuchs, das ist Carla Berling, bekannt für Krimis und humorvolle Bücher, ein Name, der durchaus „zieht“. Aber gerade weil diese Trilogie Berlings eigene Geschichte ist, musste ein Pseudonym her. „Minna, das ist meine Oma“, macht die Autorin deutlich. Mehrfach. Es ist eine eigene Familiengeschichte, die drei Generationen umspannt und im frühen 20. Jahrhundert beginnt. Mit Teil drei, „Romy“ spürt Fuchs dann endgültig ihrer eigenen Biografie nach, und leicht ist es nicht, das kündigt sie jetzt schon an. „Minnas Geheimnis“, das die alte Frau mit ins Grab genommen hatte und das im Jahr 2017 „durch einen ganz blöden Zufall entdeckt wurde“, zog Romy/Felicitas/Carla buchstäblich den Boden unter den Füßen weg.

Erst Verstehen ermöglicht Verzeihen

„Ich erlebte, dass mir mein Leben ein zweites Mal um die Ohren geflogen ist“, erzählt die Fuchs, die in Goslar auch offen über die Höhen und Abgründe ihres Schriftstellerdaseins sprach. So wurde die Geschichte der drei Frauen mehr als ein Roman über ausgedachte Charaktere. Hier geht es an die Wurzeln der eigenen Existenz und darum, warum die Großmutter so handelte, wie sie es tat. „Erst als ich alle Beteiligten verstanden habe, konnte ich verzeihen“, sagt Berling.

Die gebürtige Mindenerin liest mit dunkler, abgeklärter Stimme. Manchmal verfällt sie in den ruppigen westlichen Dialekt, immer dann, wenn große Gefühle aufzukommen drohen. Dann lässt ein unsentimentaler Kommentar der bösen Tante oder der neidischen Nachbarin die Luft raus aus den bunten Träumen und macht, dass alles wieder platt und grau wird. Das Publikum lacht. Aber oft ist es ein Lachen, in dem das Grauen mitschwingt.

Als Frauen noch nicht Auto fahren konnten

Es ist eine harte Zeit, über die Fuchs erzählt. Ihre Lesung aus „Hanne“ beginnt im Jahr 1951, als Minna und ihre Freundin miteinander auf einer Leiter herumalbern und sich an den übergriffigen Chef erinnern, der untergebenen jungen Frauen gern mal unter den Rock griff. Eine Zeit, in der Frauen nicht Auto fuhren, weil Frauen das ja nicht können, und in der die Tuberkulose grassierte.

Tuberkulose – inzwischen nicht mehr automatisch das Todesurteil, aber doch das gesellschaftliche Aus und der finanzielle Ruin für viele. Minna hat Glück. Sie kommt in ein Sanatorium für Menschen aus ärmeren Kreisen, hat einige Auseinandersetzungen mit einem arroganten Arzt, wundert sich über das viele Nichtstun während der „Liegekuren“ und hört von einer Mit-Patientin fantastische Märchen über die „Cognak-Kuren“ in den Sanatorien der Reichen. Schockierend und erschütternd, wie die Schwägerin es ablehnt, Tochter Hanne während der Zeit in Pflege zu nehmen. Da könnte man sich ja sonstwelche Keime ins Haus holen. Solidarität und Selbstsucht liegen nahe beieinander in Zeiten der Seuche, sei es nun Tuberkulose oder Corona.

Aufklärungsunterricht in der Tuberkulose-Heilanstalt

Dann passiert das Undenkbare – Minna wird gesund, aber das Mädchen Hanne erkrankt. Hanne verbringt Jahre in einer Heilanstalt, wird von einer ebenfalls kranken Altersgenossin mit viel Fantasie über „Männer“ und „untenrum“ aufgeklärt und muss schließlich einer schmerzhaften Prozedur unterzogen werden, die mit dem Wort „Pneumothorax“ recht harmlos umschrieben wird, sie aber fürs ganze Leben mit einer langen Narbe auf dem Rücken zeichnet.

In den Zeiten von Minna und Hanne wurde nicht viel geredet. Die Schatten der Nazizeit und des Krieges ließen eine ganze Generation verstummen. Man flüchtete sich in Schweigsamkeit, in Wohlanständigkeit und Spießertum. Oder in den Alkohol. Einmal, im Zustand völliger Trunkenheit, erzählt Minna von ihren Freunden, von jüdischen Nachbarn, die abgeholt wurden und umkamen. Von Siggi, der ihr seine Geige anvertraute, bevor er ins KZ gebracht wurde, der dann dasaß und leise „La Paloma“ summte. „Aber es klang so, als würde er das Lied weinen.“ Die Geige gab es wirklich, verrät die Autorin. „Und sie ist in unserer Familie geblieben bis Mitte der 90er Jahre.“ Und danach? Geheimtipp: Im Juli „Romy“ lesen.

Verkaufsrekord in der Goslarer Buchhandlung Böhnert

Mehr als 50 Besucher lachten, schwiegen, applaudierten. Viele von ihnen hatten die ersten beiden Bände schon gelesen, und wer „Minna“ und „Hanne“ schon besaß, ließ es in der Pause oder nach der Lesung signieren. Die Erste, die in der Pause ihre Widmung bekam, war Heike Gerst, die auch Teil drei lesen will: „Auf jeden Fall“, sagt die Goslarerin. „Man nimmt die Bücher in die Hand und kann sie nicht wieder weglegen, bevor man sie durchgelesen hat.“ Kein Wunder, dass „Minna“ in der Buchhandlung Böhnert einen beeindruckenden Verkaufserfolg erzielt hat: „Wir liegen auf Platz eins mit 260 verkauften Exemplaren“, betonte Buchhändlerin Bettina Warnecke zu Beginn der Lesung. Die Anzahl dürfte im Verlauf des Abends noch deutlich gestiegen sein.

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