Fachkräftemangel auch im Goslarer Frauenhaus

Mit einer Postkartenaktion machen die Frauenhäuser in der Region auf sich aufmerksam – sie liegen zum Mitnehmen an verschiedensten Orten aus und bieten auf den Rückseiten die Telefonnummern der Hilfe-Einrichtungen. Repro: Kempfer/© Senftleben
Im Goslarer Frauenhaus ist der Personalmangel spürbar – mehrere Frauen mussten abgelehnt werden. Auch in den Punkten Aufenthaltsdauer und Migrationshintergrund gibt es Entwicklungen. Die Stimmung in der Leitung bleibt positiv und optimistisch.
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Goslar. Der Fachkräftemangel machte sich 2023 auch beim Goslarer Frauenhaus bemerkbar. Dass dort zwei Teilzeitstellen unbesetzt blieben, wirkte sich auch auf die Belegung des Hauses aus: Die war im vergangenen Jahr generell zwar hoch; sie wäre noch höher gewesen, wenn einige Frauen aus personellen Gründen nicht hätten abgelehnt werden müssen.
In diesem Jahr hofft Viktoria Dewald, die das letzte Quartal 2023 als pädagogische Fachkraft alleine auf weiter Flur wuppen musste, auf neue Verstärkung, denn es gibt alle Hände voll zu tun. Dewald selbst hatte 2016 im Frauenhaus angefangen, 2019 übernahm sie die Leitung. Nach fünf Jahren als Chefin macht es ihr „noch so viel Spaß wie im ersten Jahr“, versichert sie, sie sei „angekommen“. Dass sie bei all den Problemen, mit denen sie tagtäglich konfrontiert wird, nicht die Fröhlichkeit verliert, liegt an einem Umstand: „Wenn die Frauen hier ankommen, ist die Gewalt vorbei.“ Sie kann mit den Frauen, die den Schritt aus ihrer gewaltgeprägten Situation heraus gemacht haben, arbeiten – ein neues Leben vorbereiten. Daraus zieht Dewald viel Positives.
Frauen aus 15 Ländern
Was sagen die Zahlen? 2023 wurden 38 Frauen aufgenommen, vier weniger als im Vorjahr. Dafür blieben sie länger: zwölf Frauen bis zu einem Monat, 13 bis zu drei Monaten und vier bis zu einem halben Jahr. Eine Frau suchte sogar mehr als sechs Monate Zuflucht im Frauenhaus: Sie benötigte psychosoziale Unterstützung und musste zwei sich hinziehende Gerichtsverhandlungen überstehen. Dabei ging es sowohl ums Sorgerecht als auch um eine gefährliche Körperverletzung durch den Ex-Partner. 2023 stieg der Anteil von Frauen mit Migrationshintergrund auf fast 80 Prozent. Die 30 zu betreuenden Frauen mit Migrationshintergrund kamen aus 14 verschiedenen Nationen, angefangen von Syrien über die Türkei bis zu weiteren Ländern in Asien, Europa und Afrika. Sie brachten 46 Kinder mit Migrationshintergrund mit.
2023 ist die Zahl der nicht zustande gekommenen Aufnahmen von 99 (2022) auf 136 weiter gestiegen. Nicht selten war das Frauenhaus voll belegt; die Familienzimmer konnten zudem wegen erforderlicher Renovierungen nicht durchgängig belegt werden. Vier Frauen wurden aufgrund von Personalmangel nicht aufgenommen. In diesem Jahr scheint sich die Lage nach langer Suche zu stabilisieren: Verstärkung ist für Juni in Aussicht. Eine zweite Teilzeitstelle ist noch immer unbesetzt.
Die Tatsache, dass die Belegung im Frauenhaus immer kulturell gemischt ist, hat in den Augen von Dewald viel Positives – die Mischung bringt Leben ins Haus. Die Frauen lernten sich gerne kennen, stärkten sich gegenseitig. „Sie kochen zusammen, tauschen Rezepte aus“, berichtet sie: „Das ist total schön, das anzusehen.“ Einmal im Monat werde mit dem Personal im Frauenhaus zusammen gekocht, und die Kinder – 2023 waren es insgesamt 55 – machten den Nachtisch. Gemeinschaftsaktionen wie diese, aber auch Unternehmungen mit den Kindern und Ausflüge in den Zoo oder ins Rastiland werden ausschließlich durch Spenden ermöglicht.
Tattoo-Studio hilft
In dieser Hinsicht war 2023 ein gutes Jahr. Viktoria Dewald freut sich insbesondere über die kleinen Dinge, überraschende Hilfe aus unerwarteten Ecken wie im März 2023, als das Mad Raccoon-Tattoo-Studio zum Weltfrauentag einen „Coming-in-Tag“ veranstaltete und den Erlös von 600 Euro spendete. Auch Flyer wurden ausgelegt, freut sich Dewald über die „gute Öffentlichkeitsarbeit fürs Frauenhaus“, mit der vielleicht auch ein jüngeres Publikum erreicht werde. Genau diesem Ziel diente auch eine gemeinsame Postkartenaktion der Frauenhäuser in der Region. Attraktiv gestaltete Karten zum Mitnehmen liegen an diversen Orten aus – wer zugreift, hat auf der Rückseite alle relevanten Telefonnummern.
In Goslar gebe es immer wieder kleine lokale Unternehmen und Einrichtungen, die bereit seien, fürs Frauenhaus zu spenden. „Dafür sind wir sehr dankbar, das ist nicht selbstverständlich“, sagt Dewald. Sorgen machte der Frauenhaus-Leiterin im vergangenen Jahr hingegen neben der Personalsituation vor allem der Wohnungsmarkt. Die Situation habe sich verschärft: „Es dauert deutlich länger, eine passende Wohnung zu finden“, berichtet Dewald – aller Unterstützung zum Trotz.

Für Viktoria Dewald ist vor allem die kulturelle Komponente eine positive Entwicklung.