Erdgas kommt bald per Schiff

Vor Finnlands Hauptstadt Helsiniki gibt es bereits ein schwimmendes LNG-Terminal. Foto: dpa
Vier Spezialschiffe chartert Deutschland, um leichter ans begehrte Flüssiggas LNG zu kommen. Die schwimmenden Terminals sollen schnell ans Netz gehen. Doch auch dazu braucht es erst einmal passende Pipelines.
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So schnell wie möglich möchte die Bundesregierung sich unabhängiger von Gaslieferungen aus Russland machen. Die Gefahr ist groß, dass es im Zuge des Ukraine-Kriegs zu einem Gas-Embargo kommt. Damit die Versorgung gesichert ist, will der grüne Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck einen Plan im Eiltempo umsetzen. An der Nordseeküste sollen zunächst vier schwimmende Flüssiggasterminals entstehen. Doch von Umweltschutzverbänden kommt Kritik.
An den schwimmenden Terminals können Spezialschiffe verflüssigtes Erdgas (LNG) abladen. An Land wird es in Gas zurück gewandelt und per Pipeline ins bundesweite Netz geleitet.
3 Milliarden für Bau
Für den Bau hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) rund drei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Die Arbeiten für die erste schwimmende Station in Wilhelmshaven haben bereits begonnen. Weitere sollen schnell folgen – nach Angaben des Wirtschafts- und Klimaschutzministeriums zum Beispiel in Brunsbüttel an der Elbe.
Ende dieses Jahres soll das Wilhelmshavener Terminal in Betrieb gehen, der Start in Brunsbüttel ist ab 2023 vorgesehen. Der genaue Termin sei abhängig vom Anschluss ans Gasnetz.
Insgesamt hat die Bundesregierung vier dieser Terminals bei den deutschen Energiekonzernen RWE und Uniper angemietet. Die zwei übrigen könnten in Stade, Rostock oder Hamburg-Moorburg entstehen. Wichtige Parameter für die Standortwahl seien der Aufwand für den Umbau der Hafeninfrastruktur und den Anschluss an das Gasnetz.
Die vier LNG-Terminals können jeweils fünf bis zehn Milliarden Kubikmeter pro Jahr regasifizieren, also Flüssiggas zurück in den gasförmigen Zustand bringen. Laut Wirtschaftsministerium braucht Deutschland 95 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr. Rund 55 Prozent davon kamen bislang aus Russland.
Aus welchen Ländern künftig Schiffe Flüssiggas nach Deutschland bringen, ist Sache der Energieversorger. Nachbarländer, die bereits über LNG-Terminals verfügen, importieren Flüssiggas bislang vor allem aus Katar. 2020 stammten 27 Prozent der Lieferungen aus dem Golfstaat. Weitere 22 Prozent kamen aus den USA.
Doch an den Plänen gibt es von Beginn an Kritik. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) will gegen das Projekt in Wilhelmshaven klagen. Die Station gefährde ein Unterwasserbiotop und Schweinswale. Widerstand kommt auch von den Organisationen BUND, Nabu und WWF.
Das veranlasste Habeck zu einer Warnung: „Sollten wir die LNG-Terminals nicht haben, und sollte das Gas nicht aus Russland kommen, ist die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet. Im Zweifelsfall bringt uns eure Klage in größere Abhängigkeit von Putin. Das solltet ihr nicht tun an dieser Stelle.“
Mehr Tempo soll das Anfang Juni in Kraft getretene LNG-Beschleunigungsgesetz (LNGG) bringen. Damit ist die Frist für Einwände gegen die geplante Pipeline-Anbindung in Wilhelmshaven um drei Wochen gesunken – Ablauf war bereits am 14. Juni. Zudem wird in Wilhelmshaven keine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen.
„Überangebot“
BUND-Energieexperte Oliver Powalla bemängelt, dass dem Gesetz keine nachvollziehbare Bedarfsplanung zugrunde liege. „Um die Unabhängigkeit von russischem Gas zu erreichen, sind nicht bis zu zwölf LNG-Terminals nötig, wie es das Gesetz vorsieht“, sagt Powalla unserer Redaktion. Dies würde vielmehr ein Überangebot an Erdgas schaffen. „Die Bundesregierung möchte Versorgungssicherheit schaffen, schießt dabei aber eindeutig über das Ziel hinaus und erfüllt unhinterfragt die Wünsche der Gaswirtschaft.“ BUND, Nabu und WWF haben Widerspruch gegen den Baustart in Wilhelmshaven eingelegt. „Ein ähnliches Vorgehen wäre auch am Standort Brunsbüttel denkbar“, sagt Powalla.
Wie geht es weiter? „Im Hinblick auf das LNGG prüfen wir derzeit, ob eine Verfassungsbeschwerde zulässig wäre“, sagt Powalla. Die Umweltschützer fürchten, dass mit den Anlagen die Erdgasnutzung zementiert werde und die Klimaschutzziele in weite Ferne geraten.
Das Wirtschaftsministerium hingegen betont, die Energiewende beschleunigen zu wollen und umweltfreundlichere Alternativen weiter zu fördern, etwa durch den Hochlauf der Wasserstoff-Wirtschaft. Daher würden beim LNG-Terminal in Wilhelmshaven „wichtige Wasserstoffprojekte“ vorangetrieben, „damit auch das von Anfang gleich mitgedacht wird“. Nur: „Gleichzeitig müssen wir aber weiter unsere Vorsorge erhöhen, denn wir wollen uns so schnell wie möglich Sparte für Sparte aus der Klammer russischer Importe befreien.“