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GZ-Serie: Stadthalle im Pfalzquartier

Bürgerentscheid-Initiative: Probleme der Quartiersentwicklung

Modell des Pfalzquartiers: oben das geplante Hotel und die Stadthalle, rechts die Kaiserpfalz.  Archivfoto: Epping

Modell des Pfalzquartiers: oben das geplante Hotel und die Stadthalle, rechts die Kaiserpfalz. Archivfoto: Epping

Am 7. April stimmen die Goslarer über die Finanzierung der geplanten Stadthalle ab. Die Bürgerentscheid-Initiatoren lehnen eine finanzielle Beteiligung der Stadt ab. Sie argumentieren mit hohen Kosten, fehlenden Betreiberkonzepten und negativen Auswirkungen auf den Tourismus.

Montag, 25.03.2024, 16:00 Uhr

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Für das Team Initiative Bürgerentscheid haben diesen Beitrag Anke Berkes, Marie Luise Bona, Detlef Vollheyde, Holger Plaschke, Thomas Walter und Giovanni Graziano verfasst.
Für oder gegen den Bau der Goslarer Stadthalle: Das ist hier die Frage. Ernst zu nehmende Argumente gibt es auf beiden Seiten, und die Bürgerinnen und Bürger Goslars haben am 7. April die Wahl. Die Initiatoren des Bürgerentscheids zur Stadthalle lehnen eine finanzielle Beteiligung der Stadt ab:

Insel der Glückseligen? In letzter Zeit lesen oder hören wir immer mehr über dunkle Wolken über der deutschen Wirtschaft. Und dass die prognostizierte Wirtschaftswachstumsrate in Portugal einmal bei einem Vielfachen von Deutschland liegen könnte, hätte niemand gedacht. Doch wird es in diesem Jahr befürchtet. Die vielfältigen Ursachen zu analysieren, kann getrost anderen überlassen werden. Was uns betrifft, ist der regionale Aspekt und wie damit umgegangen wird. Welche Auswirkungen haben die Streiks, die Stellenstreichungen, so auch in Goslar (bei Schulenburg/XXXLutz) und anderen Unternehmen im Umkreis? Richtet die Stadt ihre Planungen daran aus?

Ja und Nein. Was wie ein Widerspruch klingt, zeigt sich in der Realität. Die Zahlen im Haushalt sind und werden angepasst, die Konsequenzen, die eigentlich daraus abgeleitet werden müssten, nicht. Kaum endendes Eigenlob hören wir, wie viele Schulden abgebaut oder Investition gestemmt wurden. Die Gewerbesteuereinnahmen sprudeln wie eine unversiegbare Quelle und geben uns viele weitere Möglichkeiten. Wäre da nicht der Haken, dass die Ausgaben viel stärker gestiegen sind als erwartet.

Giovanni Graziano, Thomas Walter, Anke Berkes, Holger Plaschke, Marie Luise Bona, Malte Sandweg und Detlef Vollheyde (v.l.) stehen für die „Initiative Bürgerentscheid“, die eine Beteiligung der Stadt ablehnen.  Foto: Privat

Giovanni Graziano, Thomas Walter, Anke Berkes, Holger Plaschke, Marie Luise Bona, Malte Sandweg und Detlef Vollheyde (v.l.) stehen für die „Initiative Bürgerentscheid“, die eine Beteiligung der Stadt ablehnen. Foto: Privat

Defizite im Haushalt

2022 prognostizierte die Verwaltung für 2024 im Ergebnishaushalt ein Minus von 656.100 Euro. Genehmigt wurde für das laufende Jahr durch die Mehrheit aus SPD, CDU und FDP ein Haushaltsloch von über zehn Millionen Euro, und in keinem der folgenden Jahre rechnet die Stadt mit einem Defizit unter 7,5 Millionen Euro.

Unbestritten haben viele Städte diese negative Tendenz. Die Probleme durch Corona und Ukraine-Krieg spielen eine große Rolle, aber jetzt befindet sich unser Land auch noch in einer Rezession. Wäre es da nicht angebracht, seine Planungen anzupassen?

Angepasst wird dem Anschein nach etwas anderes: die Höhe der Baukosten. Zu Beginn des Bürgerbegehrens einigten sich Stadt und Initiatoren auf die Berechnungen der Stadt. Bau- und Baunebenkosten belaufen sich auf rund 17 Millionen Euro und nach Berücksichtigung des Zuschusses der Tessner-Stiftung und der Finanzierung blieben 13,9 Millionen Euro. Dabei sollte es zurzeit bleiben. Spekulationen, ob die Zinsen weiter sinken, die Baukosten weniger stark steigen – oder stärker, wie es unlängst der Investor andeutete – sind nicht belegbar. Der immer wieder bemühte Zuschuss von 3,2 Millionen Euro durch die Aufnahme des Quartiers in das Förderprogramm ist ebenfalls nur in Aussicht gestellt, kann also auch viel weniger betragen. All dies sind Versuche aus dem Rathaus und einiger Ratsmitglieder, die Zahlen schönzurechnen.

Ein Einwand von Herrn Tessner lässt aufhorchen. „Wie fühlen sich die Initiatoren des Bürgerbegehrens, wenn das Quartier gebaut wird, die Baukosten jedoch durch das verlorene Jahr gestiegen sind?“ Dieser Satz zeigt, dass sie recht haben mit ihren Befürchtungen. Allein die Verpflichtungen, die Kommunen europaweit im Zusammenhang mit dem Klimaschutz erfüllen müssen, werden Baukosten weiter steigen lassen. Was uns zu der Zusicherung bringt: „Steigende Kosten trägt die Tescom.“ Denn alle Kostensteigerungen bis zur Vergabe der Aufträge muss die Stadt übernehmen. Bis zum Tag der Auftragsvergabe wird jedoch noch viel Wasser die Gose hinabfließen, befinden sich die Planungen doch erst in der zweiten von neun Phasen. Die Kostenentwicklung beim Schulzentrum Goldene Aue lässt Spielraum für Spekulationen.

Folgekosten der Halle

Der Bürgerentscheid beschränkt sich offiziell auf die Investitionskosten, dennoch muss jedem Goslarer klar sein, was es in der Folge bedeutet. Obwohl noch kein Betreiberkonzept vorliegt, kann aus Vergleichen mit anderen Städten geschlossen werden, dass 500.000 Euro und mehr pro Jahr dafür anfallen, denn einige Aufgaben, die eine Betreibergesellschaft erfüllen muss, fallen unabhängig von der Größe an. Je häufiger und günstiger die Überlassung für gemeinnützige Zwecke ist, desto höher wird das Defizit.

Was bedeutet das für die Erwartungen, die die Befürworter der Halle haben? Niemand kann heute seriös zusichern, dass die Räume auch kleineren Vereinen und für kleine kulturelle Veranstaltungen zur Verfügung gestellt werden. Bei der Verwaltung heißt es: „Wir wollen die Hand auf der Halle haben“, was so viel bedeutet, wie „wir wollen bestimmen, welche Veranstaltung Vorrang bekommt“. Die Gebührensatzung wird erst in einigen Jahren festgelegt und wird maßgeblich davon abhängen, wie sich der Rat dann zusammensetzt und wie viel Handlungsspielraum der Rat hat. Beim Zukunftsvertrag war der Rat schon einmal gezwungen, bei allen freiwilligen Aufgaben zu kürzen. Der Betrieb der Halle ist eine freiwillige Aufgabe, die jetzt on Top zu den bestehenden kommt. Es geht nämlich nicht um ein gegenseitiges Ausspielen von vorhandenen Angeboten, sondern um eine sehr teure Ergänzung. Die Erfahrungen der Vergangenheit, Achtermann und Odeon, die beide der Stadt gehört haben, zeigen, dass sich die Stadt immer durch laufenden Betrieb übernommen hat. Die Initiatoren des Bürgerbegehrens möchten auch insgesamt auf die Probleme der Quartiersentwicklung hinweisen. Neben der Hallengröße ist der Bereich der Verkehrsplanung spannend. Seit Wegfall des oberen Parkplatzes an der Kaiserpfalz hat sich die Situation für Anwohner erheblich verschlechtert, wie es die Menschen aus dem Bereich berichten. Es sind die täglichen Erfahrungen, die sie machen müssen, und sie werden nicht müde, es immer zu wiederholen. Nur gehört werden sie nicht.

Parkplätze an der Pfalz

Die Verwaltung präsentiert lieber Zahlen von Gutachtern, die an etlichen Diens- und Donnerstagen die Situation beobachtet haben. Gut und schön, an den beiden Wochentagen gibt es genug Parkplätze, doch an diesen Tagen wird die Stadt auch nicht gerade überrannt. Wie sieht es freitags oder samstags aus, wenn deutlich mehr Besucher nach Goslarer kommen? Aussagen dazu – Fehlanzeige. Dabei beschwören alle Befürworter, wie wichtig die Halle für den Tourismus ist. Auf der Basis der Zahlen wurde der Schluss gezogen, dass die Parkplätze reichen und der obere Parkplatz an der Pfalz ohnehin nie ausgelastet war. Kurios, dass ausgerechnet in der Verwaltungspräsentation ein Foto ist, das genau das Gegenteil beweist. Aber auf dieser Basis wird weiter geplant, weil in der Zukunft noch der eine oder andere Parkplatz wegfällt und die Möglichkeiten des Ersatzes begrenzt sind. Die Bürgerinnen und Bürger werden gesondert zum Gespräch geladen, Druck herausnehmen, beruhigen und vertagen. Die Hoffnung liegt auf einem neuen Verkehrsleitsystem, zu engen Parkhäusern und dem Osterfeld. Wäre da nicht noch das Problem mit den Reisebussen, die für den Tourismus wichtig sind. Noch halten sie auf dem Domplatz, und der Marktplatz ist schnell erreichbar. Von dort zum Weihnachtsmarkt, einem Goslarer Jahres-Highlight, sind es nur knapp über 300 Meter. Ein Weg, der für Senioren zu bewältigen ist und an dessen Rand schon Sehenswürdigkeiten locken. Zukünftig können die Busse am Osterfeld parken oder die Reisenden am Achtermann aussteigen lassen.

Busse am Osterfeld?

Zwei Alternativen oder Notlösungen, die der Attraktivität Goslars schaden? Das Osterfeld: Fitte Personen können den Weg durch die Wallanlagen genießen, wenn es nicht geregnet hat und alles für ein paar Tage matschig ist, während es für Menschen mit Einschränkungen ganz anders aussieht. Ihnen bleibt der Weg entlang der B 82. Leicht ansteigend und viel befahren.

Lieber der Achtermann: Für Individualreisende ist das auch keine Alternative, weil das Parkhaus über keinen Fahrstuhl verfügt und Gerüchten zufolge bald abgerissen werden soll. Auch den Busreisenden geht es nicht viel besser. Am Achtermann ist lediglich ein Aus- und Einsteigen möglich, weil die Busse dort nicht warten können. Zurück zum Weihnachtsmarkt: Der dann zu bewältigende Weg vom Achtermann ist doppelt so weit wie bisher. Touristen, die eher zum Bus zurück möchten, haben nicht mehr die Möglichkeit, eher einzusteigen, was gut für die Cafés klingt, aber unrealistisch ist. Und die in der Zeit ohnehin stark frequentierte Rosentorstraße wird noch voller. Alles keine Gründe, einen Besuch zu wiederholen. Aber Goslar hat dann ein neues Tagungshotel mit 50 neuen Arbeitsplätzen für das seit Corona rückläufige Segment des Tourismus.

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