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Verschiedene Erdbeersorten

Beere, wem Beere gebührt! – Besuch im Schladener Hofladen

Die täglich frisch geernteten Erdbeeren verkauft Karola Vorlop in Schladen selbst. Außerdem zu späterer Jahreszeit auch Himbeeren und Wassermelonen.

Die täglich frisch geernteten Erdbeeren verkauft Karola Vorlop in Schladen selbst. Außerdem zu späterer Jahreszeit auch Himbeeren und Wassermelonen.

Klimakrise und Kostenprobleme – Klar, aber ein Besuch im Schladener Erdbeerladen macht trotzdem gute Laune. Die Besitzerin des Hofladens, Karola Vorlop, spricht über das Geschäft mit den Erdbeeren und hat ein paar Tipps zur Verwertung der roten Früchte.

Dienstag, 11.07.2023, 15:00 Uhr

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Schladen. La Ola für Malwina! Ja, schon wieder greift eine Kundin ins Spankörbchen mit den Probier-Malwinas – und schon wieder ist ein wohliges Seufzen und Summen die Folge. Der Reporter sitzt in der Ecke des Nordharzer Hofladens von Karola Vorlop an der Straße von Schladen nach Beuchte und hätte fast mitgeseufzt und mitgesummt. Die Überraschung über den vollen, beinahe etwas säuerlichen und doch sehr angenehmen Geschmack dieser Erdbeersorte nach dem Selbst-Reingreifen wirkt noch nach.

Erdbeeren – nicht das originellste Thema. Aber schön vielschichtig. Und fehleranfällig schon in den üblicherweise anspielungsreichen Einleitungen. Hier die nötigsten Erdbeer-Schlaubergereien. Erstens: Johns Lennons „Strawberry Fields Forever“ hat mit Erdbeeren gar nichts zu tun, „Strawberry Field“ war der Name eines Waisenhauses. Zweitens: Das Gedicht „Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund“ stammt gar nicht von François Villon, sondern ist eine eigenständig-unanständige Schöpfung des Dichters und Villon-Übersetzers Paul Zech. Drittens: Streng genommen ist die Erdbeere gar keine Beere, sondern eine „Sammelnussfrucht“, weshalb ihre Pickel auch „Nüsschen“ heißen. Ach, und die grünen Stielchen, die wir alle immer abfummeln oder -schneiden, nennt man „Kelchblätter“.

Gute Nerven erforderlich

Wer Erdbeeren anbaut oder mit ihnen handelt, braucht gute Nerven. Schon das Wetter: „Erst war es zu trocken und dann zu nass“, sagt Rhoda Gleißner in Salzgitter-Lesse (Erdbeeren Strube), über den Juni. Beides sei problematisch.

Erdbeeren sind aber auch abgesehen von Wetterproblemen und Fäulnis-, Parasiten- oder Pilzgefahren fragile Früchtchen. Nach der Ernte sollten sie schnell bei der Kundschaft landen, sonst wird’s matschig. Für die Logistik-Ketten des Lebensmittel-Großhandels ist das eine steile Herausforderung.

Die Wetterverhältnisse müssen stimmen, damit Landwirte erfolgreich ernten können. Foto: dpa

Die Wetterverhältnisse müssen stimmen, damit Landwirte erfolgreich ernten können. Foto: dpa

Markus Schneider, Chef des großen Früchtevermarkters Frutania, schimpfte in der „Süddeutschen Zeitung“ übers miese Erdbeerjahr 2022 und sagte: „Das Geschäft mit Erdbeeren ist hochemotional.“ Ein Beispiel: Anfang Juni 2023 veröffentlichte der Bund für Umwelt und Naturschutz einen Test, demzufolge in vier von fünf Erdbeer-Körbchen Pestizidrückstände nachweisbar waren. Sofort gab es, wie die „Süddeutsche“ mit Bezug auf den Obstbau-Verband schreibt, eine Delle in der Nachfrage – obwohl das Bundesinstitut für Risikobewertung umgehend feststellte, dass man keine gesundheitliche Beeinträchtigung durch den Verzehr dieser Erdbeeren zu befürchten habe.

Kein „Erdbeerkrieg“ im Hofladen

Und dann ging es in dem Artikel auch noch um den tatsächlich so genannten „Erdbeerkrieg“ in Spanien in diesem Frühjahr. Dabei spielten die Frage nach der Wasserentnahme in einem Nationalpark, aber auch deutsche Discounter eine Rolle. Ja, das Geschäft auch mit süßen Beeren kann bittere Seiten haben. Übrigens stammt jede zweite in Deutschland verkaufte Erdbeere aus dem Ausland: aus Spanien, Griechenland, Mexiko, Marokko…

So ziemlich das Gegenteil eines „Erdbeerkriegs“ ist in Karola Vorlops Hofladen im Gange. Karola Vorlop, Jahrgang 1972, stammt aus der Nähe von Hannover, ist Diplom-Übersetzerin und hat sich nach der Heirat für die Landwirtschaft entschieden. Ein Familienbetrieb. Neun Familienmitglieder sind dabei. Auf zehn (der Fruchtfolge gemäß wechselnden) Hektar bauen die Vorlops seit Jahrzehnten Erdbeeren an. 20 Polinnen helfen im Sommer bei der Ernte. Eine von ihnen, Helena, füllt die Himbeerbestände auf. „Dziekuje“, sagt Karola Vorlop, die seit elf Jahren an der Volkshochschule Goslar Polnisch lernt. Man habe sich auf dem Hof in Schladen eine deutsch-polnische Misch-Kommunikation angewöhnt und viel Spaß damit.

Die Landwirtin berichtet morgens um neun Uhr zwischen zwei Verkaufsgesprächen im Laden über das Grundprinzip des Vorlopschen Erdbeerhandels. „Wir verkaufen die Früchte direkt nach der Ernte.“ Alle Früchte, die am Tag der Ernte in dem Laden oder an einem der anderen Stände nicht verkauft würden, verarbeite man zu Marmelade oder Erdbeernektar.

Marmelade und Eis aus Erdbeeren

Apropos Marmelade: Soeben hat Stammkunde Joachim Hartwich aus Lengde den Laden betreten. Wie eigentlich alle befragten Kunden mag er die Erdbeeren „einfach so“. Doch Hartwich schwört auch auf seine selbst gemachte Erdbeermarmelade, vor allem wenn sie nach eigener Rezeptidee mit Schokolade verfeinert wird, wie er nicht ohne Stolz hinzufügt. Und schon steht Nino Dzananovic an der Theke. Er kauft ein paar Körbe mehr als andere. Was Wunder, der Bosnier betreibt mit seiner Frau das Eiscafé „Adria“ in Schladen. Er wirkt eigentlich wie jemand, der Lust auf ein Schwätzchen hätte, doch heute hat er es eilig. Zu Hause laufe bereits die Eismaschine.

Likör und Erdbeersaft-Eiswürfel im Sekt

Dass in den ersten Juliwochen so viel von Malwina die Rede ist, hat mit den Eigenarten und den Ansprüchen der Sorten zu tun. Bei den Vorlops geht es im Mai los mit „Flair“, dann folgen „Honeoye“, „Sonsation“, „Faith“ und „Malwina“. „Aroma und Härte gehören zusammen“, sagt Karola Vorlop, „je aromatischer eine Sorte ist, desto weicher ist sie.“ Über die Vorzüge der einzelnen Sorten würde sie bestimmt noch ein paar Sätze sagen, doch sie muss arbeiten. Gegen zehn Uhr ist der Kundenstrom dichter geworden. Die Sonne bestrahlt ja nun auch den Nordharz so richtig erdbeerwettermäßig. Mit seinen Söhnen Felix (5) und Jonathan (6) nähert sich Dr. Gregor Bräunlein aus Schladen zielstrebig der Erdbeertheke. Anderthalb Kilo nehmen die drei mit. Ein Grillfest ist geplant – und zum Nachtisch gibt es… jawohl, Sie raten richtig. Andere Kunden, sagt Karola Vorlop, fänden auch Erdbeerlikör delikat, und ihr persönlicher Geheimtipp seien Erdbeersaft-Eiswürfel im Sekt.

In den Schladener Hofladen kommen täglich zahlreiche Käufer, um sich die frischen Erdbeeren zu holen. Foto: dpa

In den Schladener Hofladen kommen täglich zahlreiche Käufer, um sich die frischen Erdbeeren zu holen. Foto: dpa

Die Preise für Erdbeeren haben in diesem Jahr angezogen. Rhoda Gleißner aus Salzgitter-Lesse nennt den Mindestlohn und gestiegene Kosten fürs Verpackungsmaterial als Hauptgründe. Vier Euro für die 500-Gramm-Schale seien derzeit gang und gäbe. Wohl auch deshalb habe sich der Trend zum Selberpflücken weiter verstärkt. Die Vorlops, bei denen die Selbstpflücker nicht in Schladen, sondern in Gielde zum Zuge kommen, nehmen für die Früchte dann den halben Preis.

Die Gruppe der Anbauer ist übersichtlich. Das erwähnte Wetter-Risiko haben sie alle. Es kann passieren, dass eine Sorte vertrocknet. Erdbeeren können „Sonnenbrand“ bekommen, dann sind sie rasch hinüber. „Man merkt den Klimawandel“, sagt Rhoda Gleißner klipp und klar, „es gibt ja mehr Gewitter und mehr Hagel, das ist ein Problem.“ Viele Landwirte benutzen Folien, um ihre Früchte vor dem Wetter zu schützen und ihre Sorten früher zu ernten. „Aber ich finde, dass Erdbeeren im Freiland mehr Aroma haben“, sagt Karola Vorlop.

Weniger Anbauflächen

Nein, Karola Vorlops Stammkunden, die zum Teil sagen, dass sie sich im Sommer jeden Tag die gesunden Früchte gönnen, sind nicht repräsentativ. Doch immerhin fast vier Kilogramm Erdbeeren pro Jahr essen die Deutschen im Schnitt. Im internationalen Wettbewerb haben es die deutschen Anbauer schwer. Man braucht halt für Erdbeeren besonders viel teure Arbeitskraft für die Ernte – weshalb bald mit Pflückrobotern experimentiert werden soll. Der Klimawandel, der Kostendruck… Einige Anbauer haben aufgegeben oder umgesattelt. Die Erdbeer-Anbauflächen sind laut Statistischem Bundesamt hierzulande von gut 19.000 Hektar (2014) auf knapp 15.000 Hektar (2022) gesunken.

Na klar: Erdbeeren machen vielen Menschen viel Freude. Auch klar: Deutschland ist ein Erdbeerland. Doch keine Erdbeer-Insel der Glückseligen.

Von Harald Likus, Funke-Mediengruppe

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