9. Dezember: Die Weihnachtswelt und ihr Zauber

„Stille Nacht“ unterm Weihnachtsbaum: Musizieren und Gedichte gehörten früher zum Familienfest an Heiligabend. Heute ist es Heiligabend zu Hause bei vielen ziemlich still geworden. Symbolfoto: dpa
In der GZ-Adventsserie „Weihnachten mit Herz“ schreiben Leser Geschichten, die Freude machen, nachdenklich sind und Hoffnung geben. Jutta Blumenau-Niesel aus Bad Harzburg beschreibt Heiligabend, als Kinder noch Gedichte vortrugen ...
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Bad Harzburg. „Weihnachten mit Herz“ heißt in diesem Jahr der Titel unserer GZ-Adventsserie. Leserinnen und Leser schreiben Geschichten, die Freude machen, nachdenklich sind, Hoffnung geben oder Erinnerungen wecken – gerade auch in schwieriger Zeit. Jutta Blumenau-Niesel aus Bad Harzburg beschreibt Heiligabend, als Kinder noch Gedichte vortrugen ...
An diesen langen Winterabenden, wenn Eile und Unruhe im schwindenden Licht des Tages versinken, freuen wir uns am Schein, an Form und Farbe einer leuchtenden Kerze. Ich fühle mich in eine andere Welt entrückt, denke an längst vergangene Zeiten, als kleine Gaben große Freude bereiten konnten.
Glücklich in der Not
Gedichte und Lieder kommen mir in den Sinn, die wir am Weihnachtsabend, anfangs ein wenig beklommen wohl, dann aus voller Brust, sangen. Zu der Zeit aber begab es sich, dass wir glücklich waren trotz Not und Entbehrung. Und unsere Erinnerung fliegt engelgleich durch Zeit und Raum.
Bevor die Tür zum Weihnachtszimmer offen stand, wurde meine Geduld auf harte Proben gestellt: „Kein Eintritt! Mutter schmückt den Baum!“ Je länger ich warten musste, desto mehr wuchs meine Aufregung. „Markt und Straßen stehen verlassen …“, plötzlich wusste ich nicht, wie es weitergeht. Mein Gedicht ist weg.
Gerade wollte ich die feuchten Hände am Festkleidchen abwischen, als Großmutter mich in ihr Zimmer zog und schon mal sang: „Morgen kommt der Weihnachtsmann …“. „Aber Oma, doch nicht morgen“, schaffte ich noch. Und „Trommel, Pfeifen und Gewehr…“ will ich aber gar nicht haben. „Kind, sei nicht so zappelig. Horch mal, der Papi läutet schon das Glöckchen“, sagte Oma. „Ihr Kinderlein kommet“ spielte Mutter am Klavier, und wir traten ein in eine Welt, deren Zauber gut verstehen kann, wer sie je bewohnt hat. Mein Gedicht war wieder im Kopf und auf den Lippen. Sogar Lob erntete ich für „guten Vortrag“.

Jutta Blumenau-Niesel
Gedanken an Brasilien
Gestrickte Socken gab es für den Vater. Für Mutti vom Papi ein Pfund getrocknete Erbsen, steinhart. Großmutter gab sich zufrieden mit einem leicht vergilbten Spitzenkragen und stellte ein Glas Marmelade unter den Weihnachtsbaum – Mehrfrucht: Kirschen und Johannisbeeren mit Pflaumen aus dem Schrebergarten ihrer Schwester.
„Kinderlust“ und „Die Sage von den Nibelungen für die Jugend erzählt“ lagen als Bücher auf meinem Gabentisch. Einst hatten die Töchter meines Urgroßvaters, Christine und Gertrud, im damals kleinen Städtchen Blumenau in Brasilien darin gelesen; das müsste um 1879 gewesen sein.
Heute denken wir an ferne Freunde – und an unseren kranken Nachbarn auch, dessen Leid wir mit Zuwendung ein wenig lindern möchten.