Ein zweites Leben für das Bäumchen

Bei Mondlicht im Schnee entfaltet das Bäumchen einen besonderen Zauber. Foto: Pixabay
„Mein schönster Weihnachtsbaum“ heißt in diesem Jahr der Titel unserer GZ-Adventsserie. Maritta Richter aus Langelsheim erzählt von einem zerfledderten Bäumchen, das im Januar noch mal eine ganz besondere Magie entfachte.
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Langelsheim. Mein schönster Weihnachtsbaum stand am 7. Januar 1955 in unserem Garten zwischen Zaun und Holzschuppen. Wie in jedem Jahr wurde der Baum einen Tag nach „Heilige Drei Könige“ geplündert und nach draußen befördert.
Der Baumschmuck aus Kindertagen fiel etwas einfacher aus als die, die später folgten. Da gab es Strohsterne, Bienenwachskerzen und Lametta, welches jedes Jahr vom Papa gebügelt und sorgfältig in Zeitungspapier eingewickelt wurde. Im Laufe der Zeit kamen dann Holzfiguren, Kugeln aller Größen und Farben hinzu, und die Kerzen wurden teilweise durch Lichterketten ersetzt.
Mit Bohrer und Säge
Es gab sogar ein Jahr in dem eine unechte Tanne in unserem Wohnzimmer aufgestellt wurde. Da wurde aber nicht lange überlegt, und das Prachtstück war wieder zusammengeklappt. Der künstliche Baum fand dann aber später noch einen dankbaren Abnehmer, und wir machten damit jemandem eine große Freude.
In dem Jahr, an das ich zurückdenke, hatten meine Eltern eine Fichte erstanden, die nicht so ganz formschön war, dafür aber günstig vom Preis her. Mit Bohrer und Säge zauberte dann mein Papa einen schön gewachsenen Ecktannenbaum, indem er einige hintere Zweige nach vorn einsetzte. So thronte das Bäumchen genau in der Ecke zwischen Sofa und Schrank auf einem Hocker, damit die Höhe stimmte.
Am 7. Januar spazierte ich nach der Schule in den Garten, um meinen Rodelschlitten aus dem Holzschuppen zu holen. Über Nacht hatte es mächtig geschneit. Als ich mir den Weg dorthin bahnte, sah ich in der Ecke von Schuppen und Zaun ein paar Tannenzweigspitzen aus dem Schnee gucken. Ich zog und schüttelte kräftig daran und hatte plötzlich unser Weihnachtsbäumchen freigelegt. Erkannt hatte ich es, weil noch ein kaputter Strohstern darin verklemmt war und sogar sechs Streifen Lametta sich in den Zweigen verwickelt hatten.
Eimer, Strohstern, Lametta und Hobelspäne
Aus Rodeln war erst einmal nicht mehr zu denken. Zunächst besorgte ich mir einen kleinen Eimer, den ich mitten im Garten in den Schnee steckte. Der war tief genug. Dort stellte ich nun das Bäumchen hinein. Jetzt musste es noch geschmückt werden. Das bisschen Lametta und der zerfledderte Strohstern reichten bei Weitem nicht aus. Also suchen! In so einem Holzschuppen findet man sicher etwas Passendes. Und richtig. Da gab es einige kleine Kiefernzapfen und ein paar Kringel aus Hobelspäne. Mit Draht und Bindfäden befestigte ich diese an die kleine Tanne.
Im Eifer des Gefechts merkte ich erst gar nicht, dass mir in den inzwischen nassen Handschuhen die Hände kribbelten und schmerzten. Also machte ich Pause und ging ins Haus, um mich aufzuwärmen. Dann stibitzte ich vom bunten Teller noch ein paar Nüsse und verschwand wieder im Garten.
Das Glitzern im Mondlicht
Der Schnee um den Baum herum war mittlerweile festgetreten, und so konnten die Nüsse und einige Äpfel, die im Keller lagen und nicht mehr zum Essen zu gebrauchen waren, nicht mehr im Schnee verschwinden. Ich betrachtete mein Werk von allen Seiten bis auf die eine, an der die Zweige fehlten, und fand es sehr schön. Zufrieden mit meiner Arbeit konnte ich nun doch noch eine Weile rodeln gehen, aber nicht lange, denn es wurde ja früh dunkel.
Nach dem Abendessen schlich ich mich mit der Taschenlampe heimlich nach draußen in den Garten zu meinem Baum. Aber was sah ich da? Ein paar Nüsse fehlten, und ein Apfel war angeknabbert. Da hatten sich wohl Gäste eingefunden. Man konnte es an den Spuren im Schnee sehen. Ich stand noch eine Weile, dann machte ich meine Taschenlampe aus, und im Mondlicht glitzerten die wenigen Lamettastreifen. Einzelne Schneeflocken fielen wie Sterne auf die Zweige. Da fand ich, das war der schönste Weihnachtsbaum, den ich je gesehen hatte.
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Die nächste Folge:
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