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Friedhof Harlingerode: NS-Opfer sollen Identität zurückerhalten

14 NS-Opfer liegen an diesem Grabmal auf dem Friedhof Harlingerode begraben.

14 NS-Opfer liegen an diesem Grabmal auf dem Friedhof Harlingerode begraben. Foto: Raksch

14 namenlose Nazi-Opfer aus der NS-Zeit liegen auf dem Friedhof Harlingerode begraben. Bis auf einen einsamen Grabstein weist nichts auf ihr Schicksal oder ihre Identität hin. Wie der Verein Spurensuche Harzregion ihre Geschichte aufdecken will.

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Von Robin Raksch
Dienstag, 20.08.2024, 20:19 Uhr

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Harlingerode. In einer unscheinbaren, gepflegten Anlage links am Eingang des Friedhofs Harlingerode steht von roten Blumen gesäumt ein einsamer Grabstein. Stumm trägt er die Last einer tragischen Vergangenheit. „Hier ruhen gefallene Soldaten und ums Leben gekommene ausländische Zivilisten des Krieges, 1939-1945“, besagt die verwitterte Inschrift. Hinweise zur Identität und zum Schicksal der toten Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter gibt es dort keine. Der Verein Spurensuche Harzregion will ihre Geschichte sichtbar machen.

Anfang Juni hatten die 13. Klassen des Werner-von-Siemens-Gymnasiums zusammen mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und dem Verein Spurensuche Harzregion zwei Informationstafeln auf dem Friedhof Bad Harzburg aufgestellt, wie berichtet. Ziel war es, den dort anonym begrabenen Zwangsarbeitern aus der NS-Zeit sowie den Gefallenen des Ersten Weltkriegs eine Identität zu geben.

Schulleiterin Inga Rau (l.) und die Schüler Greta Lohde, Pay Philipp Symicek, Mirko Gallun sowie Emilia Zimmermann präsentieren ihre Infotafel mit dem Geschichtslehrer Lukas Friedrich und Rainer Bendick vom Volksbund.

Schulleiterin Inga Rau (l.) und die Schüler Greta Lohde, Pay Philipp Symicek, Mirko Gallun sowie Emilia Zimmermann präsentieren ihre Infotafel mit dem Geschichtslehrer Lukas Friedrich und Rainer Bendick vom Volksbund. Foto: Raksch

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Aber: Mindestens ein weiteres anonymes Grab dieser Art gibt es im Stadtgebiet noch immer – und zwar auf dem Friedhof Harlingrode. Auch dort wolle Dr. Friedhart Knolle vom Verein Spurensuche Harzregion eine Geschichts- und Erinnerungstafel aufstellen. 14 Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft liegen dort begraben. Kriegsgräber sollten Mahnung und Erinnerung an die Schrecken des Krieges, der NS-Diktatur und der Zwangsarbeit sein, sagt er. „Aber wenn die Opfer dort anonym liegen, nimmt man den Menschen noch im Tod ihre Würde. Es gilt, die Namen und die Schicksale aufzuklären, soweit das heute noch geht.“

Im Einzelnen handelt es sich offenbar um einen Belgier, zwei Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien, eine Ungarin, neun Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion und einen Polen. Eine 15. Person, ein deutscher Soldat aus Schlewecke, soll in einem Grab auf der Friedhofsfläche begraben sein. Sie alle starben in den Jahren 1941 bis 1945.

Viel mehr als das sei bisher nicht bekannt, sagt Knolle. Allerdings seien die Recherchen in vollem Gange: „Zwischenzeitlich konnten wir mithilfe des Volksbundes, der sehr engagiert mitarbeitet, und des Vereins Harlingerode PUR etwas mehr herausfinden, diese Daten sind jedoch noch nicht ausgewertet.“ Anhand der ersten Rechercheergebnisse liege es nahe, dass auf dem Friedhof Harlingerode Opfer der Zwangsarbeit in den Metallhütten von Oker und Harlingerode liegen könnten.

Arbeitslager in Bad Harzburg

Arbeitslager wie diese habe es in Bad Harzburg zahlreiche gegeben, grausame Schicksale hätten sich dort abgespielt. Knolles Recherchen zufolge arbeiteten in der NS-Zeit etwa 1000 Menschen als Fremd- oder Zwangsarbeiter in den Bad Harzburger Betrieben, mutmaßlich auch einige der auf dem Harlingeroder Friedhof begrabenen NS-Opfer. „Praktisch alle kriegswichtigen Betriebe hatten Arbeitslager für Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen oder Kriegsgefangene. Denn in der Kriegswirtschaft, insbesondere im Metall- und Bergbausektor, herrschte ein eklatanter Arbeitskräftemangel.“ Doch auch bei den allermeisten Arbeitslagern in Bad Harzburg würden Tafeln oder Gedenksteine fehlen, die zum Veranschaulichen der Geschichte nötig seien. Die Geschichte der NS-Zwangsarbeit in Bad Harzburg sei bisher kaum erforscht worden, sagt Knolle.

Der "Catalogue of Camps and Prisons in Germany and German-Occupied Territories" des International Tracing Service listet auf Seite 250 Arbeitslager aus der NS-Zeit in Harlingerode, Oker und Bad Harzburg auf.

Der "Catalogue of Camps and Prisons in Germany and German-Occupied Territories" des International Tracing Service listet auf Seite 250 Arbeitslager aus der NS-Zeit in Harlingerode, Oker und Bad Harzburg auf. Foto: Screenshot: Arolsen-Archives

Gute Quellen für die Lokalisierung von NS-Lagern seien die beiden Lagerkataloge des International Tracing Service. Diese verorten in Oker-Harlingerode ein Lager Chemische Werke Dr. Lüddemann, sowie ein Lager Bleikupferhütte mit 240 Arbeitern, ein Lager Zinkoxydhütte mit 230 Arbeitern und ein Lager Zinkhütte mit 200 Arbeitern. In Bündheim verzeichnen sie das Lager Sieg-Lahn-Bergbau GmbH, mit 50 Arbeitern und in Bad Harzburg die Kruppsche Bergverwaltung Bad Harzburg mit 120 Arbeitern, das Lager Eckertal-Baracken mit 50 Arbeitern und ein Gerichtsgefängnis mit 26 Insassen. In anderen Quellen ist noch von weiteren Lagern die Rede.

Hinweise und Spenden

Bei seinen Recherchen arbeitet der Verein Spurensuche eng mit dem Volksbund zusammen und klärt solche historischen Sachverhalte wie etwa am Friedhof Bad Harzburg, am Friedhof Harlingerode oder auch in den ehemaligen Arbeitslagern auf.

Die Zinkhütte zwischen Oker und Harlingerode im Jahr 1953 – einige Jahre nach dem Einsatz von Zwangsarbeitern.

Die Zinkhütte zwischen Oker und Harlingerode im Jahr 1953 – einige Jahre nach dem Einsatz von Zwangsarbeitern. Foto: Ahrens-Archiv

Eine besondere Verantwortung komme bei der Recherche den Firmen und Nachfolgefirmen zu, die heute für die Produktions- bzw. Lagerstandorte von damals verantwortlich seien. „Zu dieser Frage bitten wir die noch bestehenden Firmen bzw. die Nachfolgebetriebe um Unterstützung und Recherchehilfe.“

Für jeden sachlichen Hinweis seien Volksbund und Verein Spurensuche Harzregion dankbar sowie auch für Spenden, die sie in diesem Fall zweckgebunden für die Geschichts- und Erinnungstafel auf dem Friedhof Harlingerode einsetzen würden, sagt Knolle. Spenden an den Verein Spurensuche Harzregion sind möglich unter der IBAN: DE88 2595 0130 0030 0191 52 bei der Sparkasse Hildesheim Goslar Peine.

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