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Sechs starke Themen und Referenten

Frankenberger Winterabende starten in Goslar in die neue Saison

Dr. Andreas Reinicke (r.) ist bei den Frankenberger Winterabenden der erste Gast im neuen Jahr 2026. Das Bild zeigt den Direktor des Deutschen Orientinstituts während seiner letzten Botschafterstation in Tunesien im Jahr 2014.

Dr. Andreas Reinicke (r.) ist bei den Frankenberger Winterabenden der erste Gast im neuen Jahr 2026. Das Bild zeigt den Direktor des Deutschen Orientinstituts während seiner letzten Botschafterstation in Tunesien im Jahr 2014. Foto: picture alliance / dpa

Sechs Themen, sechs Gäste, zwei davon sogar mit Bezug zu Goslar: Die Frankenberger Winterabende starten am 30. Oktober in ihre 30. Saison. Die GZ stellt das Programm vor.

Von Redaktion Dienstag, 16.09.2025, 12:40 Uhr

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Goslar. Auf in die 30. Saison der Frankenberger Winterabende: Ein halbes Dutzend Frauen und Männer haben ihre Zusage gegeben, zwischen Ende Oktober und Mitte März 2026 nach Goslar zu kommen und im Kleinen Heiligen Kreuz oder in der Frankenberger Kirche zu ausgesuchten Themen vorzutragen. Zwei von ihnen haben sogar einen direkten Bezug zur Welterbestadt.

Die Jüngste aus der Referentenrunde bestreitet am Donnerstag, 30. Oktober, den Auftakt in der Frankenberger Kirche. Vier Tage vor ihrem 38. Geburtstag spricht SPD-Abgeordnete Mehria Ashuftah, die bei der Wahl im März neu in die Hamburger Bürgerschaft eingezogen ist, über „Engagement und Zivilcourage – zwischen Flucht und politischer Verantwortung“. In einer Zeit, in der politische und gesellschaftliche Konflikte immer intensiver werden, ist es ihrer Meinung nach wichtiger denn je, Zivilcourage zu zeigen und sich für Veränderung einzusetzen. Die in Kabul geborene Ashuftah kommt als Kleinkind mit ihren Eltern aus Afghanistan über Pakistan nach Deutschland, wächst in Groß Borstel auf, macht am Gymnasium Langenhorn ihr Abitur und studiert Rechtswissenschaften an der Uni Hamburg. In Goslar gibt sie einen tiefen Einblick in ihren persönlichen Werdegang, der von Flucht, Integration und Widerstand geprägt ist – und dennoch nicht nur ihre Geschichte widerspiegelt, sondern vor allem die Bedeutung von Engagement unter verschärften Bedingungen.
Mehria Ashuftah

Mehria Ashuftah Foto: Privat

Beim Winterabend geht es um die Herausforderungen, denen sich Menschen mit Migrationshintergrund stellen müssen, und um den Kampf für Gerechtigkeit, der weit über das persönliche Leben hinausgeht. Was es braucht, um in einem politischen System etwas zu bewegen, wenn alles gegen einen zu sprechen scheint. Von ihrer Flucht aus Afghanistan über die Zeit im Hamburger Flüchtlingsheim bis hin zu ihrem heutigen Engagement als Juristin und Abgeordnete der Hamburger Bürgerschaft – Ashuftah spricht über Hürden, Möglichkeiten und die Verantwortung, als Politikerin und Aktivistin für die nächsten Generationen zu kämpfen. Es wartet laut Veranstalter eine mitreißende Geschichte und inspirierende Gedanken über Mut, Widerstand und die Rolle von Zivilcourage in einer sich verändernden Welt.

Neue Chancen für die Kirche

Zum zweiten Winterabend wird Tilmann Haberer in Goslar erwartet. Er hat sich am Donnerstag, 20. November, das Thema „Kirche am Ende – Perspektiven für das Christsein von morgen“ gewählt und holt seinen Auftritt nach, der in der Vorsaison aufgrund von Krankheit ausfallen musste. Worum geht es? Seit Jahren nimmt die Zahl der Kirchenmitglieder kontinuierlich ab; 2022 sind zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik diejenigen in der Mehrheit, die keiner christlichen Kirche angehören. Es kann deshalb keinen Zweifel geben: Die Kirche, wie man sie bisher kannte, ist eine sterbende Institution. Sie ist am Ende – und das ist eine Chance. Das meint jedenfalls Tilmann Haberer, der von 2006 bis 2021 evangelischer Leiter der ökumenischen Krisen- und Lebensberatungsstelle „Münchner Insel“ war.
Tilmann Haberer

Tilmann Haberer Foto: picture alliance / Amelie Geiger/dpa

Nach seiner Zeit als Gemeindepfarrer in einer Münchner Citykirche ist er seit sieben Jahren als freiberuflicher Seelsorger, Journalist, Übersetzer und Autor aktiv. Er ist überzeugt: „Wenn ein alter Baum stürzt, fällt das Licht wieder auf den Boden, den seine Krone bisher beschattet hat, und dort können neue Sprösslinge wachsen.“ So sei es auch hier: Mag die Institution Kirche auch schwächer werden, die Botschaft des Evangeliums bleibe. Und sie wird weitergetragen: von neuen Initiativen, kleinen Gemeinschaften und in innovativen Projekten. Haberer hat sich diese Orte des Aufbruchs angesehen. Er versucht zu begreifen, welche Lebensprinzipien ihnen zugrunde liegen und entdeckt dabei Perspektiven für das Christentum von morgen.

Unerhörte Frauen am Frankenberg

Zum letzten Winterabend 2025 gibt am Mittwoch, 10. Dezember, Professorin Dr. Henrike Lähnemann ihre Visitenkarte in der Welterbestadt ab. Die Historikerin widmet sich zwei Wochen vor Heiligabend dem Thema „Unerhörte Frauen – die Netzwerke der Nonnen“. Wie lebten, beteten und arbeiteten die Nonnen am Frankenberg im Mittelalter?

Der Vortrag beleuchtet das Leben in religiösen Frauengemeinschaften aus einer Vielzahl von norddeutschen Quellen, bei denen Nonnen aus Braunschweig, Lüneburg und weiteren Klöstern zu Wort kommen und die materielle Überlieferung vorgestellt wird – von den ältesten Brillen der Welt bis hin zu monumentalen Teppichen. Es wird eine Welt lebendig, in der das Kloster den Frauen einen Wirkungsraum bot, geschäftlich, literarisch und theologisch wirksam zu werden.
Professorin Dr. Henrike Lähnemann

Professorin Dr. Henrike Lähnemann Foto: Privat

Die in Münster geborene Henrike Lähnemann lehrt als Professorin für Germanistische Mediävistik an der britischen Elite-Universität Oxford. Goslar und den Frankenberg kennt sie gut. Sie ist die Tochter von Professor Dr. Johannes Lähnemann. Der Theologe und Religionspädagoge lehrte lange Jahre an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und lebt seit 2010 in Goslar.

Verhandler im Palästina-Konflikt

Das neue Winterabend-Jahr läutet am Donnerstag, 29. Januar, Dr. Andreas Reinicke ein. “ Warum Ukraine, Gaza und Iran zusammen gedacht werden müssen“, führt der weit in der Welt herum gekommene Direktor des Deutschen Orientinstituts aus. Zuvor war der ehemalige Diplomat in Tel Aviv und New York stationiert sowie als Leiter des deutschen Vertretungsbüros in Ramallah tätig. Er war Botschafter in Syrien und zuletzt in Tunesien. Als EU-Sonderbeauftragter war er für den Friedensprozess im Nahen Osten eingesetzt und verhandelte zudem für die EU im Palästina-Konflikt. Der promovierte Jurist studierte in Gießen, Lausanne und Cambridge und gilt es exzellenter Kenner der Region und der handelnden Protagonisten. Er ist überzeugt, dass die Krisenherde, die gerade Europa bewegen, nicht unabhängig voneinander gesehen und interpretiert werden dürfen.

Zukunftsängste und seelischer Beistand

Um ein ganz anderes Feld geht es am Donnerstag, 26. Februar, wenn Frank Ertel nach Goslar kommt. „Telefon-Seelsorge und gesellschaftliche Entwicklung – Kontinuität, Veränderung, politische Notwendigkeiten“ ist sein Vortrag überschrieben. Der Pfarrer und Psychotherapeut wirft einen Blick auf die gesellschaftlichen Herausforderungen: Einsamkeit, Zukunftsangst und Nachfrage nach seelischem Beistand haben in den letzten Jahren stark zugenommen.
Frank Ertel

Frank Ertel Foto: picture alliance/dpa/Telefonseelsorge

Wie reagiert die Telefon-Seelsorge? Was bleibt beständig, was muss sich verändern? Und welche politischen Rahmenbedingungen sind jetzt nötig, um Hilfe wirksam zu sichern und diesen größten ehrenamtlich getragenen Seelsorgebereich der Kirchen passgenau aufzustellen? Ertel ist nicht nur Autor, sondern Fachvorstand der Telefon-Seelsorge Deutschland sowie Leiter der Telefon-Seelsorge Aachen-Eifel.

Zurück zu den Wurzeln

Es gibt noch kein fest umrissenes Thema und auch noch keinen genauen Termin, aber eine Winterabend-Zusage für den März 2026 liegt von Professor Hans-Joachim Gehrke vor. Der Nestor der deutschen Altertumswissenschaft hat 1965 sein Abitur am Goslarer Ratsgymnasium gemacht und schließt die Saison am Frankenberg ab. Er bekleidete Professuren in Würzburg und in Berlin, bevor er mehr als zwei Jahrzehnte in Freiburg wirkte. Nach seiner Amtszeit als Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin von 2008 bis 2011 ist er wieder in Freiburg als Professor emeritus am Seminar für Alte Geschichte und Director of Outreach am University College tätig. Darüber hinaus bekleidet er Honorar- und Gastprofessuren in Berlin, Perugia und Zürich sowie am Collège de France.
Professor Dr. Hans-Joachim Gehrke

Professor Dr. Hans-Joachim Gehrke Foto: picture-alliance/ dpa

Gehrke, der am 28. Oktober seinen 80. Geburtstag feiert, ist Mitglied unter anderem der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, der Academia Europaea, der Nationalen Akademie der Wissenschaften „Leopoldina“ sowie der Academy of Athens. Die ersten Berührungspunkte mit den alten Sprachen und der Geschichte des Altertums vermittelte ihm einst am Goslarer Ratsgymnasium sein „unvergesslicher Klassenlehrer“ Dr. Horst Fahrenholz, der zehn Jahre lang liberaler Zweiter Bürgermeister von Goslar war. Ernst Steinecke, der Fahrenholz 1992 an der Spitze des Ratsgymnasiums ablöste, war ein enger Gehrke-Freund seit Göttinger Studententagen. Wenn das Ratsgymnasium rief, war Gehrke da – etwa zur Abiturienten-Entlassung im Juni 2009, als er seinen Athen-Trip zur Eröffnung des neuen Akropolis-Museums für die Feierstunde in der Kaiserpfalz eigens um zwei Tage verschob. Termin und Thema des letzten Winterabends der Saison werden noch rechtzeitig bekannt gegeben.

Start immer um 19 Uhr

Die Winterabende beginnen jeweils um 19 Uhr und gehen im Kleinen Heiligen Kreuz oder in der Frankenberger Kirche über die Bühne. Der Eintritt ist frei, eine Spende zur Finanzierung der Reihe erbeten. Eine vorherige Anmeldung für den jeweiligen Winterabend ist erbeten, um die Zahl der Besucher ungefähr abschätzen zu können. Auf der Internetseite der Frankenberger Gemeinde (www.frankenberg-goslar.de) besteht die Möglichkeit dazu unter der Rubrik „Besondere Veranstaltungen“.

Bereits seit 1996 bilden die Frankenberger Winterabende den Rahmen für Vorträge zu Themen, die unter den Nägeln brennen. In spannender, bunt gewürfelter Runde werden wichtige Themen und Fragestellungen von interessanten Persönlichkeiten im Rahmen eines Vortrages erörtert und anschließend lebhaft diskutiert. Zwischendurch wird ein Imbiss angeboten.

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