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GZ-Advensserie 2021

Wenn der Christbaum zum Himmel stinkt

Ein schön geschmückter Christbaum ist auch ein Fest fürs Auge. Aber was, wenn der Baum selbst zum Himmel stinkt?  Foto: dpa

Ein schön geschmückter Christbaum ist auch ein Fest fürs Auge. Aber was, wenn der Baum selbst zum Himmel stinkt? Foto: dpa

„Mein schönstes Weihnachtsfest“ heißt unsere GZ-Adventsserie. Leserinnen und Leser schreiben Geschichten, die ermuntern, besinnlich sind, Hoffnung geben – gerade auch im zweiten Corona-Jahr. Hans-Jürgen Stanikowski aus Vienenburg erzählt uns von einem Streich mit Nachwirkungen.

Donnerstag, 16.12.2021, 09:00 Uhr

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Vienenburg. Es mag in den 1950er Jahren gewesen sein, dass ein zukünftiger Weihnachtsbaum zum Himmel stank. Mein damaliger älterer Freund Herbert Stolte hatte die Idee, den künftigen Weihnachtsbaum zu klauen. Es würde ja auch keinen armen Menschen treffen. Herbert war zur Tatzeit etwa 20 Jahre alt, ich, Hans-Jürgen, war etwa zehn Jahre alt. Unsere Wohnungen lagen im Oberdorf der Stadt Vienenburg – auf der damaligen Breiten Straße zwischen der katholischen und evangelischen Kirche.

Im Burggraben der über 700 Jahre alten Burg hatte der damalige Besitzer oder Pächter Jordan viele wunderbare wild wachsende Bäume stehen. Auch Schneeglöckchen und Fichten waren massenhaft vorhanden. Herbert kribbelte es unter den Fingernägeln: Ich klaue in diesem Jahr einen wunderschönen Weihnachtsbaum, den ich schon länger ins Auge gefasst habe.

Ich sagte zu Herbert: „Wann soll der Klau denn stattfinden?“ Herbert darauf: „Wenn keiner damit rechnet.“ – „Und wann soll das sein?“ „Wenn kein Mensch auf der Straße ist. Am Heiligen Abend um 16 Uhr beginnt in der evangelischen Kirche der Weihnachtsgottesdienst, da ist kein Mensch mehr auf der Straße.“ „Wenn du meinst...“ Um den Burggraben herum war ein etwa zwei Meter hoher Maschendrahtzaun gespannt, der aber nicht fachgerecht befestigt war. Die Wochen vor Weihnachten waren sehr kalt. Temperaturen von minus 20 Grad waren real. Schnee lag aber keiner. Die Straßen im Oberdorf waren menschenleer.

Herbert mit kurzer Handsäge im Ärmel und ich mit Angst und halbvoller Hose rückten dem von Herbert ausgesuchten Baum zu Leibe, und ruck, zuck war der Baum ab. Ohne einen Menschen oder Hund vor der Tür, bewältigten wir den rund 300 Meter langen Heimweg – doch mit starkem Herzklopfen.

Was Herbert aber nicht wusste, geschah bei der am Heiligen Abend anstehenden Bescherung. Der Weihnachtsbaum wurde auf einen Weihnachtsständer montiert und von seiner Mutter mit Lametta, Kerzen und Kugeln geschmückt. Ein wunderbarer Baum in diesem Jahr! Nach etwa einer halben Stunde der Freude über den wunderschönen Baum brach ein Unwetter in Stoltes Wohnzimmer herein. Vater Ernst bemerkte es zuerst: „Hier stinkt was!“

Herbert, der Weihnachtsbaum-Klauer, hatte die Rechnung ohne den Besitzer gemacht. Der Pächter Jordan hatte seinen Schweinemeister Giebel beauftragt, alle im Burggraben wachsenden Fichten um die Weihnachtszeit mit frischer Schweinejauche zu besprühen, weil angeblich schon in den Jahren zuvor Weihnachtsbäume geklaut worden waren. – Das Spektakel im Hause von Ernst Stolte hatte noch bis nach Silvester seine Nachwirkungen.

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Hier sind wir damals durch: Hans-Jürgen Stanikowski steht schmunzelnd an der Stelle, wo er in den 1950er Jahren am Bubenstreich mit Christbaum beteiligt war.  Foto: Privat

Hier sind wir damals durch: Hans-Jürgen Stanikowski steht schmunzelnd an der Stelle, wo er in den 1950er Jahren am Bubenstreich mit Christbaum beteiligt war. Foto: Privat

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