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Erinnerung an unerwarteten Tod

Vor 50 Jahren stirbt Goslars Ehrenbürger Dr. Otto Fricke

Otto Fricke senior und junior: Wohl kein Bild drückt die über den Tod des Vaters hinausgehend enge Verbindung besser aus. Foto: Privat

Otto Fricke senior und junior: Wohl kein Bild drückt die über den Tod des Vaters hinausgehend enge Verbindung besser aus. Foto: Privat

Als Ehrenbürger Dr. Otto Fricke am 3. September 1972 stirbt, ist das öffentliche Goslar schockiert. Der tatkräftige Unternehmer und einer der führenden Männer der CDU in Niedersachsen ereilt der Tod während eines Urlaubs in Bad Harzburg.

Von Frank Heine Samstag, 03.09.2022, 15:00 Uhr

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Goslar. Der erste Warnschuss trifft Dr.Otto Fricke bereits im Juni 1968. Nach einem schweren Herzinfarkt verbringt der Goslarer Unternehmer und Politiker drei Wochen im Krankenhaus und ist auch später noch lange gesundheitlich eingeschränkt. Er nimmt es zum Anlass, seine unzähligen Ehrenämter, Aufgaben und Verantwortlichkeiten nach und nach geordnet abzubauen. Als der Senior am 3. September 1972 – heute vor 50 Jahren – als Goslarer Ehrenbürger während eines Kurzurlaubs in Bad Harzburg mit Ehefrau Gertrud stirbt, verliert er, weiß sein Sohn Otto Fricke (90) zu berichten, durch den Tod eigentlich kein Amt mehr.

Starke Bauchschmerzen

Die Nachfolgen sind geregelt, das Erbe ist bestellt – und trotzdem kommt der Schicksalsschlag völlig unerwartet. Zehn Tage im Hotel „Harzburger Hof“, wo das Ehepaar Fricke schon so oft Ruhe und Muße gefunden hat, sollen auch diesmal Erholung bringen. Am 1.September, einem Freitag, liegt Otto Fricke im Bett und klagt über starke Bauchschmerzen. Es wird und wird nicht besser. Am nächsten Tag siedelt er in das Fritz-König-Stift über.

Dr. Otto Fricke.  Foto: Privat

Dr. Otto Fricke.  Foto: Privat

Er leidet laut den Ärzten an inneren Blutungen, die nicht recht zu stoppen sind. Im Krankenhaus besucht ihn am Sonntag auch noch sein Sohn Otto und geht um die Mittagszeit. Um 16.05 Uhr hört das Herz von „Kaiser Otto“, wie der stets so tatkräftige Christdemokrat von allen genannt wird, auf zu schlagen. Er schläft nicht ohne Schmerzen, aber friedlich ein.

Neuer Name Bahnhofsplatz

Fast schon eine Ironie des Schicksals, dass zu Beginn jener Woche, an deren Ende die 50. Wiederkehr von Frickes Todestag steht, der fertige Goslarer Bahnhofsplatz offiziell freigegeben wird. Er sollte nach ursprünglichen Überlegungen den Namen des Ehrenbürgers tragen. Nach ewig langer Findungsphase entschied der Rat des Jahres 2022 bekanntlich anders.

Vor einem halben Jahrhundert reagiert die Politik mit tiefer Trauer auf die Nachricht vom Tod des Mannes, dessen enorme Verdienste um Goslar in der Zeit nach dem Krieg liegen. Die GZ berichtet von seinem Ableben bereits am Montag mit einer Notiz auf der Titelseite in einer Zeit, als die Olympischen Spiele in München die Schlagzeilen beherrschen. Am nächsten Tag sollte das Attentat auf das israelische Team durch die palästinensische Terror-Organisation „Schwarzer September“ dunkle Schatten über das Friedensfest des Sports werfen.

Geschenk des Schicksals

Am 11.April – knapp fünf Monate vor seinem Tod – hatte der Goslarer Rat Fricke zum Ehrenbürger der Stadt ernannt. „Männer wie Sie kann eine Gemeinde nicht beim Schicksal bestellen, sie sind ein Geschenk“, hatte Oberbürgermeister Wilhelm Degenhardt bei der Verleihung gesagt. Energisch, tatkräftig, mit einem scharfen Verstand und außerordentlichem Redner-Talent gesegnet, aber auch stets sozial denkend und engagiert: So zeichnen viele Wegbegleiter den am 10. März 1902 geborenen Sohn einer alteingesessenen Lengder Bauernfamilie, der als Jurist promovierte und nach dem Tod seines Schwiegervaters 1929 die Geschäftsführung der Baustoffhandlung Prelle übernahm.

All seine Fähigkeiten setzt Fricke ein, als sich im April 1945 das Schicksal seiner Heimatstadt entscheidet. Nazis und Militärs wollen Goslar zur Festung erklären und bis zur letzten Patrone verteidigen. Der mit verwundeten Soldaten und Vertriebenen überfüllten, aber bis dato weitgehend von Angriffen verschonten Stadt droht kurz vor dem Ende des Krieges nicht nur ein Blutbad, sondern vielleicht die völlige Zerstörung. Besonnene Stimmen um Fricke und Stadtkämmerer Heinrich Wulfert – schon 1957 zum Ehrenbürger ernannt – setzen sich für eine kampflose Übergabe an die Amerikaner ein.

„Seine Liebe gehörte Goslar“

Was hat die Stadt Fricke zu verdanken? Vielleicht bringt es GZ-Lokalchefin Dr. Ursula Müller (die „Umsche“) in ihrem „Seine Liebe gehörte Goslar“ überschriebenen Nachruf auf den Punkt: „Wieder verlor Goslar einen Mann aus den Reihen derjenigen Politiker, die sich nach dem Zusammenbruch tatkräftig einsetzten, um aus materiellen und geistigen Trümmern etwas Neues aufzubauen. Mit dem Tod Dr. Frickes wurde Goslar aber zugleich um eine unauswechselbare Persönlichkeit ärmer. Es gab darum wohl keinen, der die Nachricht von seinem Tod nicht mit Erschütterung aufgenommen hat.“ Die Konrad-Adenauer-Stiftung hält heute fest: „Der Unternehmer aus Goslar war über zwei Jahrzehnte die zentrale Persönlichkeit der CDU in Niedersachsen. Ohne Frickes Wirken wäre der Aufstieg der CDU aus bescheidenen Anfängen zur Regierungspartei nicht denkbar gewesen.“

Zur bewegenden Trauerfeier kommen am 8. September 600 Gäste aus der gesamten Bundesrepublik in die Kaiserpfalz. Zehn Redner würdigen den Verstorbenen und seine Leistungen in verschiedenen Rollen. „Er war ein Helfer und Mitarbeiter, wo immer er gerufen wurde“, sagt Stadtoberhaupt Degenhardt – ein letzter Gruß. 

 

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