Till Burgwächter sorgt sich um die Zukunft des Heavy Metals
Schwermetall und schwarzer Humor mit Till Burgwächter
Fachbuch-Autor Till Burgwächter legt mit „Dio Digitale“ einen ironisch-sarkastischen Blick in die Zukunft der schwermetall-haltigen Musik vor. Ist die holografische Projektion von Metal-Größen wie in Wacken 2016 ein Sakrileg oder die Rettung?
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Mit Klassikern wie „Die Wahrheit über Wacken“ oder „Juhr Gait tu Hewi Mettäl“ hat sich Till Burgwächter längst in die Herzen der Schwermetall-Fans eingeschrieben. Jetzt geht der Braunschweiger Autor in seinem neuen Buch „Dio Digitale“ der Frage nach, ob Heavy Metal eine Zukunft hat – und wie diese aussehen könnte.
Die Lage scheint ernst: „Die elenden Streaming-Plattformen gönnen den Künstlern, ohne die sie keine milliardenschweren, börsennotierten Monsterfirmen wären, sondern nur ein käsiger Programmierer, der mit 30 noch in seinem Kinderzimmer hockt, nicht mal den Dreck unter den Fingernägeln“, schreibt Burgwächter in seiner bitterbösen, rabenschwarzen und liebenswert-drastischen Ausdrucksweise. Die Szene ist am Vergreisen, die Musiker am Aussterben und Verwesen: „,Black Sabbath‘ wurde an einem einzigen Tag im November 1969 aufgenommen. Logisch, dass die Protagonisten und ihre Nachfolger über 50 Jahre später nicht mehr durchgehend taufrisch aus der Wäsche gucken. Ronnie James Dio? Schon 2010 gestorben. Lemmy von Motörhead? Seit 2015 im Land, wo Jacky und Cola fließen. Slayer? Iron Maiden? Judas Priest? Kiss? Black Sabbath? Alle entweder eingemottet oder kurz davor, die finanzielle Pommesgabel ins Publikum zu werfen.“ So die Bestandsaufnahme.
Wie aber ist die vielgeliebte metallhaltige Musik dann zu retten? Ist etwa die digitale Unsterblichkeit durch moderne Hologrammtechnik der Weisheit letzter Schluss? Mit Grausen erinnert sich Burgwächter an ein Ereignis 2016 in Wacken, „als die Dio Disciples, eigentlich eine lauwarme Tribute-Band, plötzlich Besuch vom Meister selbst bekamen. Der trötete in bester Laune ‚We Rock‘ über den Acker, obwohl er, damals seit sechs Jahren tot, maximal seinen Gottesacker hätte bespaßen dürfen.“ Dann lieber Frischzellenkuren, die Erschließung neuer Zielgruppen durch Gebärdendolmetscher oder der Versuch, in der Pornoszene oder bei Yogakursen Fans abzuwerben? Burgwächter hat jedenfalls einige krause Ideen im Kopf, die offenbar einer vollen Dröhnung Schwermetall geschuldet sind. „Keine Panik, noch ist der eiserne Drops nicht gelutscht. Wir haben Grunge und Nu Metal überstanden, wir schaffen auch das.“
Bitter, sarkastisch und mit dem schwermetallischen Herzen auf der spitzen Zunge schwärmt und lästert sich Burgwächter durch die Szene und verfällt in melancholische Erinnerungen an die Zeit, als Probenräume noch nach Schweiß, Moder und Rattenkot rochen. Für Fans der „besten Musik der Welt“ ein absolutes Muss. Und für Nicht-Fans (gibt es die wirklich?) eine Einstiegsdroge, zu deren Einnahme ernsthaft geraten werden kann. Lesenswert.
Till Burgwächter, Dio Digitale, Charles-Verlag, 13 Euro.
Till Burgwächter, Autor von „Dio Digitale“ ist am Ostermontag, 18. April, in der Goslarer Kneipe „Zum Trollmönch“ zu Gast. Der Braunschweiger, der bekannt wurde durch Heavy-Metal-Klassiker wie „JGTHM – Juhr Gait tu Hewi Mettäl“ und „Die Wahrheit über Wacken“, hat in Goslar bereits mehrere Male mit düsteren, schwarzhumorigen Lesungen seine Visitenkarte abgegeben. Unter seinem bürgerlichen Namen Marc Halupczok veröffentlichte er zahlreiche Artikel im Musikmagazin „Metal Hammer“. Aber auch mit rabenschwarzen Geschichten über die „Braunschweigische Weihnacht“ hat er sich in die Herzen der vom Christfest manchmal angenervten Zeitgenossen geschrieben.
Die Lesung beginnt um 19 Uhr. „Ich lese neben zwei, drei bekannten Texten definitiv aus zwei Büchern, die erst dieses Jahr erscheinen werden. In beiden Fällen wird es lokal und düster“, kündigt der 46-Jährige an.