So verlief der Volkstrauertag in Goslar und im Nordharz

Gegen Krieg, Gewalt und Morden auf der Welt: Für die Stadt Goslar legen Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner und Erster Stadtrat Dirk Becker einen Kranz am Ehrendenkmal auf dem Friedhof an der Hildesheimer Straße ab. Foto: Heine
Der Volkstrauertag in Goslar und Nordharz zeigte die bittere Realität. Der Krieg in Gaza und der russische Angriff auf die Ukraine sorgt weiter für Entsetzen. Dennoch wolle man nicht aufhören, von einer „friedlichen, gerechten Welt zu träumen“.
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Goslar
Wie kann es nur sein, dass aktuell weltweit auf Demonstrationen Parolen zur Vernichtung Israels geschrien werden? Oder politische und religiöse Führer das Vokabular der Nazis wieder im Mund führen? Axel Siebe, Vorsitzender des Ortsverbands des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, mochte es am Sonntag bei der zentralen Goslarer Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag kaum glauben.
Es ist aber bittere Realität: Der Krieg in Gaza, provoziert durch blutige Angriffe der radikalislamischen Hamas, ist nach dem russischen Angriff auf die Ukraine der zweite Waffengang, der den Deutschen und Europäern nahe ist und ihnen nahe geht. Auch in Goslar war für Sonntag wieder eine Kundgebung auf dem Jakobikirchhof angesetzt. „Kein Krieg in Gaza – für ein freies Palästina“ lautete die Überschrift. Warum nur überhaupt Gewalt und Tod?
Auf dem Friedhof an der Hildesheimer Straße kreisten die Gedanken der rund 50 Versammelten nicht nur um die Toten und das unfassbare Leid der zwei Weltkriege im vergangenen Jahrhundert. Warum nur gelingt es Menschen immer wieder aufs Neue, andere zu Gewalt zu verführen? Zu radikalisieren? Bedenklich, dass sich eine „schweigende Mehrheit aus Gleichgültigkeit oder Bequemlichkeit“ oft mitreißen lasse, sagte Siebe. Er rief mit Nachdruck dazu auf, alle Bestrebungen im Keim zu ersticken, die sich heute gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richteten. Der Volkstrauertag sei als ein Signal zu verstehen, dass „Frieden keine Selbstverständlichkeit ist“.

Pfarrer Ulrich Müller-Pontow (li.) und Vorsitzender Axel Siebe vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Foto: Heine
Pfarrer Ulrich Müller-Pontow hatte sich von einem ungewöhnlichen Trauspruch aus dem 85.Psalm inspirieren lassen: „Liebe und Treue begegnen einander; Gerechtigkeit und Friede küssen sich.“ Gerechtigkeit und Friede – so eng beieinander? „Sie bedingen sich“, sagte Müller-Pontow, „wir sind aufgefordert, uns für beides einzusetzen.“
Eindringliche Worte fanden auch drei Ratsgymnasiastinnen aus dem Englisch-Leistungskurs von Michael Kwasniok. Finja Hädrich, Giulia Mikos und Friederike Fischer erinnerten an das Massaker von Oradour-sur-Glane vom 10. Juni 1944. Die Waffen-SS erschoss die Männer und tötete die in der Kirche gefangenen Kinder und Frauen mit weißem Phosphor und Handgranaten. Der letzte Überlebende ist erst kürzlich gestorben. Versöhnung möglich? Ja, im Wunder der EU-Gründung. Eine Gemeinschaft, für die aber Voraussetzung sei, dass „Nationalismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit“ nicht mehr an die Macht gelangten.
Für die Stadt legten Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner und Erster Stadtrat Dirk Becker einen Kranz nieder. Es spielte der Frankenberger Posaunenchor unter Leitung von Annette Krieger.
Nordharz
Gedenken an die Opfer von Krieg, Gewalt und Terror zum Volkstrauertag gab es am Sonntag auch in den Gemeinden des Nordharzes.
Nach dem Gottesdienst zum Volkstrauertag mit Pfarrer Frank Ahlgrim hielt der stellvertretende Ortsbürgermeister Uwe Vornkahl die Gedenkrede. „Wir denken heute auch an die Opfer der Kriege unserer Tage, die Opfer von Terror, Gewalt und politischer Verfolgung, an die Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräfte, die für den Schutz unserer Freiheit und Werte ihr Leben ließen“, sagte er. Abordnungen von Kyffhäuser-Kameradschaft, Feuerwehr und Ortsrat legten jeweils am Ehrenmal einen Kranz nieder.

Thomas Markwort und Henning Rostock legen in Klein Mahner den Kranz nieder. Foto: Hohaus
In Klein Mahner hielt Gottesdienst und Rede zum Volkstrauertag Vikarin Laura Zikeli. „Alles, was ich über den Zweiten Weltkrieg weiß, stammt aus meinem Geschichtsbuch. Daneben kenne ich vereinzelte Erzählungen von meinem Großeltern und Urgroßeltern, die damals auch aus Schlesien geflohen sind.“ Über Entbehrungen, Hunger, dem Kampf ums Überleben, Kriegsgefangenschaft. „All das ist aus heutiger Sicht für mich unvorstellbar, aber es war blanke Realität. Menschen, die aufeinander schießen, töten, weil es ihnen befohlen wurde. Menschen, die scheinbar ihre Menschlichkeit verloren haben und nur noch funktionierten. Eine ganze Generation, die ausgelöscht und ihrer Kindheit beraubt wurde.“
Sie sei dankbar, dass sie das alles nicht erleben musste, und habe umso mehr Respekt vor Zeitzeugen, die von ihren Erfahrungen berichten. „Nicht nur als Mahnung, dass dies nie wieder passieren darf, sondern auch, um meiner Generationen die Folgen von Terror und Antisemitismus deutlich zu machen.“ Und trotz aller heutigen Kriege sagte sie: „Ich möchte nicht aufhören, 78 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges von einer friedlichen, gerechten Welt zu träumen.“