Sarah Hakenberg: Ostwestfalen-Power im Kulturkraftwerk

Sarah Hakenberg singt im Goslarer Kulturkraftwerk über SUV-Ledersitze, den letzten CDU-Wähler und die Nackenzacken der Wacken-Rocker. Foto: Zietz
Sarah Hakenberg war am Samstag zu Gast im Goslarer Kulturkraftwerk. Zu Ukulele und Gitarre sang die Musikerin und Kabarettistin Lieder über CDU-Wähler, SUV-Fahrer, Kindererziehung und die Mode in Wacken, außerdem warnte sie vor „Leo Lausemaus“.
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Goslar. Es hat geklappt. Mehrfach abgesagt, immer wieder verschoben, aber am Samstagabend stand Sarah Hakenberg endlich doch auf der Bühne. Da konnten sie nicht einmal „Magen-Darm“ bei ihren Kindern und ein eigener leicht geröteter Hals aufhalten, und selbst die Deutsche Bahn, die sie nur bis Salzgitter brachte, schaffte es nicht mehr den Auftritt zu sabotieren: „Wieder da“, heißt das aktuelle Programm der Kabarettistin, und den Refrain des Titelstücks – coronakonform ohne Spucklaute wie k, p und t – durften die Zuschauer auch gleich mitsingen.
Zwei Jahre von Corona ausgebremst ... Da scheint es im Rückblick beinahe prophetisch, dass ihr 2019er Programm, mit dem sie ursprünglich für das Kulturkraftwerk gebucht war, den Titel trug: „Und dann kam lange nichts.“ Ein wenig hakte es noch, ein paar Mal musste sie bei den neueren Liedern neu ansetzen, aber sowohl die Künstlerin als auch das Publikum waren sich einig darin, endlich ein Ende der kulturlosen Zeit zu feiern – und vor allem auch die Kulturkraftwerk-Crew hochleben zu lassen, die das alles wieder möglich machte.
Mit Klavier und Ukulele trug Hakenberg politische Lieder wie ihren Abgesang auf den letzten CDU-Wähler oder über den SUV-Fahrer und den intensiven Geruch seiner Wildledersitze vor. Pfui, wie gemein, wenn der Frau ausgerechnet auf diesem Wildledersitz auf dem Weg zum Kreißsaal die Fruchtblase platzt. Und überraschend die Reaktion eines grünen Freundes, von dem die Sängerin berichtete: Nein, er fühle sich durch ihren Spott über Riesenautos nicht angegriffen – er selbst fahre ja einen eSUV.
In der Sparte „Kinderbücher des Grauens“ nahm sie ein Bilderbuch aus der Reihe „Leo Lausemaus“ auseinander. Tatsächlich, aus der Geschichte „Mama geht arbeiten“ spricht ein geradezu ekelerregendes Frauen- und Familienbild. Die doppelte Mutter kann ein Lied davon singen, was in der aktuellen Kinderliteratur für steinzeitliche Ansichten und Rollenmodelle auftreten.
Überhaupt: Kinder. Erfahrungen mit dem eigenen Nachwuchs, überspitzt und auf groteske Art bis ins Äußerste ausgereizt, machten einen Großteil des Abends aus. Wie man einem bislang gewaltfrei erzogenen Sohn, der plötzlich auf die Idee kommt, Krieg spielen zu wollen, die Lust darauf ein für alle Mal austreibt, den Teddy massakriert und dem Jungen dramatisch vorführt, wie die eigene Mutter, von ihm erschossen, auf dem Boden verblutet, dürfte von zartbesaiteten Pädagogen nicht empfohlen werden. Aber: Wenn sie damals Putin erzogen hätte, hätte er heute keine Lust zum Kriegführen, nahm Hakenberg glaubwürdig für sich in Anspruch.
Besonders von einer starken „Ostwestfalen-Fraktion“ im Saal erhielt die bekennende Frau aus der „Provinz“ (Warburg, Kreis Höxter in Nordrhein-Westfalen) reichlich Zuspruch und Rückenwind. Die Fans forderten nachdrücklich ihr Ostwestfalenlied ein, das sie als letzte Zugabe dann auch schließlich gab. Und als kleine Denksportaufgabe für einen eventuellen neuen Lockdown hinterließ Hakenberg die Aufforderung, ihr „Wackenlied“ auswendig zu lernen. Wer sich den Song einverleibt, wird die Spitzen auf Rockerjacken niemals wieder als profane „Spikes“ bezeichnen. Ganz klar, jeder Hakenberg-Fan weiß jetzt, dass es sich um Schnuckerbäcker-Zuckercracker-Nickelsockel-Pickelgockel-Buckelschnecken-Huckelhecken-Fleckenkrücken-Zeckenzicken-Ackerhocker-Mackerrocker-Mückenwacken-Flickenjacken-Nackenzacken handelt. War doch ganz einfach.