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Geschichten und Lieder in Mundart

Plattdeutsch in Lutter: Neustart nach Corona mit 21 „Frünnen“

Gesang und Geschichten op Platt: Die Gruppe trifft sich im Seniorenheim Neiletal in Lutter. Foto: Hartmann

Gesang und Geschichten op Platt: Die Gruppe trifft sich im Seniorenheim Neiletal in Lutter. Foto: Hartmann

Der plattdeutsche Nachmittag in Lutter musste wegen der Corona-Pandemie lange ausfallen. Doch jetzt treffen sich die Plattdeutschen Frünne wieder regelmäßig, schnackken, lesen und singen Lieder. Neuer Treffpunkt ist das  Seniorenheim Neiletal.

Von Petra Hartmann Montag, 17.07.2023, 11:00 Uhr

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Lutter. Nu geit dat wedder los met de Plattschnackers: Die plattdeutschen Frünne sind aus der Corona-Zwangspause wieder zurück und treffen sich einmal monatlich im Seniorenheim Neiletal in Lutter. 21 Freunde der Mundart waren beim „zweiten Treffen seit Corona“ mit dabei. Weniger als zuvor, aber die Runde hofft auf Neueinsteiger und Rückkehrer.

Seit mindestens 50 Jahren gibt es die Gruppe, und früher waren es durchaus auch 80 oder 90 Teilnehmer, erzählen die Mitglieder. Viele haben die plattdeutsche Sprache schon als Kinder gesprochen. Aber Karin Moers ist das lebende Beispiel dafür, dass man auch als Erwachsene noch gut hineinfinden kann in die niederdeutsche Mundart: „Ich habe das gelernt wie eine Fremdsprache“, sagt die Fremdsprachenkorrespondentin, die außer auf Englisch und Französisch nun auch „op Platt“ parlieren kann. „Die brauchten jemanden für die Küche“, erzählt sie über ihren Einstieg in die Gruppe. Vor rund 30 Jahren ging sie bei Heinrich Schulze in die Lehre. Inzwischen organisiert und moderiert sie die Runde und trägt Texte vor.

Als Kind plattdeutsche Selbstgespräche geführt

Ein richtiger Muttersprachler dagegen ist Heinrich Bothe, der Vorsitzende der Plattdeutschen Frünne. „Als kleiner Junge habe ich immer plattdeutsche Selbstgespräche geführt“, sagt der Pastor im Ruhestand. „Und wenn ich mit Freunden gesprochen habe, dann immer auf Platt.“ Allerdings: Platt und Platt ist nicht das Gleiche. Hier wird ostfälisches Platt gesprochen. „Das Harzer Platt verstehen wir gar nicht“, sagt Bothe.

Heute haben die Frünne etwas zu feiern. Darum gibt es zum Einstieg ein Lied. Auf Hochdeutsch. „Was sind schon 90 Jahre?“, singen alle als nachträglichen Geburtstagsgruß für Wilhelm Mull aus Haverlah. „Ek hev freuer jümmer sächt, ek möchte twintig sien“, neckt Bothe den um sechs Jahre älteren Jubilar.

Moderne Mikrofonanlage mit leichten Tücken

Früher hat sich die Runde in der Schule getroffen. Inzwischen ist das Seniorenheim der Treffpunkt – und viele Bewohner nutzen die Gelegenheit und hören zu. Damit alle auch verstehen können, was vorgelesen wird, gibt es nun eine moderne Mikrofonanlage. Die hat zwar auch ihre Tücken, aber wenn man den Stecker an der richtigen Stelle einschiebt, wird es laut. „Wenn de richtige Kierl kümmt, denn klappt dat ook“, grinst Bothe, als er die Anlage zum Laufen gebracht hat.

Es gibt viel zum Vertellen und einige Geschichten vorzulesen. Schaulmeester, Dokters und Pastöre kriegen ihr Fett weg. Jürgen Jahns aus Lutter erzählt von Runkeln und Steckröven, vom „Rüben Verziehen“ oder vom „Afflucken“, bei dem Erwachsene und Kinder auf Knien über die Felder rutschten und die überschüssigen Rübenpflänzchen herauszogen. „Afflucken, dat givv’t et bestimmt bald nich mier“, sinniert er über das Wort. „Vereinzeln“, könne man es übersetzen. Bothe erinnert sich an seine Mutter, die auf die Bemerkung „Wenn wir nich mier sünd, denn maket dat ok keener mier“ recht cool antwortete: „Denn brüket se dat ook nich mier.“

Warum ist es in Lutter schön?

Ein besonderes Mitbringsel hat Karin Moers zum Vortragen ausgesucht: „Warum ist es in Lutter schön?“, gedichtet von Hermann Jahns und erstmals vorgelesen im Jahr 2011. „Weil hai freuer mal en Amt was, wo en Amtmann da up saß“, lautet eine der Antworten. Gedacht wird aber auch der „Poststation mit Peren und Postillion. Da Herrschaften mit veel Geld da reisen damals all in dfe Welt“. Ach ja, das Reisen: „Wei harr‘n ook en Bahnhoff, den hätt de Bundesbahn ook verkofft, da wörr‘n ook veele Gleise, da konnteste öwer all hen reise“, hielt Jahns damals fest. Nun, zur Not ging es auch mit der Buslinie Kühn nach Berlin: „Awer dat weit ja de Welt, in Berlein hätt se ook nich mehr veel Geld. Darum is et in Lutter schön, in Lutter schön.“

Wer in die plattdeutsche Runde einsteigen will, ist herzlich willkommen: Jeden zweiten Mittwoch im Monat ab 15 Uhr im Seniorenzentrum Neiletal.

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