Ostharz: Asse-Atommüll soll in diese Bunker eingelagert werden

Künstliche Atomfässer stehen vor dem Atommülllager Asse. Foto: dpa
Ein Zwischenlager hat jahrelang Bestand und den Atommüll will doch eigentlich niemand haben. In Blankenburg und Halberstadt gibt es zwei Atom-Bunker, die als besonders sicher gelten – Geht es nach Initiativen, sollen diese den Atommüll aus der Asse aufnehmen.
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Blankenburg. Als Bundesumweltministerin Steffi Lemke Anfang Mai das Atommülllager Asse bei Wolfenbüttel besuchte, wurde sie von Anwohnern, Mitgliedern von Initiativen und Kommunalpolitikern umringt. Aus der Runde kam ein vielleicht entscheidender Hinweis, den Lemke prüfen wollte. Bei Blankenburg und Halberstadt gibt es Bunkeranlagen der Bundeswehr. Im Dritten Reich seien sie angelegt, zu DDR-Zeiten ausgebaut worden.
Der Mann, der den Hinweis brachte, ist Peter Wypich. Er war Mitglied der Asse-2-Begleitgruppe, er ist Umweltbeauftragter der Samtgemeinde Elm-Asse, hat sich ausführlich mit den beiden Bunkern beschäftigt. Wypich wartet seitdem auf eine Antwort von Ministerin Lemke. Unserer Zeitung stellte der Umweltbeauftragte seine Ideen nun vor. Sie klingen spannend.

Steffi Lemke (Grüne), Bundesumweltministerin, und Thomas Lautsch, technischer Geschäftsführer der Bundesgesellschaft für Endlagerung BGE, und Stefan Studt, Vorsitzender der Geschäftsführung der BGE, stehen unter Tage im Atommüllager Asse im Landkreis Wolfenbüttel. Foto: dpa
Dem BGE-Vorgänger, dem Bundesamt für Strahlenschutz in Salzgitter, präsentierte Wypich seine Ideen auch schon, sagte er. Bisher erfolglos. Er will behutsam vorgehen. „Den Atommüll will natürlich niemand haben.“ Die beiden Bunker im Harz seien aber vielversprechend.
Riesige Apotheke seit Jahren
Das gilt besonders für den Bunker in Blankenburg. Über eine Länge von acht Kilometern erstrecken sich die Gänge unter dem Regenstein-Felsmassiv am Rande des Harzes. Im Bunker ist seit vielen Jahren schon eine riesige Apotheke untergebracht. „Der Bunker ist völlig intakt. Bis vor Kurzem war hier sogar noch eine Bahnstrecke aktiv. Das ist ideal“, sagt Wypich. In Gedanken ist er bereits einen Schritt weiter. „Das ist ein Atom-Bunker. Wir bräuchten bloß eine Schlüsselübergabe“, scherzt er.
Der Bunker sei sicher. „Egal ob ein Anschlag per Panzerfaust oder sogar per Flugzeug – der Bunker ist natürlich robust.“ Das könne man vom geplanten BGE-Zwischenlager in einer Halle nicht unbedingt sagen, so Wypich. „Es ist auch noch eine extrem billige Lösung“, sagt er. „Und sie ist die deutlich umweltfreundlichere Lösung, weil man nicht neu bauen muss.“
13 unterirdische Kilometer
Der zweite Bunker, den Wypich im Blick hat, ist der in Halberstadt. Dieser Bunker verfügt sogar über 13 unterirdische Kilometer an Stollengängen. Er wurde bis 1995 von der Bundeswehr genutzt, gehört zu großen Teilen nun einem Privatmann. Da der Bunker einst unter den Nazis von KZ-Zwangsarbeitern errichtet wurde, gibt es hier auch eine Gedenkstätte. Der Gedenkstättenleiter Gero Fedtke verweist auf Anfrage gleich auf den Denkmalschutz des Bunkers. „Das schließt eine solche Nutzung aus.“
Auch die BGE wiegelt gleich ab. Sprecherin Monika Hotopp erklärt: „Tunnel und Bunker sind nicht als sichere Zwischenlager zu betreiben, denn die Sicherheit wie zum Beispiel Brandschutz, Statik oder Fluchtwege ist bereits in der Planung zu berücksichtigen.“ Diese könnten nicht in ausreichendem Maße in den genannten Gebäuden nachgerüstet werden. Und, so Hotopp: „Jüngst genutzte und noch halbwegs intakte Bunkeranlagen weisen bei weitem nicht den Sicherheitsstandard auf, der durch ein modernes und neues Zwischenlager gewährleistet werden muss.“
Speziell zum Bunker in Blankenburg sagt Hotopp: „Auch dieser Bunker ist nicht nachrüstbar, um das erforderliche Sicherheitsniveau zu erreichen. Die wesentlichen Sicherheitsaspekte müssen von Anfang an in der Planung berücksichtigt werden, so wie wir das jetzt mit der Neuplanung am Standort Kuhlager machen.“ Die Abfallbehandlungsanlage werde laut Hotopp an dem Standort Kuhlager gebaut, um den Transport von unkonditioniertem Abfall über öffentliche Straßen zu vermeiden. „Bei einem standortfernen Zwischenlager sind die Synergien zwischen Abfallbehandlung und Zwischenlager nicht realisierbar“, so die BGE-Sprecherin.
785 Millionen Euro
Und was ist mit den Kosten? „Für den Bau des neuen Schachtes Asse 5 und den Bau von Anlagen beziehungsweise Einrichtungen zur Abfallbehandlung liegt unsere Kostenschätzung bei etwa 785 Millionen Euro“, so Hotopp. Die BGE vermochte nicht zu beziffern, was die Punkte im Einzelnen kosten. Den neuen Asse-Schacht 5, über den der Müll ans Tageslicht geholt werden soll, braucht es in jedem Fall. Auch die Konditionierungsanlage, in der der Atommüll sortiert und verpackt wird, bräuchte es in jedem Fall.
Auch der Wolfenbütteler Bundestagsabgeordnete Victor Perli (Linke) findet die Idee eines Zwischenlagers in einem der Bunker dennoch extrem spannend. Da Umweltministerin Lemke trotz des Versprechens, die Bunker zumindest für ihre generelle Eignung zu prüfen, nicht tätig wurde, fragte Perli direkt beim Ministerium nach.
Staatssekretär Christian Kühn antwortete ziemlich knapp, aber klar: „Das Bundesumweltministerium ist nach Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass die bei Halberstadt und Blankenburg existierenden Bunkeranlagen, auf die sich die Bürger bezogen haben, als Zwischenlager für die aus der Schachtanlage Asse II rückzuholenden Abfälle nicht geeignet sind.“ Zudem schreibt Kühn im Brief, der unserer Zeitung vorliegt: „Ein Eingreifen in die operative Zuständigkeit der Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH ist nicht vorgesehen.“

Steffi Lemke (Grüne), Bundesumweltministerin, steht unter Tage im Atommüllager Asse im Landkreis Wolfenbüttel. Bundesumweltministerin Lemke hat sich über den Zustand und die weitere Planung zum maroden Atommülllager Asse informiert. Foto: dpa
Perli gibt sich damit nicht zufrieden. „Selbstverständlich kann Umweltministerin Lemke in die operative Arbeit einer ihrem Haus unterstellten Bundesgesellschaft eingreifen. Ihr parlamentarischer Staatssekretär und grüner Parteifreund Christian Kühn ist dort auch Aufsichtsratsvorsitzender. Ein Eingriff ist verpflichtend, wenn etwas falsch läuft“, sagt er unserer Zeitung.
Perli ist vor allem auch von Lemke selbst enttäuscht: „Die Umweltministerin hat der Asse-Region die Tür ins Gesicht geschlagen. Ihr Besuch an der Asse geht als Sargnagel für den Asse-Beteiligungsprozess in die Geschichte ein. Sie hat die Chance verpasst, beim festgefahrenen Konflikt um das Zwischenlager mit einer Kurskorrektur einzugreifen. Stattdessen setzt sie mit eiskalter Machtpolitik die Linie ihrer Vorgänger fort.“
Auch Wypich, der die Bunker maßgeblich ins Spiel brachte, ist enttäuscht. Er beruft sich auf den Bundesrechnungshof, der die Nutzung des riesigen Blankenburger Bunkers als Apotheke als viel zu teuer kritisierte. Er richtet aber auch Kritik an die eigenen Leute: „Hier in der Region haben viele resigniert.“ Da die BGE keine alternativen Standorte für ein Asse-Zwischenlager prüft, muss er wohl selbst seine Ideen mit den Bunkern voranbringen. In Perli und anderen Politikern hat er Unterstützung.
Von Andre Dolle, Funke-Mediengruppe
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