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Viele Gefährdungen gemeldet

Kindeswohl: Landkreis Goslar fällt in Statistik auf

Schattenwirkung: Der Kopf eines Kindes und die Hände eines Erwachsenen dienen als Symbol dafür, dass nicht alle Mädchen und Jungen behütet aufwachsen.  Foto: Patrick Pleul/dpa

Schattenwirkung: Der Kopf eines Kindes und die Hände eines Erwachsenen dienen als Symbol dafür, dass nicht alle Mädchen und Jungen behütet aufwachsen. Foto: Patrick Pleul/dpa

Sind Kinder im Landkreis Goslar häufiger Gewalt oder Vernachlässigung ausgesetzt als anderswo? Die Anzahl der gemeldeten Gefährdungen war 2021 im Landkreis Goslar überdurchschnittlich hoch. Die Gründe sind vielleicht gar nicht besorniserregend.

Von Oliver Stade Samstag, 17.12.2022, 07:59 Uhr

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Goslar. Eine Übersicht des Statistischen Landesamtes legt nahe, dass Kinder im Landkreis Goslar überdurchschnittlich gefährdet sind. Während es 2021 niedersachsenweit bezogen auf 1000 Kinder und Jugendliche 3,2 Fälle akuter und latenter Kindeswohlgefährdung gab, befindet sich die Region in einer Gruppe, für die sogar vier bis sechs Fälle erfasst wurden.

Aus den benachbarten Regionen sticht nur der Landkreis Hildesheim mit einer negativeren Quote hervor. Und in ganz Niedersachsen gibt es nur sechs Regionen oder Städte mit schlechteren Zahlen bei den Kindeswohlgefährdungen. Vor allem Delmenhorst (30) und Wilhelmshaven (9,9) fallen mit negativen Daten auf, aber auch ländliche Regionen wie der Landkreis Holzminden (13,4) liegen über dem Landesdurchschnitt.

Statistischer Effekt

Für den Kreis Goslar hat das Statistische Landesamt für das vergangene Jahr 310 Verfahren erfasst, für Salzgitter 152 und für den Landkreis Wolfenbüttel 39 Fälle. Aber bilden die Zahlen das Geschehen realistisch ab? Oder gibt es einen statistischen Effekt, der sich auf besonderes Engagement zurückführen lässt: Schließlich bezeugen auch steigende Zahlen bei der Drogenkriminalität nicht automatisch einen Zuwachs der Verstöße in diesem Bereich; mitunter sind solche Zahlen lediglich ein Beleg dafür, dass die Polizei genauer hinschaut und stärker kontrolliert.

So könnte es auch bei der Kindeswohlgefährdung sein. Der Landkreis teilt dazu mit: „In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Verfahren aufgrund von Kindeswohlgefährdungen, also die Zahl der Meldungen, im Landkreis Goslar stetig gestiegen.“ Die tatsächlich bestätigten Fälle aber haben den Angaben zufolge stagniert.

So stieg die Zahl der Verfahren von 2017 bis 2021 deutlich von170 auf 310 – der höchste Wert seither. Die Fälle akuter Kindeswohlgefährdung blieben aber etwa stabil, sie entwickelten sich in diesem Zeitraum von 40 auf 43, der höchste Wert wurde 2020 mit 49 Fällen ausgewiesen.

Allerdings nahm die Anzahl latenter Kindeswohlgefährdungen deutlich zu, in denen Eltern eine Beratung empfohlen wird. Die Fälle stiegen von elf im Jahr 2017 auf40 Fälle im vorigen Jahr. Von latenter Kindeswohlgefährdung wird etwa gesprochen, wenn die Frage nach der Beeinträchtigung nicht eindeutig beantwortet werden kann, aber ein Verdacht besteht beziehungsweise eine Kindeswohlgefährdung nicht ausgeschlossen werden kann.

Die Kreisverwaltung begründet die Steigerung bei den Meldungen mit der „intensiven Netzwerkarbeit mit Schulen, Kindergärten und anderen Institutionen“. Tatsächlich gibt es im Landkreis Goslarseit vielen Jahren ein Netzwerk, dessen Mitglieder sich um den Kinderschutz kümmern und mit dem Schulspezialdienst beim Landkreis über Gefahren und Anzeichen von Gewalt aufklären und sensibilisieren.

Mehr Meldungen

Der Landkreis erklärt: „Durch dieses Netzwerk und transparente Meldewege kommt es zwangsläufig zu einer hohen Anzahl an Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung“ – unabhängig vom Ausgang des Verfahrens. Jede Meldung werde vom Fachdienst für sozialpädagogische Dienste gewissenhaft geprüft.

Darüber hinaus könne der Anstieg der Zahlen auch mit der Corona-Pandemie begründet werden. Schulen und Kindergärten hätten weniger Kontakt zu Eltern gehabt, somit habe es keine Möglichkeiten gegeben, sich einen Eindruck von Situationen zu verschaffen, die eventuell als kritisch eingestuft werden. Somit habe es mehr Meldungen an das Jugendamt gegeben. Aus Schulen etwa habe es zudem mehr Benachrichtigungen gegeben, weil Schülerinnen und Schüler nicht am Unterricht teilgenommen hätten. Hinzu gekommen seien Fälle von Überforderung von Eltern durch die Betreuung ihrer Kinder im Homeschooling.

Dieser Trend zu mehr Meldungen drückt sich offenbar auch in Zahlen des Landes aus. Demnach gab es voriges Jahr 17.164 sogenannte Gefährdungseinschätzungen durch Jugendämter, ein Anstieg um14,3 Prozent. Bei 4350 Kindern sei eine akute oder latente Kindeswohlgefährdung erkannt worden, das sind rund 25 Prozent der Gefährdungseinschätzungen. In 5762 weiteren Verfahren habe sich ein Hilfebedarf gezeigt.

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