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Steht das Goslarer Haus vor dem Aus?

Galeria-Insolvenzverwalter: Nur ein harter Kern bleibt

Verschlossenes Tor: Steht auch das Goslarer Karstadt vor dem Aus? Foto: Bode

Verschlossenes Tor: Steht auch das Goslarer Karstadt vor dem Aus? Foto: Bode

Zwei Jahre, zwei Insolvenzverfahren. 2020 wurden 40 Filialen geschlossen – 131 blieben übrig. Wie viele bleiben diesmal erhalten? Der Insolvenzverwalter kündigte bereits harte Einschnitte an. Jetzt zittern auch die Goslarer Angestellten um ihre Jobs.

Dienstag, 01.11.2022, 15:30 Uhr

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Die Lage bei Galeria-Karstadt ist ernst. Innerhalb von zwei Jahren beginnt das zweite Insolvenz-Sanierungsverfahren des Konzerns. Bei dem letzten Verfahren im Jahr 2020 wurden 40 Filialen geschlossen und rund 4000 Beschäftige verloren ihre Arbeitsplätze. Nun soll von den verbliebenen 131 Filialen mindestens jede Dritte geschlossen werden. Galeria-Chef Miguel Müllenbach wandte sich nun in einem Brief an seine Mitarbeiter. Darin schreibt er unter anderem, dass das Unternehmen durch die Coronapandemie, die Inflation und die Finanzkrise Finanzmittel verloren habe, die sie gebraucht hätten: „Uns hat, um es anders auszudrücken, schlicht das notwendige Geld für eine schnelle Modernisierung einer kritischen Masse an Filialen gefehlt.“

Von nicht mehr profitablen Filialen trennen

Deswegen müsse sich das Unternehmen, „so schmerzlich und folgenschwer dies für die Betroffenen ist“, von denjenigen Häusern trennen, die nichtmehr profitabel zu betreiben seien, weil sie zum Beispiel nicht mehr den energetischen Bedürfnissen oder der Kaufkraft entsprächen. Dadurch stünden „mehr Finanzmittel für weniger Filialen zur Verfügung und zwar für diejenigen, bei denen wir sicher sein können, auch künftig erfolgreich zu sein“, sagte Müllenbach.

Auch der Insolvenzverwalter und eingesetzte Sanierer Arndt Geiwitz kündigte harte Einschnitte an. Nur ein harter Kern werde von den jetzt 131 Kaufhäusern übrig bleiben, sagte Geiwitz dem WDR. Eine konkrete Liste der betroffenen Filialen gebe es noch nicht, teilte er mit. Spätestens in drei Monaten werde man Klarheit haben, um bei Galeria die Insolvenz in Eigenregie fortzuführen.

Der Betriebsratsvorsitzende der Goslarer Karstadt-Filiale, Fred Meyer, erklärte gegenüber der Goslarschen Zeitung, dass die hiesigen Mitarbeiter noch am Dienstag von der Filialgeschäftsführung über die wirtschaftliche Situation informiert würden. „Dabei geht es aber eher um grundsätzliche Dinge und nicht um einzelne Standorte“, sagte Meyer. Er hat selbst noch keine konkreten Informationen, ob Goslar auf einer Streichliste steht oder nicht.

Weitere Kredite durch die Bundesregierung sind keine Lösung

Galeria hatte vor dem Gang zum Insolvenzgericht noch mit der Bundesregierung über weitere Finanzhilfen – über die bereits erhaltenen 680 Millionen Euro hinaus – verhandelt. Doch sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass dies kein gangbarer Weg sei, sagte Müllenbach. „Dauerhafte staatliche Darlehen können hier nicht die Lösung sein, sondern es bedarf eines klaren Schnitts hin zu wirtschaftlich tragfähigen Strukturen.“

Während des ersten Corona-Lockdowns im April 2020 hatte das Unternehmen schon einmal Rettung in einem Schutzschirmverfahren gesucht. Das Insolvenzverfahren dauerte damals bis Ende September.

Bei der auf Sanierung ausgerichteten Insolvenzvariante übernimmt ein gerichtlich bestellter Sachverwalter die Aufsicht über die Rettung, während die Unternehmensführung die Kontrolle behält, aber von einem externen Sanierungsexperten beraten wird. Im Fall von Galeria soll nach Informationen der „Wirtschaftswoche“ der Düsseldorfer Jurist Frank Kebekus die vorläufige Sachwaltung übernehmen. Der Restrukturierer Arndt Geiwitz soll demnach die operative Sanierung leiten. Schon im Frühjahr 2020 waren die beiden Experten in gleicher Position beim ersten Schutzschirmverfahren im Einsatz. Damals wurden rund 40 Filialen geschlossen, etwa 4000 Stellen abgebaut und mehr als zwei Milliarden Euro an Schulden gestrichen.

Wie viel Platz für Kaufhäuser ist in Deutschland?

Dennoch urteilte der Handelsexperte Jörg Funder von der Hochschule Worms im Rückblick: „Bei der Galeria-Insolvenz im Jahr 2020 gingen die Einschnitte nicht tief genug.“ Der politische Wille und die Sorge um die Lebensfähigkeit vieler Innenstädte bei einer Schließung der Warenhäuser, aber auch die Interessen von Eigentümer Signa hätten das damals verhindert. „Das Warenhaus hat eine Daseinsberechtigung, aber es benötigt ein großes Einzugsgebiet. Darum ist nur Platz für 50 bis 60 Filialen in Deutschland, nicht für alle 131 Galeria-Kaufhäuser“, sagte Funder.

Wie viele Warenhäuser in Deutschland auf Dauer überleben können, ist auch unter Experten umstritten. Johannes Berentzen, Chef der Handelsberatung BBE, sieht nur Platz für weniger als 100 Warenhäuser. „Und selbst diese Häuser werden nur eine Zukunft haben, wenn die Aufenthaltsqualität und das Geschäftsmodell deutlich verbessert werden.“ Damit gehört er eher zu den Optimisten.

Der frühere Kaufhof-Chef Lovro Mandac hält auf Dauer 40 bis 50 Warenhäuser in Deutschland für zukunftsfähig. Eine aktuelle Analyse der „Immobilienzeitung“ kommt sogar zu dem Ergebnis, dass wohl nur 30 von 131 Filialen eine sichere Perspektive haben. Alle anderen müssten bangen.

„Galeria ist zukunftsfähig“

Müllenbach räumte im Mitarbeiterbrief ein: „Es ist erneut unsere Pflicht, alles, wirklich alles in den kommenden Wochen auf den Prüfstand zu stellen.“ Doch bemühte er sich, auch ein wenig Hoffnung zu verbreiten. „Galeria ist zukunftsfähig“, schrieb er und versprach, der Konzern werde weiter eine wesentliche Funktion für die deutschen Innenstädte wahrnehmen.

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