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Kleinbären im Visier

Auch in Goslar: Waschbären-Tötungen auf Rekordhoch

Waschbären werden durch Futterangebote in die Städte gelockt.  Foto: Pixabay

Waschbären werden durch Futterangebote in die Städte gelockt. Foto: Pixabay

Sie fressen fast alles, sie vermehren sich stark und sie fühlen sich überall zu Hause: Die Räuber aus Nordamerika haben inzwischen fast ganz Niedersachsen erobert. Im Landkreis Goslar sind in diesem Jahr so viele Waschbären getötet worden, wie nie zuvor.

Von Oliver Stade Donnerstag, 27.10.2022, 08:00 Uhr

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Für viele ist er eine Plage: Der Waschbär breitet sich auch im Kreis Goslar weiter munter aus, darauf weist die steigende Zahl der erlegten Tiere hin: Weil sie keine Fressfeinde haben, vermehren sich die Tiere beinahe ungehindert. Als Allesfresser bedrohen sie nach Meinung vieler Experten indes einheimische Arten, vor allem, wenn diese ohnehin schon unter Druck stehen. Im Landkreis Goslar sind im abgelaufenen Jagdjahr so viele tote Waschbären registriert worden wie nie zuvor. Nach Angaben der Landesjägerschaft wurden 777 Tiere gezählt. Die meisten wurden von Jägerinnen und Jägern erlegt, ein kleinerer Teil ist im Straßenverkehr oder anderweitig ums Leben gekommen.

Waschbären sind eine invasive Art

Einige Tierschützer sehen das anders. Die vorherrschende Meinung ist aber eine andere. Nicht ohne Grund steht der Waschbär auf einer EU-Liste für invasive Arten, das sind Tiere und Pflanzen, die aus anderen Lebensräumen eingewandert sind. Bei der Präsentation des Landesjagdberichtes in dieser Woche sagte Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) über den Waschbären: „Er gehört nicht hierher und reduziert einheimische Arten.“ Helmut Dammann-Tamke, Präsident der Landesjägerschaft, sagte, es sei notwendig, ihn weiter zu bejagen.

Die 777 erlegten Waschbären im abgelaufenen Jagdjahr, es dauert vom Beginn der Vegetationsphase im April bis Ende März, sind ein deutlicher Hinweis darauf, dass sich die Tiere im Landkreis Goslar stark vermehren. Im vorherigen Jagdjahr belief sich die Strecke, wie die Jäger sagen, auf 556 Tiere.

„Es gibt durchaus erhabeneres Waidwerk“

Die Jagd auf Waschbären ist kein Vergnügen. Lutz Renneberg, Vorsitzender der Jägerschaft Goslar, sagt es so: „Es gibt durchaus erhabeneres Waidwerk, wir machen es aus der Notwendigkeit heraus.“

Ein Waschbär in einer Falle.  Foto: Stein

Ein Waschbär in einer Falle. Foto: Stein

Lutz Renneberg schätzt, dass etwa 70 Prozent der erlegten Waschbären per Falle gestellt und dann abseits von Wohnvierteln vom Jäger oder der Jägerin erlegt werden, in der Regel mit einer Kleinkaliberpistole. Die übrigen 30 Prozent werden auf Feldern oder in Wäldern geschossen.

Weil die Tiere Schäden an Gebäuden anrichten, sind sie in Wohnvierteln nicht gern gesehen. Renneberg schätzt, dass Jäger im Landkreis Goslar pro Jahr etwa 50 Mal, „wahrscheinlich sogar häufiger“, wie er sagt, in Wohnviertel gerufen werden, um Waschbärenfallen aufzustellen.

Weit verbreitet

Die sogenannte Gesamtstrecke liegt dem aktuellen Landesjagdbericht zufolge um rund 190 Exemplare höher als im bisherigen Rekordjahr 2019/2020. Vor zehn Jahren hatte die Waschbären-Strecke im Landkreis Goslar noch bei 196 Exemplaren gelegen. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre wurden landkreisweit rund 4500 erlegte Waschbären registriert.

Mit der Zunahme der Waschbär-Strecke liegt die Region im Trend. Landesweit wurden im Jagdjahr 2021/2022 gut 23.300 tote Exemplare registriert, rund 2000 mehr als im bisherigen Rekordjahr 2020/2021. Vor zehn Jahren hatte die Strecke in Niedersachsen bei rund 9400 Tieren gelegen.

Die Gesamtzahl der landesweit lebenden Waschbären dürfte nach Einschätzung der Landesjägerschaft allerdings ein Vielfaches der jüngsten Rekord-Strecke betragen. Die Fachleute gehen davon aus, dass auf jedes erlegte Tier etliche lebende Waschbären kommen.

Inzwischen hätten sich die Waschbären in Niedersachsen nahezu flächendeckend ausgebreitet, berichtet der Experte der Landesjägerschaft, Egbert Strauß. Mittlerweile habe die Art auch die lange Zeit waschbärenfreien Regionen im Nordwesten für sich erobert, auch wenn die Besiedlung dort nicht so stark ist wie in den südlichen Landesteilen.

Die aus Nordamerika stammenden Waschbären wurden vor knapp 90 Jahren zur Pelzzucht nach Deutschland importiert. Die ersten vier Exemplare, zwei weibliche und zwei männliche Waschbären, wurden 1934 am Edersee in Nordhessen ausgesetzt. Seither verbreitet sich die Art offenbar unaufhaltsam. Die dämmerungs- und nachtaktiven Waschbären aus der Familie der Kleinbären sind Allesfresser. In freier Wildbahn vertilgen sie Vögel und deren Gelege, kleinere Säugetiere, Fische und Krebse, Insekten, Regenwürmer und Frösche. Dazu kommen Beeren, Nüsse, Früchte, Mais, Gemüse und auch Aas. In der Stadt plündern sie zudem gerne Mülleimer.

Große Schäden

Generell seien menschliche Siedlungen für Waschbären ein guter Lebensraum, erläutert Experte Strauß. Sie halten sich nämlich nicht nur in hohlen Bäumen oder Höhlen auf, sondern zunehmend auch in Gebäuden und dort besonders gerne in Dachstühlen. Waschbären können Schlösser und Riegel öffnen und so immer wieder in Häuser eindringen, wo sie nach Nahrung und Verstecken suchen. Dabei richten sie zum Teil große Schäden an, unter anderem an Dachisolierungen.

Vor gut zwei Jahren gelangte ein Waschbär sogar in die Kirche von Löwenhagen im Landkreis Göttingen. Dort sorgte er nicht für Chaos, sondern für Stille. Er legte einen Hebel um und schaltete auf diese Weise die Zeitschaltuhr aus, die dreimal am Tag dafür gesorgt hatte, dass die Glocken läuten.

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