WM-Start: Para-Skiläufer Steffen Lehmker zurück in der Loipe

Beim Weltcup im Dezember im finnischen Vuokatti sammelt Steffen Lehmker nach mehr als zwei Jahren wieder Wettkampferfahrung. Nun wartet auf ihn die Weltmeisterschaft im schwedischen Östersund. Foto: Vitifilm/ Vuokattisport
Zurück auf der großen Bühne: Para-Skiläufer Steffen Lehmker vom WSV Clausthal-Zellerfeld mischt Ende Januar nach fast drei Jahren Pause wieder bei einer Weltmeisterschaft mit. Seit dem letzten Auftritt hat sich für den 34-Jährigen viel verändert.
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Nach fast dreijähriger berufs- und pandemiebedingter Wettkampfpause mischt Steffen Lehmker wieder im Para-Ski-Weltgeschehen mit. Bei der WM 2023 in Östersund (Schweden) will der Paralympics-Medaillengewinner von 2018 aus Niedersachsen in vier Einzelrennen starten.
Der Großteil des Teams Deutschland ist bereits am Dienstag in die Region Jämtland gereist, wo am Samstag das erste Rennen der WM im Para Skilanglauf und Para Biathlon über die Bühne gehen wird. Steffen Lehmker saß nicht im Flieger. Der für den WSV Clausthal-Zellerfeld startende Athlet, der gerade seinen 34. Geburtstag feierte, saß zur gleichen Zeit in einer Zeugniskonferenz der BBS 1 Lüneburg, an der er seit zwei Jahren als Berufsschullehrer für Wirtschaft und Sport arbeitet. Erst am Freitag wollte sich Lehmker auf die Reise gen Norden machen, wenn die letzten beruflichen Pflichten erfüllt sind.
Erster Start am Dienstag im Langlauf-Sprint
Kommenden Dienstag, beim Langlauf-Sprint, will er das erste Mal auf die Loipe gehen, danach sind noch drei weitere Einzelstarts geplant. Diese Jonglage zwischen Berufsalltag und Leistungssport beschreibt sehr treffend die Herausforderungen, mit denen sich der in Bad Bevensen beheimatete Lehmker konfrontiert sieht.
Früher war vieles einfacher. „Da konnte ich das Studium und den Alltag an den Sport anpassen“, sagt er. 2014 begann der frühere Fußballer und Marathonläufer, der von Geburt an eine Plexuslähmung am rechten Arm hat, mit Biathlon und Langlauf. Im Februar 2016 feierte er in Finsterau (Bayerischer Wald) sein Weltcup-Debüt, ein Jahr später folgte dort die WM-Premiere. Inzwischen steht der Alltag in der Rangfolge vor dem Sport. Lehmker unterrichtet 18 Wochenstunden, etwa genauso viel Zeit investiert er in Vor- und Nachbereitung. Und daheim wartet die zweijährige Tochter. „Papa Arbeit“, sage die manchmal, wenn er sich zum Training umziehe, sagt er lächelnd.
Vollzeit arbeiten, Zeit mit der Familie verbringen, der Leidenschaft Leistungssport frönen – das alles unter einen Hut zu bringen ist komplex. „Es gibt Phasen, da komme ich mit dem, was ich mir vornehme, nicht hinterher.“ Zumal: Auf Schnee zu trainieren bedeutet für ihn die nächste Herausforderung. Das Bundesleistungszentrum im Schwarzwald ist knapp zehn Autostunden entfernt, die Skihalle in Oberhof dreieinhalb – keine Distanzen für Tagesausflüge, geschweige denn fürs Feierabendtraining.
Training überwiegend auf Skirollern
Statt mit Langlaufskiern sammelt Lehmker seine Trainingskilometer überwiegend auf Skirollern. „Die Abläufe im Körper sind ähnlich. Wenn ich wieder auf Schnee bin, komme ich relativ gut rein in die Bewegung“, sagt er. Trotzdem bräuchten Sehnen und Bänder eine Weile für die Verarbeitung. Eins zu werden mit den Skiern und dem Untergrund, in einen Flow zu kommen, das klappt nicht von jetzt auf gleich.
Umso mehr genoss Lehmker die Zeit beim Vorbereitungslehrgang in Toblach (Südtirol) Anfang des Jahres, nach dem Bundestrainer Ralf Rombach feststellte: „Die Schneekilometer und die Komplexeinheiten haben Steffen gutgetan. Es lief bei ihm jeden Tag ein Stückchen besser.“ Allerdings: Aus dem Trainingslager reiste Lehmker vorzeitig ab. Die Schulferien waren vorüber.
Aufgrund der beruflichen Belastung und weil pandemiebedingt viele Wettkämpfe ausfielen, pausierte Lehmker lange. Sein letzter Weltcup vor Corona war im Januar 2020 in Dresden, seine Rückkehr folgte erst im vergangenen Dezember im finnischen Vuokatti. Im Langlauf-Sprint wurde er Zwölfter und stellte fest, dass die Konkurrenz in seiner Abwesenheit nicht geschlafen hat. Zumal einige andere Nationen Profisportler ins Rennen schicken.
„Para Sport in Deutschland hätte mehr Beachtung verdient“
Diesen Umstand betont er zur Einordnung. „Der Para Sport in Deutschland hätte mehr Beachtung verdient, damit die Menschen verstehen, wie viel Engagement hinter all dem steckt“, sagt er. „Aber ich bin dankbar für meine Lebensumstände, für die Förderungen und die Unterstützung.“ Der Behinderten-Sportverband Niedersachsen etwa verschaffte ihm ein Gewehr. „Es ist für mich ein Privileg, Biathlon machen zu können.“
Für die WM 2023 hat er sich vorgenommen, nach den Rennen mit sich selbst zufrieden zu sein. Zudem hofft er, sich zum Abschluss am29. Januar einen Platz in der Staffel ergattern zu können. Mit ihr verbindet er das größte Erlebnis seiner bisherigen Karriere. 2018 bei den Paralympics in Pyeongchang (Südkorea) gewann er mit Andrea Eskau und Alexander Ehler, beide in Östersund dabei, Bronze im Mixed.
„Unglaublich aufregend“ sei das gewesen. „Es kam für mich völlig unerwartet.“ Am Ende des Jahres wurde das Trio zur Para Mannschaft des Jahres gewählt. Und Lehmker wusste: Von diesen Momenten, die ihm der Leistungssport schenkt, will er noch mehr kosten. red