Baden-Badener Auktionsgesellschaft: Gestüt-Harzburg-GmbH ist als Käufer und Verkäufer aktiv

Der Adlerflug-Sohn Nebrasko wird von Auktionator Daniel Delius (2. von links) in Baden-Baden für 50.000 Euro Wilhelm Feldmann zugeschlagen. Foto: Rühl
Den Wechsel von der grünen (Grasbahn) zur Wintersaison (Sandbahn) nutzen viele Rennstallbesitzer, um ihren Pferdebestand zu überprüfen. Welche Pferde gehen in die Winterruhe, welche sollen auf Sand laufen, gehen in die Zucht oder sollen verkauft werden?
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Gedanken, die sich auch die Gestüt-Harzburg-GmbH gemacht hat. Nach dem Aus für das Vollblutgestüt Harzburg und angesichts der Corona-Pandemie haben die Anteilseigner die Parameter neu justiert. „1 plus 1“ heißt nunmehr die Formel, auf die sich die Gesellschafter verständigt haben, wie deren Geschäftsführer Lars-Wilhelm Baumgarten auf Anfrage der GZ mitteilte. Das heißt: eine Zuchtstute und ein Pferd im Rennstall.
In Deutschland gingen kürzlich zum Auktions-Finale die Christmas-Online-Sales der Baden-Badener Auktionsgesellschaft (BBAG) über die Bühne. Aus lokaler Sicht war vor allem Lot Nummer 66 von Interesse. Dabei handelte es sich um den vier Jahre alten Wallach Wilantos. Ein Sohn von Derbysieger Adlerflug, der in dieser Saison in den Farben des Stalles Hochkönig der Familie Baumgarten aus Harlingerode endlich zeigen konnte, das er das Prädikat „Rennpferd“ verdient.
Der Harzburger gewann zwei Rennen in Baden-Baden sowie im französischen Deauville und lief darüber hinaus als Zweiter und Dritter dreimal in die Dreierwette. Und so stand für den Wallach in diesem Jahr eine Gewinnsumme von knapp 26.000 Euro zu Buche.
„Wir werden nur verkaufen, wenn der Preis stimmt“, hatte der Familienrat beschlossen. Das war offenbar der Fall, denn Wilantos wechselte für 18.000 Euro in neuen Besitz. Das letzte Gebot hatte ein Bieter aus Tschechien.
Wilantos’ Mutter, die vom langjährigen Harzburger Deckhengst Platini stammende Stute Wilde Perle, vertritt die hoch erfolgreiche W-Linie des Gestüts Röttgen. Das war letztlich auch ausschlaggebend dafür, dass die Gestüts-GmbH die ein Jahr alte Halbschwester von Wilantos, der noch auf das Röttgener Zuchtkonto geht, in den Rennstall zu Henk Grewe in Köln geben wird. Die Stute hat den High-Chaparral-Sohn Toronado zum Vater. Der zweifache Gruppe-I- Sieger deckt zu einer Taxe von 45.000 US-Dollar im Swettenham Stud in Victoria/Australien.
Ursprünglich sollte die fuchsfarbene Stute auf der Herbst-Auktion der BBAG beim „Sales & Racing“-Festival über das Gestüt Ohlerweiherhof, das als Agent fungierte, versteigert werden. „Wir wollten mindestens 30.000 Euro haben“, informierte Lars-Wilhelm Baumgarten. Nachdem es bis 22.000 Euro recht zügig voranging, hatte Baumgarten bei 24.000 Euro selbst das letzte Gebot. Dann fiel der Hammer. Damit hatte die Gestüts-GmbH die Stute für eine Gebühr von 2 Prozent vom Zuschlag-Preis zurückgekauft.
Lars-Wilhelm Baumgarten war letztlich sogar ganz froh, dass kein Verkauf zustande kam. „Die Stute ist zu toll, um sie zu verschenken. Aus dieser Linie können insbesondere die Stuten laufen“, macht er deutlich, was durch einen Blick in den Stammbaum der Harzburgerin bestätigt wird. Dazu gehören unter anderem Wild Romance (Vater Alkalde), Gruppe-III-Siegerin und Championesse der zweijährigen Stuten 1993, Win for Us (Surumu), St.-Leger-Siegerin und Championesse der dreijährigen Steher 1999, sowie die Gruppe-Siegerinnen Wild Side (Sternkönig), White Rose (Platini) und Wild Coco (Shirocco).
Inzwischen hat die Stute, die im Gestüt Ohlerweiherhof überwintern wird, auch einen Namen. Die Toronado-Tochter wird unter dem Namen We love Harzburg für „Blau-Gelb“ an den Start gehen. Was für ein Statement. Es ist fest davon auszugehen, dass sich die Stute bei ihrer Rennkarriere vermutlich auf sehr viele Anhänger stützen kann. Denn nicht nur in der Region Harz, sondern in ganz Turf-Deutschland finden sich sehr viele Galoppfreunde, die sicher von ganzem Herzen sagen werden: „Wir lieben Harzburg!“
„Mehr Werbung geht nicht“, ist sich Baumgarten sicher. Wie alle Vollblut-Rennpferde wird We love Harzburg aus renntechnischen Gründen am 1. Januar ein Jahr älter, unabhängig vom tatsächlichen Geburtstermin, dem 17. Februar 2020. Ergänzend noch ein Hinweis: In der Vollblutzucht müssen die Namen der Nachkommen mit dem Anfangsbuchstaben der Mutter beginnen.
Gutes Geld spülte auch der Verkauf von Nebrasko in die Kasse der Gestüt-Harzburg-GmbH. Der ein Jahr alte Sohn von Derbysieger Adlerflug wurde für 50.000 Euro von Wilhelm Feldmann ersteigert. Bei Nebrasko handelte es sich um die Auflösung eines Foal-Sharings zwischen der Gestüt-Harzburg-GmbH und dem Gestüt Ohlerweiherhof, die zu jeweils 50 Prozent Besitzer des jungen Hengstes waren. „Der Verkauf war ein Highlight für uns“, stellte Baumgarten fest und sprach von einem „tollen Preis“, von dem der Gestüts-GmbH 25.000 Euro gutgeschrieben werden.
Nur bescheidene 1500 Euro bekam die Gestüt-GmbH dagegen für ihre Mutterstute Nightdance Sun. Die 15-jährige Monsun-Tochter, die nicht tragend ist, ging in den Besitz der Rennsport-Familie Weißmeier aus Sonsbeck am Niederrhein. Alles in allem konnte Nightdance Sun die nicht geringen Erwartungen in der Zucht für die Gestüts-GmbH bisher nicht erfüllen.
Auf Käuferseite wurde in Baden-Baden auch Dr. Jens Borchers aktiv. Der Vizepräsident des Harzburger Rennvereins sicherte sich auf dem „Sales & Racing“-Festival für 11.000 Euro den ein Jahr alten Aito. Ein fairer Preis, der sich noch als Schnäppchen erweisen könnte. Aitos Mutter Alia, selbst siebenfache Siegerin, hatte bisher sieben Nachkommen auf der Bahn, die ohne Ausnahme gewonnen haben. Darüber hinaus ist Aito über seinen Vater Ito ein Enkel von Adlerflug, was wohl ebenfalls ein Kriterium für den Kauf gewesen sein dürfte.
Borchers ist sehr angetan von seiner Neuverpflichtung. „Er ist ein schicker Kerl“, stellt der Rennvereins-Vize fest. Er habe unbedingt einen Steher haben wollen, „und Stehvermögen sollte sowohl über Ito als auch über die Mutterlinie reichlich vorhanden sein“, so Borchers. Der Hengst wird zu Pavel Vovcenko in Training gehen. Ein Fernziel für Aito könnte 2023 das Auktionsrennen in Bad Harzburg sein, „auch wenn die geforderten 1850 Meter für den Hengst vielleicht zu kurz sein könnten“, wieBorchers zu bedenken gibt.