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Insolvenzen nehmen zu

Pleite am Bau: Das sollten Käufer jetzt wissen

In der HafenCity in Hamburg drehen sich besonders viele Kräne – Wohnungen, Büros und Geschäfte entstehen dort. Foto: Marcelo Hernandez

In der HafenCity in Hamburg drehen sich besonders viele Kräne – Wohnungen, Büros und Geschäfte entstehen dort. Foto: Marcelo Hernandez

Weil die Baukosten und Zinsen in den vergangenen Monaten und Jahren rapide gestiegen sind, nehmen die Insolvenzen bei Projektentwicklern und Baufirmen in Deutschland zu. Hier lesen Sie, wie Immobilienkäufer darauf reagieren können.

Mittwoch, 22.11.2023, 12:30 Uhr

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Wer jetzt eine neue Immobilie kaufen will, sollte womöglich lieber zu einem Objekt greifen, das schon fertiggestellt ist. Denn bei noch im Bau befindlichen Objekten steigt die Gefahr, dass noch etwas schiefgeht. Im ersten Halbjahr 2023 sind die Insolvenzen von Unternehmen aus der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft um 56 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen. Mehr als 300 Unternehmen mussten aufgeben. Die höheren Baupreise in Kombination mit den stark gestiegenen Zinsen haben in mehrere Insolvenzen unter Immobilienentwicklern nach sich gezogen. 

Immer mehr Wohnungsbauprojekte werden storniert, weil Projektentwickler wie Development Partner, Euroboden, Gerchgroup oder die Project Real Estate AG Insolvenz angemeldet haben. Die 118 Bauprojekte mit rund 1800 Wohnungen der Project-Gruppe sind über Deutschland verteilt, mit Schwerpunkten in Berlin und Potsdam, Hamburg, Düsseldorf, dem Rhein-Main-Gebiet und den Großräumen München und Nürnberg.  Aber auch regionale Akteure sind von der Pleitewelle betroffen.

„Die Baubranche wird noch einen langen Atem benötigen“

Darunter leiden zunehmend Baufirmen, die Projekte der Entwickler auf den Baustellen umsetzen. So rechnet der Kreditversicherer Atradius für das Gesamtjahr 2023 mit einer Zunahme der Insolvenzen um 15 bis 20 Prozent. „Die Baubranche wird noch einen langen Atem benötigen“, sagt Frank Liebold von Atradius.

Bei Bestandsimmobilien gibt es gegenwärtig eine große Unsicherheit vor allem mit Blick auf die Heiztechnik und ob man die Immobilie mit der bestehenden Gebäudehülle und einer Wärmepumpe warm bekommt, sagt Tabea Meyer, Rechtsanwältin mit Tätigkeitsschwerpunkt Vertragsgestaltung und Baurecht bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Aber auch ein Neubau birgt Gefahren. „Wir raten im Vertrag zu vereinbaren, dass man über laufende Probleme vom Bauträger oder Bauunternehmer umgehend informiert wird“, sagt Meyer.  

„Beim Neubau muss man zunächst unterscheiden, ob man Haus oder Wohnung und Grundstück zusammen von einem Bauträger kauft oder ob man auf einem schon vorhandenen Grundstück von einer Baufirma ein Haus errichten lässt“, sagt die Expertin. „Im ersten Fall gilt dann für Verbraucher die Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV), die schon stabile rechtliche Regelungen schafft und das Insolvenzrisiko abfedern soll.“

Blindes Vertrauen ist nicht ratsam

Das Gesetz legt fest, welche Zahlungen der Kunde in welcher Höhe und bei welchem Bautenstand an den Bauträger leisten muss. Abschlagszahlungen werden demnach erst nach bestimmten Bau­fortschritten erforderlich. Beispiele: 25 Prozent der Bausumme nach Beginn der Erdarbeiten. 28 Prozent, wenn der Rohbau steht.  

Blindes Vertrauen in einen Bauträger oder eine Baufirma ist nicht ratsam. „Zunächst sollte man vor der Unterschrift den Vertrag von einem spezialisierten Rechtsanwalt oder der Verbraucherzentrale prüfen lassen“, rät Meyer. „Dann braucht man einen Bausachverständigen an seiner Seite, der den Baufortschritt beobachtet und Mängel und Verzögerungen erkennt.“ 

Viele Probleme bei einem Insolvenzverfahren

Geht ein Bauträger pleite, beginnt zunächst ein vorläufiges Insolvenzverfahren. Ein Trauma für die Betroffenen, denn sie können zunächst nichts tun und müssen auf Entscheidungen des Insolvenzverwalters warten. Doch schon ab diesem Zeitpunkt ist klar, dass es für die Betroffenen deutlich teurer wird. Der Verband Privater Bauherren (VPB) kommt zu einer verheerenden Einschätzung des Verbraucherrisikos im Fall der Insolvenz eines Bauträgers. „Den ersten Zugriff auf Grund und Bausubstanz sichert sich nämlich stets die den Bauträger finanzierende Bank. Sie entscheidet in der Regel, ob und wie es weitergeht“, sagt Corinna Merzyn vom VPB. „Das Verfahren dauert mehrere Monate, in denen nicht weitergebaut wird, aber Finanzierung und Miete parallel weiterlaufen. Selbst wenn die Bank den Käufern den unfertigen Bau überlässt, damit sie ihn selbst vollenden können, ist der Ausgang des Bauvorhabens ungewiss, denn die Käufer müssen auch formal erst noch Eigentümer werden und dann Firmen finden, die bereit sind, weiterzubauen. Dazu müssen sie sich mit den anderen Miteigentümern einigen.“ 

Gegen diese Risiken sind die Verbraucher nur unzureichend abgesichert. Zwar müssen Bauträger oder auch Bauunternehmer eine Fertigstellungsbürgschaft in Höhe von fünf Prozent der Bausumme leisten. Sie dient der pünktlichen Fertigstellung des Hauses ohne wesentliche Mängel. Im Insolvenzfall können mit der einbehaltenen Summe Zusatzkosten zumindest abgemildert werden. Die Fertigstellungssicherheit kann entweder mit der ersten Abschlagszahlung einbehalten, als Bankbürgschaft oder als Versicherung begeben werden. Das Wahlrecht hat der Auftragnehmer.  

Bei Verzögerungen auf der Baustelle anwaltlichen Rat suchen

Eine weitere Sicherheit beim Bauträgervertrag ist die Auflassungsvormerkung im Grundbuch, die die Betroffenen als künftige Eigentümer der Immobilie ausweist. „Diese Auflassungsvormerkung ist meist das einzige insolvenzfeste Sicherungsmittel, das private Bauherren beim Bauen mit dem Bauträger in der Hand haben“, sagt Merzyn. Auflassungsvormerkungen sind immer dann vorgesehen, wenn Abschlagszahlungen vereinbart werden. Wer wegen der Probleme vom Vertrag jedoch zurücktritt, verliert auch die absichernde Vormerkung im Grundbuch.

Verbraucherschützerin Meyer rät: „Wenn es auf der Baustelle zu Verzögerungen kommt, sollte immer sofort anwaltlicher Rat gesucht werden, denn ob nun die Wohnung vom Bauträger oder das Haus auf eigenem Grundstück von einer Baufirma: Mit eigenen, nicht abgestimmten Handlungen können Käufer oder Bauherren sehr viel falsch machen und den Schaden noch vergrößern.“ 

Wird auf einem vorhandenen, eigenen Grundstück ein Haus errichtet, gilt die MaBV nicht, sondern der Verbraucherbauvertrag. „Hier muss sich der Bauherr um wesentlich mehr Dinge selbst kümmern als bei einem Kauf vom Bauträger. Das reicht von der Prüfung des Baugrundes bis zur Beschaffung von Papieren“, sagt Meyer.  Aber im Insolvenzfall bringt das eigene Grundstück mehr Sicherheit. Denn den Bauherren gehört das Grundstück mit allem, was darauf gebaut wurde. 

kündigungsrecht sollte vertraglich vereinbart sein

„Es sollte nur nach Baufortschritt gezahlt werden, und wenn 100 Prozent der Bauleistungen erbracht wurden, dürfen erst 90 Prozent an den Bauunternehmer überwiesen sein“, sagt Meyer. „Das soll den Bauherren eine weitere Sicherheit und Spielraum bei bestehenden Mängeln geben.“ Diese Regelung gilt nur für den Verbraucherbauvertrag.  

Im Insolvenzfall ist eine vorschnelle Kündigung des Werksvertrages nicht ratsam. Auch in diesem Fall muss die Entscheidung des Insolvenzverwalters abgewartet werden, ob weitergebaut wird oder nicht. Wer sich nicht daran hält, dem droht Schadensersatz, den der Insolvenzverwalter verlangen kann. 

Bauherren, die auf eigenem Grund und Boden bauen, können aber vertraglich ein Kündigungsrecht vereinbaren, falls der Unternehmer pleitegeht. „Als besondere Folge dieser Kündigung ist zu regeln, dass dann nur die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen zu bezahlen sind und dem Bauherren im Übrigen ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung zusteht“, sagt Merzyn. So abgesichert können Bauherren im Fall einer Pleite den eigenen Schaden halbwegs begrenzen.  

Von Steffen Preissler, Funke-Mediengruppe 

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