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Ein Expertenrat

Jeder kennt sie: Die Angst vor dem Zubettgehen

Wenn man abends erst um 21 Uhr mit Kochen fertig ist, dann will man ja nicht schon um 22 Uhr ins Bett gehen. Dann schiebt man das vor sich her, weil man endlich mal einbisschen Freizeit genießen will, meint der Schlafcoach Chris Surel. Foto: Funke Foto Service

Wenn man abends erst um 21 Uhr mit Kochen fertig ist, dann will man ja nicht schon um 22 Uhr ins Bett gehen. Dann schiebt man das vor sich her, weil man endlich mal einbisschen Freizeit genießen will, meint der Schlafcoach Chris Surel. Foto: Funke Foto Service

Man ist müde, aber will noch nicht ins Bett gehen. Es ist noch einiges zu erledigen oder das Fernsehprogramm ist zu spannend. Woher kommt die Aufschieberitis am Abend? – Schlafcoach Chris Surel spricht über die sogenannte „Bedtime-Procrastination“.

Montag, 18.09.2023, 17:00 Uhr

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Berlin. Noch eben den nächsten Teil der Lieblingsserie gucken. Oder doch lieber die Bügelwäsche erledigen? Vielleicht auch noch einen Blick in den neuen Designer-Katalog, Mails checken oder einfach nur an die Decke starren. Alles ist gut, sogar mal eben den Abfall runterbringen – wenn man bloß nicht ins Bett muss. „Bedtime-Procrastination“ – unter diesem Begriff firmiert ein Phänomen unserer Zeit, sagt Schlafcoach Chris Surel („Die Tiefschlafformel“): das Aufschieben des Zubettgehens.

Chris Surel, Schlafcoach. Foto: Funke Foto Service

Chris Surel, Schlafcoach. Foto: Funke Foto Service

Dieses Aufschieben der Zubettgehzeit hat viele Ursachen. Es hat auch mit dem Zirkandianen Rhythmus, dem biologischen Rhythmus von Tag und Nacht, zu tun. Er ist der Dirigent des Körpers und der Zellen, er gibt den Ton zum Schlaf-Wachrhythmus vor. Sozusagen die innere Körperuhr.

Dahinter steht, dass es auch Dinge in unserem Leben gibt, die diesen Rhythmus unserer Körperuhr stören. Wir wissen im Grunde, dass wir abends irgendwann ins Bett gehen sollten. Das Problem: Es ist ja gar nicht dunkel. Die vielen Lichtquellen gaukeln der Körperuhr vor, dass es Tag ist, das ist schon mal die erste Irritation.

O ja, es gibt spezielle Zellen in den Augen, die erkennen sogar den Unterschied zwischen aufgehender und untergehender Sonne. Sie sind extrem sensibel und senden sofort Signale an die Hirnregion, Hormone wie Cortisol auszuschütten. Allerdings brauchen wir für den Schlaf nicht dieses Wachhormon, sondern ein anderes Hormon, nämlich Melatonin. Wenn die Körperuhr gestört wird, funktioniert dieser Hormonkreislauf nicht mehr richtig. Und das wirkt sich aus und führt zu mangelndem Schlaf.

Vor allem blaues Licht. also zum Beispiel vom Handy oder Tablet. Aber auch insgesamt besonders helles Licht. Auch das Licht vom Badezimmerspiegel zum Beispiel, wenn man sich spätabends noch die Zähne putzt.

Ja, auf jeden Fall. Wenn Menschen das Gefühl haben, den ganzen Tag funktionieren zu müssen, dann entsteht bei vielen das Bedürfnis, länger aufzubleiben, um sich sozusagen zu belohnen.

Wenn man abends erst um 21 Uhr mit Kochen fertig ist, dann will man ja nicht schon um 22 Uhr ins Bett gehen. Dann schiebt man das vor sich her, weil man endlich mal ein bisschen Freizeit genießen will. Abseits aller Verpflichtungen. Obwohl man genau weiß, dass man am nächsten Tag unausgeschlafen ist. Ich habe Klienten, die gucken dann bis ein, zwei Uhr nachts noch Youtube-Videos, obwohl sie wissen, was dann morgens mit ihnen los ist. Das Gefühl der Freiheit wirkt sozusagen als Sekundärvorteil bei eigentlichem Primärnachteil, nämlich dem Schlafdefizit.

Ganz genau. Das ist dann das Typische. Sie wissen genau: Lege ich mich hin, kommt es wieder zum Gedankenkarussell. Wenn zum ersten Mal Ruhe um uns herum herrscht, fallen einem all die nicht erledigten To Dos ein. Nicht beantwortete E-Mails und all so ein Zeugs. Da ist an Schlaf nicht zu denken.

Es ist immer gut, all die Dinge auszuräumen, die uns vom Schlaf abhalten. Also das Licht dimmen. Und für warmes Licht sorgen. Lieber Lichtleisten am Boden und nicht Licht, das von oben auf uns scheint. Und dann eben auch beim Zähneputzen das Licht am Badezimmerschrank nicht einschalten, es reicht vielleicht das Licht im Flur. Auch wer nachts zur Toilette muss: besser keine direkte Lichtquelle einschalten.

Nicht unbedingt. Ich empfehle meinen Klienten auch Blaulichtfilterbrillen. Irgendetwas zu verbieten, halte ich nicht für sinnvoll. Der Mensch ist ja so gestrickt, dass er nichts verändern will. Deshalb sollte Veränderung minimal erfolgen. Kommt Disziplin dazu, ist es oft schon zum Scheitern verurteilt. Mit kleinen Schritten lässt sich langfristig viel mehr erreichen.

Von Petra Koruhn, Funke-Mediengruppe

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