Fit für die Zukunft: Goslar arbeitet an der Wärmewende

Was macht künftig die Wohnung warm? Eine Hand dreht am Thermostat einer Heizung. Deutschland will und muss weg von fossilen Energieträgern. Symbolfoto: Hauke-Christian Dittrich/dpa Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa/Illustration
Das Thema ist nicht sexy, aber von zentraler Bedeutung für die Zukunft: Wenn die fossilen Energieträger Gas und Öl wegfallen – womit wird eigentlich die eigene Wohnung warm? Goslar arbeitet am Wärmeplan. Und der kann ziemlich kleinteilig ausfallen.
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Goslar. Wer mitten im hochsommerlichen August über kommunale Wärmeplanung sprechen will, darf sich vielleicht nicht wundern, wenn andere Themen wie Urlaub, Freibad oder Eisessen die Menschen mehr interessieren. Wer trotzdem mit einem Vorstoß zu Geothermie, Photovoltaik, Wärmepumpen oder Biogas um die Ferienecke kommt, will mit diesem Schritt vielleicht aber auch ganz bewusst klarmachen, dass genau diese Aufgabe für die Stadt und ihre Bewohner von zentraler Bedeutung für die Zukunft ist.
Es ist ja nicht so, dass sich die Deutschen um ihre energetischen Lösungen daheim nicht längst kümmerten – zumindest gedanklich. Und sei es deshalb, dass sie sauer über manche Gesetzgebung waren, die (zu) sehr auf Verbote gesetzt hatte. Aber es gibt eben auch die klare Pflicht für die Kommunen, ihren Einwohnern Möglichkeiten aufzuzeigen und überzeugende Angebote zu machen, die längst nicht überall gleich und schon gar nicht verpflichtend sind. Bis Ende 2026 läuft die Frist.
Nächster Schritt
Und weil Wärmeplanung nicht jeden Tag in jedem Haushalt auf den Thementisch kommt, für die Stadt Goslar jetzt aber trotzdem ein entscheidender nächster Schritt ansteht, melden sich Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner und Erster Stadtrat Dirk Becker mit den beiden Stadtplanern Artur Dorn und Benjamin Born zu Wort. Die Botschaft auf den Punkt gebracht: In den nächsten fast 30 Monaten arbeiten Experten an möglichst punktgenauen Lösungen bis hinunter zu Quartieren und Clustern, die aber längst nicht alle von oben kommen müssen, sondern gern auch mitten aus der Bevölkerung heraus geboren werden können.

Das Schild sagt alles: Goslar begibt sich ab sofort auf den Weg zur Wärmewende. Die beiden Stadtplaner Artur Dorn und Benjamin Born zeigen diese Richtung zusammen mit Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner und Erstem Stadtrat Dirk Becker (v.l.). Foto: Stadt Goslar
Wie in Weddingen: Dort haben sich Bewohner wie berichtet schon im Frühjahr auf den Weg gemacht. Mit Volker Schmidt an der Spitze werben sie für ein Nahwärmemodell auf Genossenschaftsbasis, das sich an der Gemeinde Hechlingen am See bei Heidenheim im Altmühltal/Mittelfranken orientiert und auf 100 Prozent Wärme aus Holzhackschnitzeln setzt. Erst zu Beginn der Woche habe sie mit den Weddingern einen Termin gehabt, sagt Schwerdtner, und sie will auch zum nächsten Treffen der Weddinger noch im August gehen, um Rückhalt zu demonstrieren. Denn: „Die machen das wirklich gut – das ist großartiges bürgerliches Engagement.“
„Prototyp, keine Blaupause“
Was aber nicht heißt, dass Rest-Goslar jetzt genauso handeln müsste wie Weddingen: „Das ist ein Prototyp, aber keine Blaupause.“ Und weil das Wärmeplanen eben keine Aufgabe ist, die Goslar so nebenbei erledigt, setzt die Welterbestadt auf Expertenrat aus Rosenheim. Das Institut für nachhaltige Energieversorgung (Inev) arbeitet wie berichtet auch mit anderen Kommunen im Landkreis zusammen. „Es gibt keine Denkverbote beim Planen“, sagt Schwerdtner.
Einen ersten öffentlichen Aufschlag plant die Stadtverwaltung im November in Form eines Kolloquiums. Fachleute stellen verschiedene Themen vor, die anschließend erörtert werden soll. Der genaue Termin und Ort stehen noch nicht fest. Aber in dieser Jahreszeit sollte ein Gespür für Wärme ausgeprägter als jetzt sein. Wer sitzt mit im Boot? Neben der Stadt und dem Inev sicherlich auch der regionale Energieversorger, dessen Netzwerk (etwa für Biogas) und Expertisen wichtig bleiben sollten. Und nicht zuletzt kommt es auch auf Wohnbaugesellschaften an. Aber wie gesagt: Noch laufen die Phasen von Sach- und Potenzialanalysen, bevor es zu konkreten Zielvereinbarungen und Handelsstrategien bis Ende 2026 kommen kann. Was in Niedersachsen und eben Goslar auch ein spannender Termin ist, weil im September 2026 auch wieder Kommunalwahlen im Kalender stehen. Niemand muss ein Prophet sein, wenn er behauptet, dass die Wärmeplanung eine nicht ganz kleine Rolle im Wahlkampf spielen dürfte.
Individuelle Lösungen
Es liegt auch aus Sicht der Stadtplaner Dorn und Born auf der Hand, dass für Goslar ganz verschiedene Lösungen in ganz verschiedenen Größen infrage kommen. Wie soll etwa die denkmalgeschützte Altstadt mit einem Stadtteil wie Jürgenohl mit Geschosswohnungsbau vergleichbar sein? Oder der Oberharzer Kurort Hahnenklee mit vielen Hotels mit einem eher ländlichen Weddingen?
Nicht zu vergessen: Auch Gewerbe und Industrie spielt mit. Kann man Oker nicht eher mit Harlingerode in einen Topf tun, weil sinnvolle Wärmelösungen nicht an kommunalen Grenzen haltmachen? Was ist überhaupt mit den Unternehmen? Kein Geheimnis, sondern öffentliches Interesse und private Aufträge sind es, in Deutschland ein Wasserstoffnetz aufzubauen. Mit Fest sitzt ein bemerkenswerter Experte in der Baßgeige.
2040 los von Gas und Öl
Alles kann, nichts muss – jedenfalls inhaltlich. Vielleicht bringt es dieser Satz auf den Punkt. Denn alles, was die Stadt und ihre Planer aufzeigen, sollten am Ende rational nachvollziehbare Modelle sein, weil eine Mitmachpflicht nicht auferlegt werden könne. Jeder kann sich auch selbst ganz individuell auf den Weg machen oder hat dies vielleicht schon getan hat – Stichwort Wärmepumpen. Nur als Notiz am Rande und Rückmeldung aus Goslarer Stadtteilen mag stehen, dass diese Variante nicht unbedingt etwas für geräuschempfindliche Nachbarn zu sein scheint. Das Fernziel ist jedoch vorgegeben: Bis 2040 will Deutschland auf Gas und Öl verzichten (können). Die Mitarbeit ist laut Schwerdtner von jedem Einzelnen gefordert: „Und der Weg beginnt jetzt.“