Ursula Sievers war die „Mutter der Kirche“

Ursula Sievers (2.v.re.) wird nach der Abendandacht in der Kirche mit einem kleinen Fest im Gemeindehaus St. Jakobi herzlich verabschiedet. Foto: Koch
Ein bisschen Freigeist muss sein, bei aller Pflichterfüllung: So kam Ursula Sievers gut durch ihr Berufsleben als Pfarrsekretärin von St. Jakobi. Die 66-jährige „Mutter der Kirche“ wurde offiziell verabschiedet, bleibt aber ehrenamtlich engagiert.
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Goslar. An sich ist Ursula Sievers schon vor Wochen mit allen Ehren aus ihrer Rolle der Pfarramtssekretärin von St. Jakobi verabschiedet worden. Aber kaum war das geschehen, saß sie am Jakobikirchhof schon wieder an ihrem Schreibtisch. Die erste Urlaubsvertretung stand an. „Niemals geht man so ganz“, das trifft auf manche mehr, auf manche weniger zu – bei Ursula Sievers liegt der Fall ganz klar auf der „Mehr-Seite“.
Dabei zögerte sie anfangs, sich auf die Stelle zu bewerben; Pfarrsekretärin wollte die gelernte Sparkassenkauffrau eigentlich nicht werden. Schließlich sei man da auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen, dass die Chemie zwischen Pfarrer und Pfarrsekretärin stimme, wusste sie – wagte es am Ende doch und hat es nicht bereut. „Ich bin sehr dankbar“, sagt sie im Rückblick auf mehr als 20 Jahre in der Katholischen Kirche Nordharz, die nie langweilig wurden und ihr Kontakt zu zahlreichen Menschen bescherten, die ihr Leben bereicherten.
Mütterliche Qualitäten
Wer das Pfarrsekretariat wuppt, ist wohl in jeder Gemeinde an einer entscheidenden Position. Da, wo Vakanzen überbrückt werden müssen – und das war in St. Jakobi nicht nur einmal der Fall – vielleicht noch ein bisschen mehr. Ist kein Pfarrer da, ist das Sekretariat noch stärker Anlaufstelle als sonst – Dreh- und Angelpunkt, Vermittlungszentrale, Schaltstelle, vielleicht der wichtigste Verbindungsknoten im Netz, das alle tragen muss. Ursula Sievers war immer da, guckte nicht auf die Uhr. Kirchenbücher führen, Kontakte unter anderem zu Ehrenamtlichen pflegen, Messen mit organisieren, Pfarrbriefe schreiben: Egal, wieviel sie zu tun hatte, ein Schwätzchen war immer drin. Zwischenmenschlicher Schmierstoff. „Ich bin so was wie die Mutter der Kirche geworden“, sagt sie und lacht.
Sich für sich Zeit nehmen
Auch die Urlaubsvertretung ist inzwischen vorbei, langsam kommt die 66-Jährige im Ruhestand an – am 17. Juli wird ihr Computer abgeschaltet. Schwer fällt ihr das nicht, sie freut sich darauf, Zeit zu haben – für die Enkelkinder, für die eigene Gesundheit, Bewegung, Wandern, Sport. Ihrer St. Jakobigemeinde, mit der sie aufgewachsen ist, bleibt sie treu. Sie gehört ins Dreierteam, das sich ehrenamtlich die Küsteraufgaben teilt, insbesondere Vor- und Nachbereitung der Messen. Nur Tücher drapieren, das sei nicht so ihr Ding, gesteht sie, schmunzelt, überlässt das gerne anderen.
Schlesische Wurzeln
Die gebürtige Goslarerin fühlt sich gar nicht wie eine Goslärsche, weil sie aus einer Flüchtlingsfamilie stammt und die Eltern die schlesischen Traditionen hoch hielten: „Damit bin ich aufgewachsen“, sagt die Katholikin, für die der Glaube schon immer wichtig war.

Über die Anreise wichtiger Wegbegleiter wie Pater Paulus (re.) freute sich Ursula Sievers bei ihrer offiziellen Verabschiedung aus dem Amt als Pfarrsekretärin sehr. Foto: Koch
Es galt, viele Schicksalsschläge zu überwinden und manche Prüfung zu bestehen. Als ihr Mann sich für einen anderen Lebensweg entschied, wurde die Vollzeitmutter alleinerziehend wider Willen. Sie suchte sich Arbeit, wurde von der Caritas aufgefangen, machte noch einmal eine Stippvisite bei der Sparkasse Jürgenohl. Dann fand sie am 1. März 2003 im Pfarramt in der Zehntstraße in Goslar die Stelle, die ihr Leben prägte und die sie prägte.
40 Pfarrer kennengelernt
Von all ihren Pfarrern konnte sie profitieren, etwas lernen, was für sich mitnehmen. Beim charismatischen Kuno Kohn gab es ein offenes Haus, immer Gäste, international, multikulti. Hier waren auch Studenten der Konzertarbeitswochen untergebracht, erinnert sich Sievers, die so manche Geschichte zu erzählen hätte. Etwa, dass sie Kaplan Körners Kaninchen mit versorgte; niemals hätte sie die essen können. Jahre mit einem guten Miteinander und gelebter Ökumene. „Kuno Kohn hat sich um die Armen in der Stadt gekümmert, den Wärmecontainer aufgestellt“, erinnert sie – später war sie es dann, die den Kontakt zur Zille hielt, Essensmarken ausgab.
Schwierige Zeiten
Es war nicht immer leicht. Im Zuge von Priestermangel und Kirchen-Konzentration brachen Strukturen weg, wurden, wie die Ehe- und Lebensberatung, wieder aufgelöst, ein schmerzlicher Prozess, der Kraft kostete, letztlich zum Weggang Kuno Kohns und zur Auflösung des Kirchenvorstands führte. Ursula Sievers blieb im Umbruch die Konstante.

Zur feierlichen Verabschiedung von Ursula Sievers (2.v.li.) war auch ihre Familie angereist, darunter ihre Söhne Philipp (li.) und Fabian (3.v.li.). Foto: Koch
Pfarrer Jensen war ihr nächster Pfarrer. Er führte die Arbeit fort, blieb immer ruhig – eine Gabe, meint Sievers anerkennennd. 40 Pfarrer habe sie in den 20 Jahren kennengelernt, jeder brachte etwas Besonderes mit. Darunter viele ausländische Pfarrer, „wunderbare Menschen, spannende Charaktere“. Pfarrer Mogge und Pfarrer Schmalstieg seien Künstler, Pfarrer Herbst habe sie getraut und ihr erstes Kind getauft – und kam sogar zu ihrer Verabschiedung. Pater Paulus und Pater Wolfert lernte sie in schweren Vakanzzeiten kennen, auch an Dechant Bürig erinnert sie sich gern.
Hilfe der Heiligen
„Niemand hat mir einen Glauben vorgelebt, der einengt“, sagt sie rückblickend, für sie das Wichtigste. „Jeder muss sein Leben selber vor Gott verantworten“, ist ihre Überzeugung. Humor kann bei der Bewältigung hilfreich sein. Oder Heilige. Sie habe ein Heiligenbuch von ihrer Mutter geerbt, verrät Sievers. So sei sie aufgewachsen: „Wenn es ein Problem gibt, gibt es Heilige, die uns helfen.“ Wer also seinen Schlüssel verliere, müsse sich nur an den Heiligen Antonius wenden... Warum nicht mal ausprobieren? Die nächste Bedrouille kommt oft schneller, als man denkt.
Am Ende ihres erfüllten Berufslebens bleibt Dankbarkeit. Dafür, dass Sie alle schwierigen Zeiten zusammen mit anderen Menschen gemeistert hat. Und Dankbarkeit der Katholischen Kirche Nordharz, dafür, dass sie da war. „Danke für alles, was Sie für die Menschen hier getan haben“, sagte Pater Paulus in der Abschieds-Abendmesse in St. Jakobi und sprach damit vielen aus dem Herzen.