Warum kehrte Christian B. nach Braunschweig zurück?

Nach Verbüßung seiner Haftstrafe kam Christian B. Mitte September frei. Seitdem steht er unter Führungsaufsicht. Foto: picture alliance/dpa/dpa Pool | Julian Stratenschulte
Christian B., der Hauptverdächtige im Fall Madeleine McCann, taucht bei der Staatsanwaltschaft in Braunschweig auf. Ein Polizeieinsatz begleitet seine Ankunft. Was steckt hinter seinem überraschenden Besuch?
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Braunschweig. Der Fall Christian B. nimmt eine unerwartete Wendung. Kaum jemand hätte Deutschlands bekanntestem Ex-Häftling zugetraut, dass er nach Braunschweig zurückkehrt, wo die Staatsanwaltschaft gegen den 48-Jährigen weiterhin wegen Mordes im Fall Madeleine „Maddie“ McCann ermittelt. Die Polizei bestätigt, dass es im Zusammenhang mit seiner Rückkehr einen Polizeieinsatz gab.
Unerwartete Rückkehr nach Braunschweig
Offenbar wurde selbst sein Anwalt, Friedrich Fülscher, von der Aktion überrumpelt. „Zu den eigenverantwortlichen Aktionen meines Mandanten gebe ich keine Stellungnahme ab“, lautete der knappe Kommentar des Juristen.
Noch kurz vor der anstehenden Haftentlassung Mitte September hatte Fülscher in einem Interview mit unserer Zeitung gefordert: „Christian B. hat ein Recht darauf, ein normales Leben als Mitglied unserer Gesellschaft zu führen.“
Spektakel vor laufender Kamera?
Aus dem viel beachteten Gespräch zitierten nach der Veröffentlichung auch zahlreiche englische Medien. Dass sein Mandant nun vor laufender Kamera eines englischen TV-Teams bei der Staatsanwaltschaft in Braunschweig auftaucht, dürfte der Forderung seines Anwalts zuwiderlaufen.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Jahren gegen Christian B. im Fall Madeleine „Maddie“ McCann und bezeichnet ihn als ihren Hauptverdächtigen. Der Verdächtige streitet ab, mit der Tat etwas zu tun zu haben. Angeklagt wurde er bis heute nicht.
Kurz vor Haftentlassung
Scotland Yard wollte Christian B. zum Fall Maddie vernehmen
Fußfessel und Führungsaufsicht: Die Auflagen von Christian B.
Sieben Jahre saß er in Haft wegen Vergewaltigung. Nun in Freiheit, steht er unter Führungsaufsicht. Er ist einer von überhaupt nur 12 Ex-Strafgefangenen in Niedersachsen, die eine elektronische Fußfessel tragen müssen, damit jederzeit ihr Aufenthaltsort kontrolliert werden kann. Zu den Auflagen von Christian B. gehört außerdem, sich rasch einen festen Wohnsitz zu suchen. Er musste seinen Reisepass abgeben, darf sich aber im Bundesgebiet bewegen.
Bevorstehende Haftentlassung
Maddie-Verdächtiger soll nach Freilassung Fußfesseln tragen
Geplanter Besuch bei der Staatsanwaltschaft
Der Sprecher der Polizeiinspektion Braunschweig, Lars Dehnert, teilte unserer Redaktion mit: „Nachdem wir erfahren hatten, dass sich Christian B. in Richtung Braunschweig begeben hatte, wurde hier ein polizeilicher Einsatz generiert. Am vergangenen Sonntag erreichte er das Stadtgebiet. Seitdem wurde er polizeilich begleitet und es wurde direkt Kontakt zu ihm aufgenommen. Dabei äußerte er, am Montagmorgen die Staatsanwaltschaft Braunschweig aufsuchen zu wollen.“ Die Anklagebehörde war demnach vorbereitet.
Christian B. kaufte offenbar zunächst in einem Backshop im nahegelegenen Parkhaus ein. Mit den Örtlichkeiten ist er vertraut: Bereits 2016 war er Angeklagter in einem Prozess vor dem benachbarten Amtsgericht. Dort musste er sich wegen des Fundes von kinderpornografischem Material auf seinem Grundstück in Neuwegersleben (Sachsen-Anhalt) verantworten. Während er damals in erster Instanz noch freigesprochen wurde, verurteilte ihn 2017 das Landgericht – nicht nur wegen des Materials, sondern zusätzlich auch wegen Kindesmissbrauchs. Am Montag hatte sich die Polizei vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft in der Turnierstraße postiert. Zunächst sei dort ein britischer Journalist bemerkt worden. „Mit diesem traf sich Christian B. vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft“, so Dehnert. Der Verdacht liegt nahe, dass es sich um einen inszenierten Besuch handelte.
Sachlich geblieben
Dem Vernehmen nach verhielt sich Christian B. dennoch ruhig. Er soll sein Anliegen – ein Gespräch mit dem Sprecher der Staatsanwaltschaft, Christian Wolters – dem Wachtmeister sachlich vorgetragen haben, ohne dabei eine Szene zu machen. Der Wunsch wurde abgelehnt. Laut dem Polizeisprecher entfernte sich Christian B. anschließend gemeinsam mit dem englischen Journalisten.
„Montagabend verließ Christian B. das Stadtgebiet von Braunschweig wieder“, so Dehnert. „Damit wurde der hiesige polizeiliche Einsatz auch beendet. Während seines Aufenthaltes kam es zu keinen relevanten Vorkommnissen.“
Dehnert teilt noch mit: „Mit der Personalie Christian B. ist ein erhebliches öffentliches und mediales Interesse verbunden. Auf Grundlage der Gefahrenabwehr haben wir uns bezüglich des Aufenthaltes von Herrn B. entsprechend polizeilich aufgestellt, um Störungen jeglicher Art zu begegnen und im Allgemeinen unserer Kernaufgabe nachzukommen: die Sicherheit aller Menschen zu gewährleisten und eine Grundordnung zu wahren. Dem persönlichen Schutz von Christian B. diente der Einsatz nicht.“
Unruhe in Neumünster und Braunschweig
Nach der Haftentlassung in Sehnde hatte sich Christian B. in Neumünster obdachlos gemeldet. Die Stadt stellte ihm daraufhin eine Unterkunft zur Verfügung: Eine einfache Erdgeschosswohnung mit zwei Zimmern auf 39 Quadratmetern, möbliert mit Sessel, Stuhl, Tisch, Hocker, Kommode, Feldbett und Lampen. Seine Wohnadresse wurde schnell bekannt, aufgrund von Sicherheitsbedenken entschloss sich die Polizei am Sonntag, ihn aus der Unterkunft zu eskortieren.
Verdächtiger im Fall „Maddie“
Zahlung beglichen: Christian B. wird im September entlassen
Auf Nachfrage unserer Zeitung teilte die Stadt am Dienstag mit, dass Christian B. aktuell nicht mehr in Neumünster gemeldet ist. Auch die Stadt Braunschweig teilte mit, dass Christian B. hier keinen Wohnsitz angemeldet hat.
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