„Out – Gefangen im Netz“: Klassenzimmerstück an der Oberschule

Den Oberschülern der achten Klassen führt Ole Riebesell (Mitte) das Solostück im Klassenzimmer "Out - Gefangen im Netz" vor. Foto: Heinemann
An der Seesener Oberschule hat das „Theater für Niedersachsen“ sechsmal das Klassenzimmerstück „Out – Gefangen im Netz“ aufgeführt. Darsteller Ole Riebesell verdeutlicht den Achtklässlern in seiner Rolle als Dominik Stein, was Mobbing für Folgen hat.
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Seesen. „Falls ihr euch nicht wohlfühlt, könnt ihr den Raum verlassen“, wendet sich Clara-Maria Scheim an die Oberschüler der achten Klasse. Im Klassenzimmerstück „Out – Gefangen im Netz“ vom „Theater für Niedersachsen“ (TfN) werden die Schüler nämlich nicht nur das Gespielte sehen, sondern werden hineingezogen und integriert. Die Geschichte von Vicky, die an ihrer neuen Schule gemobbt wird, fesselte die Schüler und sollte ihnen die Gefahren des Internets und die Folgen von Mobbing aufzeigen.
Das Stück befindet sich in der zweiten Spielzeit und wurde schon mehr als 100 Mal aufgeführt an vielen verschiedenen Schulen. „Wir wollten ein Thema aussuchen, was bei den Schülern auf dem Alltag steht und was auch in der Schule vorherrscht“, erklärt Sandra Rasch, die das Stück inszeniert. Im Thema Mobbing sieht sie auf jeden Fall großes Konfliktpotenzial. Ihr ist wichtig, dass das Stück nicht gleich in Vergessenheit gerät. Die Schüler sollen daran anknüpfen können und über das Gesehene nachdenken und daraus lernen.
Gefühle kommen hoch
„Bevor wir in die Klassenzimmer gehen, machen wir die Schüler darauf aufmerksam, was sie gleich sehen werden. Es ist auch schon vorgekommen, dass jemand das Stück lieber nicht sehen wollte“, beschreibt Rasch. Nicht nur den Themen Mobbing und Demütigung sind die Schüler ausgesetzt. Auch ein Suizidversuch wird von Ole Riebesell beschrieben. „Manchmal haben Schüler auch währenddessen angefangen zu weinen, sind rausgegangen oder in der Nachbesprechung ist in ihnen etwas hochgekommen“, erzählt Rasch. Dann sei es wichtig, die Schüler nicht alleine zu lassen. Deshalb sind auch immer Ansprechpartner von der Schule vor Ort, um bei Bedarf zu unterstützen.
Eine Schule habe es gegeben, berichtet Rasch, die der Meinung war, dass es an ihrer Schule kein Mobbing geben würde. In der Vorstellung sei dann ein Schüler in Tränen ausgebrochen. Erst dann haben die Lehrer von seiner Situation erfahren. „Wir wollen den Schülern auch beibringen, dass sie sich öffnen sollten, um dagegen vorzugehen“, sagt die Regisseurin.
Zivilcourage
„Wir wollen den Schülern einiges klarmachen über Mobbing. Sie sollen auch lernen, wann man zum Beispiel eingreifen und sich für andere starkmachen sollte“, so Rasch. „In der Nachbesprechung heißt es manchmal, dass das ‚Opfer‘ auch anders hätte reagieren können auf manche Dinge oder ähnliches, dann wäre sie vielleicht nicht gemobbt wurden. Wir müssen ihnen dann klarmachen, dass nicht die Opfer Schuld sind.“
Nicole Nietzel, Schulsozialarbeiterin an der Oberschule Seesen, betont, dass die Schule viel in Kooperation mit dem Jugendschutz zusammenarbeite. Mit dem Klassenzimmerstück wollen sie sich an einer neuen Methode versuchen, um gerade an ältere Schüler besser heranzukommen. In drei Tagen erreichten sie 128 ihrer Schüler mit den sechs Aufführungen vom TfN. Dabei sei den Lehrkräften natürlich bewusst, dass sie an das Stück anknüpfen und mit den Schülern weiterarbeiten müssen. „Wir müssen sicherstellen, dass sie auch alles richtig verstanden haben“, meint Nietzel. In dem Stück springt Ole Riebesell zum Beispiel zwischen den Rollen. In einem Moment ist er Dominik Stein, Vickys großer Bruder, dann vielleicht die Mutter, die den Kindern durch das geöffnete Fenster etwas hinterherruft und dann ist er Vicky, die versucht, sich gegen ihre Peiniger zu wehren.

Ihre Bilder sind im Internet für alle sichtbar. Überall auf der Welt. Obwohl diese Bilder nie jemand sehen sollte. Ein Albtraum für die Schülerin Vicky, deren Geschichte Ole Riebesell in seiner Rolle als Dominik Stein, Vickys großer Bruder, erzählt. Foto: Tim Müller
Die Schüler eleben, wie Vicky erst ignoriert, dann gehänselt und schließlich gedemütigt wird, indem private Bilder von ihrem Handy ins Internet gestellt werden. Wer das war und warum das mit ihr gemacht wurde, weiß sie nicht. Die Lehrer wollen lieber Frieden und deshalb nehmen sie Vicky erst zu spät ernst, als die Situation schon eskalierte.
Offener Umgang
Auch an der Oberschule Seesen würde es ab und zu verschiedene „Sticheleien“ oder ähnliches geben. Doch von einem wirklichen Mobbing-Fall – wobei sie auf extremere Fälle hindeuten möchte, da Mobbing auch immer Definitionssache ist – an der Oberschule würde sie nicht wissen. „Unsere Schüler sind zum Glück sehr offen und kommen auf uns zu, falls etwas vorfällt. Doch nachmittags zum Beispiel, wenn wir nicht da sind, müssen dann die Eltern aufpassen“, sagt die Schulsozialarbeiterin.
Bei den Schülern selbst hat man während des Stücks so etwas wie einen Wandel bemerken können. Zu Beginn haben sie noch amüsierte Blicke ausgetauscht, Sprüche und den ein oder anderen Scherz gemacht. Das war auch gefragt, denn sie waren mittendrin im Stück – so wurde es nicht langweilig. Doch als die Lage um Vicky immer ernster wurde und sie am Ende sogar ins Krankenhaus kam, weil sie dachte, dass die Welt ohne sie besser dran wäre, lachte keiner mehr, sondern sie sahen dem Darsteller aufmerksam zu. Ihnen habe das Stück sehr gut gefallen, war die einheitliche Meinung.
Auch Schulleiter Daniel Beyer, der bei der ersten Aufführung dabei war, zeigt sich begeistert. „Sonst sind die Schüler nicht so oft konfrontiert mit Theater und jetzt sind sie sogar mittendrin“, sagt der Schulleiter.