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Halbzeit im Gemeinderat Liebenburg

Gremium hat trotz Rekordminuns Millioneninvestitionen im Blick

Ein dicker Wälzer, der im Gemeinderat für Diskussionsstoff sorgte: der Haushalt 2024.

Ein dicker Wälzer, der im Gemeinderat für Diskussionsstoff sorgte: der Haushalt 2024. Foto: Gereke

Halbzeit der Wahlperiode – wie sieht die Bilanz für den Rat der Gemeinde Liebenburg aus? So richtig gekracht hat es seit seiner Konstituierung nur einmal richtig. Ansonsten bestimmte vor allem ein immer wiederkehrendes Thema die Arbeit.

Von Andreas Gereke Sonntag, 04.08.2024, 10:00 Uhr

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Liebenburg. Die aktuelle Wahlperiode auf Gemeinderatsebene in Liebenburg ist vorüber. An einer Sache erhitzten sich die Gemüter. Wie so oft entfachte das liebe Geld den Konflikt unter den Fraktionen...

Schloss die Gemeinde das Haushaltsjahr 2021 noch mit einem Überschuss von fast 600.000 Euro ab, so steht für 2024 im Haushaltsplan ein Rekordminus von 1,8 Millionen Euro. Das Blatt drehte sich komplett. Das hat viele Gründe höhere Personalkosten, stetig steigende Zuschüsse an die Kita-Träger (inzwischen ist die Gemeinde laut Plan bei 2,45 Millionen angelangt – 800.000 Euro mehr als noch 2023) oder aber auch die allgemeine Kostenentwicklung infolge von Corona-Krise und Krieg in der Ukraine. Wie also mit dem zu beschließenden Haushalt umgehen?

Vorwurf der Unverantwortlichkeit

Ein Vorschlag der Verwaltung: Anhebung der Hebesätze für Grund- und Gewerbesteuer. Die CDU-Fraktion sprach sich gegen die Erhöhung Hebesätze aus und kündigte an, dem Haushalt nicht zustimmen zu wollen. SPD und Bürgermeister hielten dagegen. Tenor: Man kann in einzelnen Punkten des Haushalts anderer Meinung sein, das klarstellen und auch dagegen abstimmen. Aber gegen den Haushalt insgesamt zu stimmen, sei unverantwortlich und würde zu einer Blockade der Verwaltung führen, denn auch freiwillige Leistungen könnten dann nicht ausgezahlt werden. Weiterer Vorwurf: Es sei nicht sachgerecht, eine Ablehnung anzukündigen, aber selbst keinerlei Lösungsvorschläge zu bringen, wie die Gemeinde aus eigener Kraft die Haushaltssituation verbessern könne. CDU beantragt Sitzungsunterbrechung und stimmt anschließend doch für den Haushalt als Ganzes. Allerdings hatten sich die Fraktionen auch darauf geeinigt, die Hebesätze nur um jeweils 30 Punkte anzuheben. Die Verwaltung hatte bei der Grundsteuer B 50 Punkte vorgeschlagen.

Reibereien sind die große Ausnahme

Solche Reibereien sind allerdings die große Ausnahme im Rat. Am Wohl der Gemeinde sind alle Fraktionen interessiert, gepflegt wird der sachliche Umgang miteinander – und das seit Jahrzehnten. Personelle Rochaden im Rat hielten sich übrigens in Grenzen. Drei der insgesamt 21 Ratsmitglieder – ein Sitz gebührt dem Bürgermeister – legten in der ersten Hälfte der Wahlperiode ihr Amt nieder: bei der CDU-Fraktion Dirk Grätz und Sylvia Schöttle – für sie rückten Wolfgang Neef und Andrea Bestian nach. Erst kürzlich zog sich Marco Rehberg aus dem Rat zurück. Er saß für Bündnis 90/Die Grünen im Gremium, ihm folgte Nadeshda Plaschke.

Der Ausbau der Photovoltaik beschäftigt die Ratsgremien seit Beginn der Wahlperiode. Die Aufnahme zeigt den Bürgersolarpark Dörnten-Ost.

Der Ausbau der Photovoltaik beschäftigt die Ratsgremien seit Beginn der Wahlperiode. Die Aufnahme zeigt den Bürgersolarpark Dörnten-Ost. Foto: Bürgerenergie Harz

Unabhängig von der Haushaltsentwicklung investiert die Gemeinde in die Zukunft: Der Rat beschließt den Neubau der Kita Othfresen und den Kauf eines Grundstücks, um endlich den Neubau eines Gerätehauses für die Ortsfeuerwehr Liebenburg realisieren zu können. Bei den Beschaffungen war mehrfach gleichzeitig das Schlagwort: Gleichzeitig kaufte die Gemeinde neue Einsatzkleidung für alle Aktiven der Feuerwehr, gleichzeitig erfolgte die Beschaffung für alle Klassenräume beider Grundschulen. Auch ins Freibad floss seit 2021 eine sechsstellige Summe. Dass es in dieser Saison wieder nur eingeschränkt geöffnet hat, liegt daran, dass die Gemeinde nicht das benötigte Personal gefunden hat.

Rat dreht das Rad wieder zurück

Darüber hinaus dreht der Rat das Rad auch wieder zurück – zu einer Gemeindeverwaltung mit Vier-Ämter-Struktur. Die Liebenburger versprechen sich davon ein leistungsfähigeres Rathaus. Vor mehr als zehn Jahren waren sie anderer Meinung – reduzierten die Zahl der Ämter von vier auf drei, um Geld einzusparen. Doch die Praxis zeigte – mit vier Ämtern lässt sich die Fülle der gestiegenen Aufgaben besser bewältigen, so die Liebenburger Erkenntnis.

Um für vier Ämter auch den notwendigen Platz zu schaffen, investierte die Gemeinde wiederum. Nicht nur in Personal – es stand der Bau eines zweiten Rettungsweges an, um auch Büros im Dachgeschoss des Rathauses nutzen zu können. Weil der bislang fehlte, waren fast alle Arbeitsplätze unterm Dach peu à peu aufgegeben worden.

Ein Zukunftspunkt für die eigene Verwaltung spielte im aktuellen Rat bislang gar keine Rolle – und das wird angesichts der Vielzahl aktueller Bauthemen wohl auch erst einmal so bleiben: Was soll eigentlich aus dem sanierungsbedürftigen Rathaus werden? Eine Frage, die in dieser Wahlperiode wahrscheinlich nicht mehr geklärt wird.

Neue Zeitrechnung auch bei der Förderkulisse: Der Rat beschloss den Wechsel von der ILE-Region Nördliches Harzvorland zur Leader-Region Westharz. Statt mit vielen Gemeinden aus dem Landkreis Wolfenbüttel ist Liebenburg nun mit Goslarern unterwegs. Seesen, Langelsheim, Braunlage, Clausthal-Zellerfeld sowie die ehemalige Samtgemeinde Lutter als Teil Langelsheims sind im Westharz vereint.

Und fast täglich grüßt die PV-Freiflächenanlage

Ein immer wiederkehrendes Thema, mit dem sich die Ratsdamen und -herren zu beschäftigen hatten: der Ausbau der erneuerbaren Energien und seine Auswirkungen auf die Gemeinde. Fast schon monatlich galt es eine Zeit lang, sich mit einem neuen Photovoltaik-Freiflächenprojekt zu beschäftigen. Mehrere kleinere Projekte, die in Summer aber auch dafür sorgen werden, dass Dutzende Hektar nördlich der Othfresener Grube Ida zu Sonnenkraftwerken werden. Hinzu kommt das Großprojekt bei Neuenkirchen, wo rund 40 Hektar mit PV-Modulen versehen werden sollen – und das noch größere Projekt bei Upen, wo die Gesamtfläche größer als in Neuenkirchen sein soll, sie sich aber über drei Standorte verteilt.

Neue PV-Anlagen wie die zwischen Liebenburg und Neuenkirchen und der Bürgersolarpark Dörnten-Ost sind inzwischen sogar schon am Netz.

Ein altes Projekt ploppte zudem wieder auf: die Idee eines Windparks im Dreieck Liebenburg, Döhren, Neuenkirchen – kommen wird der Windpark auf der Har. Und weil der erzeugte Strom auch irgendwie transportiert werden muss, kommt als neustes Projekt der Bau einer Höchstspannungsleitung auf die Gemeinde zu – mit der Errichtung eines Umspannwerks Liebenburg/Schladen, dessen Standort auch in der Gemeinde liegen könnte. Rund 20 Hektar Fläche werden dafür benötigt.

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