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Polizei-Skandal oder Justiz-Schlappe?

Missbrauchsvorwürfe: Neuer Prozess gegen Eltern aus Goslar

Eine Mutter und ihr Ehemann (Gesichter gepixelt) aus Goslar stehen im Landgericht Braunschweig erneut wegen des Vorwurfs des Missbrauchs, der Vergewaltigung und der versuchten Tötung ihrer Tochter beziehungsweise Stieftochter vor Gericht.

Eine Mutter und ihr Ehemann (Gesichter gepixelt) aus Goslar stehen im Landgericht Braunschweig erneut wegen des Vorwurfs des Missbrauchs, der Vergewaltigung und der versuchten Tötung ihrer Tochter beziehungsweise Stieftochter vor Gericht. Foto: Stade

Ab heute stehen zwei Eltern aus Goslar erneut vor Gericht, die ihre erwachsene Tochter vergewaltigt und misshandelt haben sollen. Der Bundesgerichtshof hatte das erste Urteil über mehrjährige Haftstrafen aufgehoben.

Von Oliver Stade Montag, 12.08.2024, 08:00 Uhr

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Goslar/Braunschweig. Der Prozess gegen ein Ehepaar, das seine erwachsene Tochter beziehungsweise Stieftochter schwer sexuell missbraucht haben soll, wird am Landgericht Braunschweig von diesem Montag an neu aufgerollt.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte das Urteil gegen die beiden Angeklagten aufgehoben, weil aus Sicht der Bundesrichter die Beweiswürdigung lückenhaft war. Jetzt muss sich eine andere Kammer des Landgerichts mit den Vorwürfen beschäftigen.

Die Mutter hatte im Juni 2023 unter anderem wegen einer Vielzahl von Vergewaltigungen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 13,5 Jahren erhalten, ihr Partner wurde zu neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Doch in diesem Juni wurden die Haftbefehle aufgehoben. Sie seien zwar noch verdächtig, aber es gebe keinen dringenden Tatverdacht mehr, hieß es von dem Braunschweiger Gericht.

Wird so aus dem vermeintlichen Polizei-Skandal eine Justiz-Schlappe?

Die Eltern aus Goslar sollen einen Mord an ihrer Tochter beziehungsweise Stieftochter geplant und diese außerdem über einen längeren Zeitraum vergewaltigt und schwer misshandelt haben. Gericht, Staatsanwaltschaft und die Anwältin der Tochter kritisierten die Polizei im ersten Verfahren heftig. Die Beamten hätten einseitig ermittelt und die Eltern für unschuldig gehalten – was sie möglicherweise tatsächlich sind. Die Anwältin sprach sogar von einem „Polizei-Skandal“. Der Fall wurde der Kriminalpolizei in Goslar daher entzogen und der Kripo Wolfsburg/Helmstedt übertragen.

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Das aufsehenerregende Verfahren, in dem es um grausige Taten ging, die dem Paar aus Goslar vorgeworfen werden, wird neu verhandelt: Zuständig ist nun die 1. Strafkammer am Landgericht. Andere Richter führen das anstehende Verfahren, um die Vorwürfe gegen das Paar aus Goslar aufzuklären.

Entweder der Verdacht gegen die Eltern aus Goslar bestätigt sich und damit auch die Kritik an der Goslarer Kripo oder aber die 9. Strafkammer steht schlecht da, weil sie sich zu sehr auf die Aussagen der Tochter verließ. Im Kern geht es darum, wie glaubwürdig die Aussagen der Tochter sind, die als schwer traumatisiert gilt. Sie stand bereits ein Jahr zuvor als Zeugin vor Gericht. In dem Verfahren war ihre aus Salzgitter stammende Ex-Freundin zu sechs Jahren und fünf Monaten verurteilt worden, weil sie die junge Frau aus Goslar wie eine Sex-Sklavin gehalten und vergewaltigt sowie gequält haben soll.

An diesem Montag, 15. August, beginnt das mit Spannung erwartete Verfahren, in dem möglicherweise ein Fehlurteil der Justiz korrigiert wird.

Der Ausgang des Verfahrens ist offen

Dass die Zweifel an der Verurteilung der beiden Goslarer zuletzt größer wurden, zeigt sich an einer Entscheidung der nun zuständigen 1. Strafkammer: Sie gab Mitte Juni bekannt, dass sie die Haftbefehle gegen die Eltern aufhebt, weil gegen sie kein dringender Tatverdacht mehr bestehe.

In der Begründung der jetzt zuständigen 1. Strafkammer werden nicht nur versteckt, sondern sehr direkt Fragen zur Glaubwürdigkeit der Tochter und damit auch zum Urteil der 9. Strafkammer laut. Die nun zuständige Kammer bewertet offenbar die Vorwürfe als weniger überzeugend. Neue Erkenntnisse, so heißt es in der Mitteilung, hätten „Zweifel an den Angaben der mutmaßlichen Geschädigten ergeben“.

Auch wenn der Ausgang des Verfahrens offen ist, so zeigt sich schon jetzt eine andere Sicht auf den Fall. Denn die Kammer teilt weiterhin mit, sie gehe davon aus, „dass die Angeklagten der vorgeworfenen Taten verdächtig sind“, sie sind damit aber eben nicht mehr „dringend tatverdächtig“. Die Formulierung wählen Juristen dann, wenn die Wahrscheinlichkeit als groß angesehen wird, dass ein Beschuldigter tatsächlich eine Straftat begangen hat.

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