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Dietrich Klagges

Was das Bündheimer Schloss mit einem Nazi-Funktionär zu tun hat

Bürgermeister Hermann Berndt (r.) überreicht dem Braunschweiger Ministerpräsidenten Dietrich Klagges im Jahr 1938 die Ehrenbürgerurkunde.

Bürgermeister Hermann Berndt (r.) überreicht dem Braunschweiger Ministerpräsidenten Dietrich Klagges im Jahr 1938 die Ehrenbürgerurkunde. Foto: Ruaolphi

Soll das Schloss im Bad Harzburger Ortsteil Bündheim auch weiterhin der AfD zur Verfügung gestellt werden? Gegner der Partei finden Nein. Zur Begründung ziehen sie den Lebenslauf des Nationalsozialisten Dietrich Klagges heran.

Von Redaktion Dienstag, 15.07.2025, 14:00 Uhr

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Bündheim. Zum zweiten Mal hat am Samstag im Bündheimer Schloss ein Bürgerdialog der AfD stattgefunden. Gegner der Partei kritisieren, dass die Stadt Bad Harzburg ihr Gebäude zu diesem Zweck zur Verfügung stellt. Es handle sich schließlich um einen Ort, der in den 1930er Jahren mal einem hochrangigen Politiker der Nationalsozialisten als zweiter Dienstwohnsitz gedient hat: Dietrich Klagges. Der Bad Harzburger Geschichtsforscher Markus Weber hat über den ehemaligen Braunschweiger Ministerpräsidenten und Ehrenbürger Bad Harzburgs geschrieben.

1931 kam Klagges als Regierungsrat ins Braunschweigische Innenministerium und sorgte dafür, dass der spätere „Führer“ Adolf Hitler die deutsche Staatsangehörigkeit erhielt – Voraussetzung dafür, dass er 1932 für das Amt des Reichspräsidenten kandidieren konnte. Klagges stieg in der Hierarchie rasch auf: Im September 1931 wurde er Staatsminister für Volksbildung und Inneres. Damit war er als Innenminister im Jahr 1931 auch verantwortlich für die polizeiliche Absicherung der Veranstaltung der „Harzburger Front“. In der Kurstadt trafen sich damals mehrere rechtsextreme Gruppen. So wurden am Vorabend der Versammlung 26 Personen aus dem Umkreis der kommunistischen Partei in „Schutzhaft“ genommen und ins Wolfenbütteler Gefängnis verbracht.

Scheinerschießungen in Harlingerode

Nach der Machtübertragung auf Hitler und die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) wurde Klagges am 6. Mai 1933 zum Braunschweigischen Ministerpräsidenten ernannt. Noch als Innenminister war er zusammen mit Justizminister Friedrich Alpers und dem Braunschweigischen SS- und Polizeiführer Friedrich Jeckeln verantwortlich für brutale Überfälle und Misshandlungen politischer Gegner im ganzen Land Braunschweig, insbesondere Sozialdemokraten und Kommunisten. Unter anderem fand solcher Terror in Harlingerode statt, Gegner wurden gefoltert und mit Scheinerschießungen bedroht. Nach 1945 wurde Klagges unter anderem dafür zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.

Schon vor 1933 trat der NS-Mann häufig als Propaganda-Redner auf. In Harlingerode wurde eine Straße nach ihm benannt. In der Harz-Region und speziell in Harzburg übernahm Klagges zahlreiche Ehrenämter, unter anderem wurde er Ehrenvorsitzender des Harzburger Rennvereins und er übernahm die Führung des Landesverkehrsverbandes, der ab 1935 die Werbung für „jüdische“ Betriebe verbot. Die im Kalten Tal veranstalteten Mitternachtsmusiken – „aus dem Geiste des Nationalsozialismus geboren“ zitierte die Harzburger Zeitung am 17. Mai 1935 den Ministerpräsidenten – fanden unter seiner Schirmherrschaft statt. Im Juli 1935 weihte Klagges das nun vom Land Braunschweig übernommene Landgestüt in Bündheim ein, wie die Harzburger Zeitung am 22. Juli berichtete. Im Jahr 1938 wurde er zum Ehrenbürger Bad Harzburgs ernannt, die Harzburger Zeitung titelte am 4. Juli 1938: „Ehrenbürgerrecht dem Förderer unseres Heilbades“.

Das Amtshaus als Dienstsitz

Klagges enge Verbindung zu Bad Harzburg drückte sich unter anderem darin aus, dass er im Bündheimer Schloss – damals noch Amtshaus genannt – einen zweiten Dienstwohnsitz nahm. Darüber geben Akten des Landesarchivs Auskunft. Im August 1938 wurde das Amtshaus an die Braunschweig-Stiftung verkauft. Im Amtshaus wurden Möbel aus dem Braunschweigischen Schloss untergebracht, später auch Kunstwerke aus dem Herzog-Anton-Ulrich-Museum, wofür eine elektrische Sicherungsanlage eingebaut wurde. Die Miete dafür wurde nach einer Entscheidung von Klagges von der Museums- und Bibliotheksstiftung übernommen.
Das Bündheimer Schloss, hier auf einer Ansichtskarte aus dem Jahr 1926, diente Dietrich Klagges als zweiter Dienstsitz.

Das Bündheimer Schloss, hier auf einer Ansichtskarte aus dem Jahr 1926, diente Dietrich Klagges als zweiter Dienstsitz. Foto: Archiv Weber

In einem amtlichen Vermerk vom Oktober 1941 wurde mitgeteilt, „dass das Amtshaus in Bündheim eine Art zweiter Dienstsitz des Herrn Ministerpräsidenten Klagges ist. Der Herr Ministerpräsident pflegt mehrere Monate im Jahre dort zu verbringen und in den dazu hergerichteten Räumen seine Dienstgeschäfte zu erledigen. Für die Zeit des Aufenthaltes zahlt der Herr Ministerpräsident einen Mietzins, der sich im Jahre auf etwa 3–400,- RM stellt, je nachdem, wie lange der Ministerpräsident in Bündheim Aufenthalt genommen hat.“ Der genaue Zeitpunkt, wann das Amtshaus zum zweiten Dienstsitz wurde, sei auf der Grundlage der eingesehenen Akten nicht festzustellen, schreibt Weber.

Parallel zum zweiten Dienstsitz ihres Mannes mietete Klagges Frau Amalie eine Wohnung an der Prinz-Albrecht-Straße gegenüber vom Bündheimer Schloss, die nach 1945 in Dr.-Heinrich-Jasper-Straße umbenannt wurde. Dort waren auch die Kinder der Familie gemeldet. Als Dietrich Klagges 1957 aus der Haft entlassen wurde, zog er in diese Wohnung.

„Unbelehrbarer Nationalsozialist“

Dietrich Klagges blieb bis zu seinem Tod 1971 ein unbelehrbarer Nationalsozialist, schreibt Weber. Es stelle sich deshalb die Frage, wie ein Raum wie das Bündheimer Schloss mit dieser Geschichte und Verknüpfung mit dem Nationalsozialismus heute einer Partei zur Verfügung gestellt werden könne, die nicht nur die Verbrechen des Nationalsozialismus verschleiert und verharmlost, sondern ideologisch an den NS anknüpft. „Ein wenig historisches Gespür bei den politisch Verantwortlichen sollte dazu führen, das in Zukunft zu verhindern“, so Weber.

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