Aufwühlendes Preisträgerkonzert im Goslarer Kreishaus

Das Amelio-Trio bestreitet das Preisträgerkonzert des Internationalen Musikfestes. Im Kreishaus spielen (v.li.) Johanna Schubert, Philipp Kirchner und Merle Geißler. Foto: Kempfer
Sie sind jung, sie sind hervorragend, und sie lieben Goslar: Das Amelio-Trio lieferte am Donnerstag eine erstaunliche Kostprobe ihres Könnens und Engagements beim Konzert im Kreishaus ab. Geboten wurden Beethoven, Mendelssohn und Charles Ives.
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Goslar. Ein rundum gelungenes Konzert präsentierte das junge Amelio-Trio am Donnerstag im Kreishaus. „In jedem Jahr soll jetzt ein Vorjahresensemble der Konzertarbeitswochen zu Gast im Musikfest sein“, sagte Prof. Johannes Krebs in seiner Begrüßung. Das Amelio-Trio war vergangenes Jahr zu Gast – und ist in diesem Jahr ein „Wiederholungstäter“: Die Violinistin Johanna Schubert, die Cellistin Merle Geißler und der Klavierspieler Philipp Kirchner lassen sich erneut als Ensemble von Prof. Oliver Wille schulen.
Am Donnerstag gab es ein Konzertprogramm, das ein Wunschkonzert hätte sein können – samt Überraschung. Zwischen dem „Geistertrio“ von Ludwig van Beethoven und einem Trio von Mendelssohn-Bartholdy war eine Komposition von Charles Ives eingebettet, in jeder Beziehung ungewöhnlich, aber sehr hörenswert: Der Komponist war hauptberuflich in einer Versicherung tätig, erklärte Klavierspieler Philipp Kirchner im Nachhinein. Die Komposition entstand im Nachgang zu Ives Musikstudium, er komponierte frei heraus und ließ seiner Kreativität freien Lauf, weshalb sein Kompositionsstil wohl auch in kein Muster passte – das macht es heute noch so ungewöhnlich. Die Musiker spielten dieses Klaviertrio S. 86, als würden sie es durchleben und durchleiden, ein Ritt durch die Partitur, leidenschaftlich, mit Anklängen von Jahrmarktmusik, dann ein jagendes Crescendo, das plötzlich nahezu zärtlich ausklingen will, dann aber erst noch bedrohliche Anklänge integriert, bevor der überraschend humorvolle Schluss dem Ganzen ein der Komposition adäquat ungewöhnliches Ende setzt. Applaus.
Furioser Auftakt ins Reich der Klassik
Natürlich war auch der Beethoven (Klaviertrio D-Dur op. 70,1) schon ein Fest und ein furioser Auftakt, der alle von der Müh und Plage des Alltags ins Reich der Klassik holte. Die schnellen Wechsel zwischen fast schon hastigen Partien und einlullend elegischen Passagen im Allegro gelangen bestens, nirgends konnte sich der Zuhörer einrichten. Im Largo gab jedes Instrument einmal den Ton an, bevor sich alles harmonisch zum Steigern der Dramatik zusammenfügte: Jedem Stummfilm hätte das aufwühlende Spiel zum großen Spannungsbogen verholfen. Beim Presto schienen die Bögen von Geige und Cello nur so zu fliegen, kam das Thema immer wieder schön raus, ein Genuss. Das war auch der Mendelssohn-Bartholdy, auch wenn einige Brahms-Fans die kurzfristige Programm-Änderung bedauerten. Das Klaviertrio Nr. 2 C-Dur op 87 dürfte sie entschädigt haben, denn der Komponist, der „keiner Erklärung bedarf“ (Kirchner), hat mit diesem Trio ein Stück zum Schwelgen geschrieben – und das tat das Publikum dann auch. Nach begeistertem Applaus und Blumen gabs noch ein Beethoven-Allegretto als Zugabe. Stimmen: „Ich hab total vergessen, zu atmen“, sagte eine Zuhörerin. „Mein Mann übt auch jeden Tag, aber...“ fuhr eine weitere Dame mit Augenzwinkern fort.