Wöltingerode sucht Wege aus der Verpackungsflut

Moderatorin Cosima Schmitt begrüßt die Gäste der Auftaktveranstaltung zur europäischen Woche der Abfallvermeidung (vorn von rechts): die Professoren Dr. Sabrina Zellmer und Dr. Daniel Goldmann, Marc Lahmann, Landesgeschäftsführer Verband kommunaler Unternehmen, Umweltstaatssekretärin Anka Dobslaw, Matthias Wunderling-Weilbier, Staatssekretär aus dem Ministerium für Europaangelegenheiten, und stellvertretender Landrat Bodo Mahns. Foto: Stade
Die europäische Woche der Abfallvermeidung ist eine Initiative, die das Bewusstsein dafür schärfen soll, Müll zu vermeiden. Das Land Niedersachsen beging den Auftakt in diesem Jahr mit den Kreiswirtschaftsbetrieben Goslar im Kloster Wöltingerode.
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Wöltingerode. 159 Kilo Hausmüll hat laut Statistischem Bundesamt jeder Einwohner 2021 produziert, dazu kommen Altpapier, Bioabfälle und Verpackungen, die im gelben Sack landen. „Wir leben noch immer in einer Wegwerfgesellschaft“, sagte Thomas Ebert kürzlich in der GZ, Betriebsleiter der Kreiswirtschaftsbetriebe Goslar. Wie Wege aus dieser „Wegwerfgesellschaft“ aussehen könnten, das haben Experten jetzt in Wöltingerode diskutiert.
Matthias Wunderling-Weilbier etwa, Staatssekretär im Landesministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten, sieht Niedersachsen und die Region zwischen Wolfsburg, Braunschweig und Goslar zwar vor enormen Herausforderungen, aber Wissenschaft, Wirtschaft, Verbände und Kommunen würden vorbildlich zusammenarbeiten. Die „Circular Region“ in Südostniedersachsen, die sich mit Fragen der Kreislaufwirtschaft beschäftigt, sei nicht nur ein „Leuchtturm“ für die Region und für Niedersachsen, sondern sogar für Europa.
Überaus positiv
Wunderling-Weilbier, der die Sache möglicherweise schon allein qua Amt so überaus positiv bewertet, vertrat das Land beim Auftakt zur Europäischen Woche der Abfallvermeidung. Niedersachsen startete am Montag im Kloster Wöltingerode in die Aktionswoche.

Michael Banse von den Goslarschen Höfen zeigt auf seinem T-Shirt, dass es sich lohnt, ausrangierte Kleidung wiederzuverwerten. Foto: Stade
Das Motto lautete „Clever verpacken – Lösungen gegen die Verpackungsflut“. Wie solche Lösungen aussehen könnten, demonstrierten einige Aussteller im Kreuzgang des Klosters. Die Goslarschen Höfe etwa nehmen nicht nur Altkleider an, die sie weiterverkaufen und an einen Verwerter weitergeben. Ihre Hof-Hilfe repariert zudem Kleingeräte, die sonst möglicherweise im Hausmüll landen würden.
Zu groß verpackt
Mit einem Stand präsentiert haben sich die Harzer Kartonagen aus Astfeld. Ohnehin seien bereits80 Prozent des Metarials recycelbar, welches in dem Unternehmen verarbeitet wird, berichtete Geschäftsführer Uwe Borsutzky. Bei Verpackungen des Unternehmens, die dafür sorgen sollen, dass die Produkte „heil und sicher ankommen“, zähle vor allem eine andere Frage: Viele Transportverpackungen seien zu groß, es könne also noch Material gespart werden. Und bei der aufwendigen Verpackung von „weißer Ware“, Kühlschränken und Waschmaschinen, komme es darauf an, Produkte auf den Weg zu bringen, die wiederverwertbar seien.
Die Veranstaltung in Wöltingerode ist eine jährliche Initiative, die helfen soll, das Bewusstsein für Abfallvermeidung zu schärfen, ein Stichwort, das mehrere Redner aufnahmen. Thomas Ebert von den Kreiswirtschaftsbetrieben wünschte sich, dass das Mehrwegsystem gestärkt und ausgeweitet wird und die Anreize beim Pfand auf ein „kritisches Level“ heraufgesetzt werden, sodass es mehr schmerzt, wenn Pfandflaschen entsorgt und nicht zurückgebracht werden. Verzichtet werden könne auf Verpackungen, vor allem bei vielen Obst- und Gemüsesorten. Und warum, fragte Ebert, können Kaffeebecher, die Menschen mit sich herumtragen, um den Kaffee im Gehen zu konsumieren, nicht auch in Goslar per Pfand zurückgegeben werden, wenn diese aus Hamburg stammen?
Ein weiterer Aspekt, der immer wieder angesprochen wurde, lautete: Mehr recyceln und Verpackungsmüll zu vermeiden, das müsse noch stärker im Bewusstsein der Konsumenten verankert werden. Das erklärten etwa die ProfessorenDr. Daniel Goldmann, Vizepräsident der TUClausthal, sowieDr. Sabrina Zellmer von der TUBraunschweig. Goldmann erinnerte an den vor einigen Jahren gegründeten „Rewimet“-Verbund“, ein Recycling-Netzwerk, das weit über die Region hinausreicht. Zellmer stellte die Initiative „Circular Cities and Regions“ in Südostniedersachsen vor. Marc Lahmann, Landesgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen, und stellvertretender Landrat Bodo Mahns hatten die rund 50 Gäste begrüßt. Dass es auch anderswo Recycling-Initiativen gibt, beschrieb Paul Musenbrock. Er stellte die Cradle-to-Cradle-Modellregion Nordost-Niedersachsen vor, eine Kreislaufwirtschaft, die umfassende Zusammenhänge berücksichtigt.
Pflicht für Restaurants
An einer Podiumsdiskussion beteiligten sich außerdem Josephine Stein von der „Wolfsburg Wirtschaft und Marketing GmbH“ sowie Umweltstaatssekretärin Anka Dobslaw. Sie sah trotz der grundsätzlich sehr positiven Betrachtung von Matthias Wunderling-Weilbier noch Möglichkeiten, stärker einzugreifen. Bei der von der EU-Mehrwegangebotspflicht für Speisen und Getränke etwa gebe es vor allem bei „kleinen Restaurants“ noch Probleme, Mehrwegverpackungen anzubieten. Das Land wolle schauen, dass die Pflicht „bestmöglich“ umgesetzt wird. Allerdings wolle man auch nicht gleich zu streng sein.