Wildunfälle: Jetzt steigt die Gefahr wieder

Ein Reh überquert in der Abenddämmerung eine Landstraße. Derzeit ist die Gefahr von Wildunfällen besonders groß. Foto: dpa
Im Landkreis Goslar wurden der Polizei im vorigen Jahr 529 Wildunfälle gemeldet, doch die Dunkelziffer ist nach Ansicht von Experten weitaus größer. Jetzt im April und im Mai ist das Risiko eines Wildunfalls besonders groß.
Für nur 0,99 € alle Artikel auf goslarsche.de lesen
und im ersten Monat 9,00 € sparen!
Jetzt sichern!
Harz. April und Mai gelten als Monate, in denen die Gefahr eines Wildunfalls besonders groß ist. Experten mahnen Autofahrer daher zu besonderer Vorsicht. Wie zur Bestätigung meldete die Polizei am Wochenende einen durch Wild, das auf der Straße stand, verursachten Unfall auf der B241 an der Sennhütte bei Goslar.
Für die Wildunfallgefahr gibt es mehrere Gründe. Viele Wildtiere sind im Frühjahr auf Nahrungssuche und überqueren dabei Straßen oder halten sich an deren Rändern auf. Lutz-Michael Renneberg, Vorsitzender der Jägerschaft Goslar, weist außerdem auf Revierkämpfe von Rehböcken hin. Ende Juli bis Mitte August folgt dann die Brunft- und Fortpflanzungszeit. Eine Statistik des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zeigt zudem, dass im Oktober, November und Dezember die Windunfallgefahr abermals steigt.
Anja Käfer-Rohrbach, stellvertretende GDV-Hauptgeschäftsführerin, erklärt: „Mit der Zeitumstellung ist der Berufsverkehr wieder mehr in die Zeit der Dämmerung gerückt.“ Vor allem dann seien viele Tiere unterwegs. Vorausschauendes Fahren helfe, „sich und andere bei Wildwechsel nicht zu gefährden“.
Immer bremsbereit
Im waldreichen Harz sollte die Gefahr von Kollisionen mit Rehen oder Wildschweinen ohnehin bekannt sein. Anja Käfer-Rohrbach sagt, vor allem „in Waldabschnitten und an Feldrändern“ sollten Autofahrer besonders vorsichtig fahren und immer bremsbereit sein: „Je höher die Geschwindigkeit, desto größer ist die Wucht, mit der Wild in den Pkw einschlägt.“
Ausweichmanöver seien nicht ratsam: „Die Kollision mit einem anderen Auto oder einem Baum ist in der Regel gefährlicher als der Zusammenprall mit einem Wildtier.“ Ist ein Aufprall mit einem Tier nicht mehr vermeidbar, sollte eine Vollbremsung erfolgen. Dazu rät die GDV-Expertin, das Lenkrad fest in den Händen zu halten.
Auch für den Moment, wenn Tiere am Straßenrand oder auf der Fahrbahn stehen, gibt es Verhaltenstipps. Wer Rehe, Hirsche oder einen Fuchs auf der Straße sieht, sollte das Licht abblenden, bremsen und hupen. So könnten die Tiere verscheucht werden. Vor Fernlicht und Lichthupe warnt der GDV: „Geblendete Tiere laufen nicht weg, sondern bleiben stehen.“
Aufmerksam bleiben
Der ADAC rät Autofahrern, die Straßenränder unterwegs im Auge zu behalten. Zudem sollten sie einen Sicherheitsabstand zum Fahrbahnrand rechts einzuhalten. Stets müsse damit gerechnet werden, dass nicht nur ein Tier, sondern mehrere über die Straße laufen.
Nach einem Wildunfall gibt es klare Verhaltensregeln: Warnblinkanlage einschalten, eine Signalweste überziehen, Warndreieck aufstellen und die Polizei benachrichtigen. Ein verletztes oder totes Tier sollte nicht angefasst werden, heißt es in den Empfehlungen von ADAC und GDV weiter. Das sei die Aufgabe des Försters oder Jagdpächters. Wildschäden am Auto durch Rehe oder Wildschweine begleicht laut GDV die Voll- beziehungsweise Teilkaskoversicherung. Wer nur eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat, „muss die Schäden an seinem eigenen Auto nach einem Wildunfall selbst zahlen“, schreibt der GDV weiter.
Allein im Jagdjahr 2022/2023 hat es in Niedersachsen 28.210 Wildunfälle gegeben, schreibt der ADAC unter Berufung auf den Jagdverband. Zu mehr als 90 Prozent kommt es zu Kollisionen mit Rehen.
Hohe Dunkelziffer
Im Landkreis Goslar wurden der Polizei im vorigen Jahr 529 Wildunfälle gemeldet, 2022 waren es 533 und im Jahr zuvor 473. Zusammenstöße mit Wild sind für die Polizei Goslar „ein nicht zu unterschätzender Teil der täglichen Arbeit“, heißt es im Verkehrssicherheitsbericht.
Jäger Lutz-Michael Renneberg geht davon aus, dass die Zahl der auf Straßen überfahrenen Tiere deutlich höher ist. Autofahrer, die Alkohol getrunken haben, oder nur haftpflichtversichert sind, aber keine Kaskoversicherung abgeschlossen haben, würden mitunter nicht melden, wenn sie ein Tier angefahren haben. Auch mancher Lastwagenfahrer, vermutet er, fahre weiter, weil am Fahrzeug kein Schaden entstanden sei.
An Straßen mit vielen Wildunfällen stehen Schilder, die vor Wildwechsel warnen. An einigen Stellen haben die Jägerschaften in der Vergangenheit Reflektoren und Schwämme angebracht, die für die Tiere unangenehm riechen und sie vertreiben sollen. Die Kombination von Reflektoren und der Abschreckung durch den Geruch von Raubtieren und dem Menschen hält Lutz-Michael Renneberg für eine gute Sache, weil damit auch tagsüber Tiere von den Straßen ferngehalten werden könnten. Die Reflektoren allein würden hingegen nur in der Dämmerung wirken.
Neue Technik

Ein Verkehrsschild warnt vor Wildwechsel. Jäger Lutz-Michael Renneberg aus Goslar hält solche Schilder für wirkungslos. Foto: dpa
Renneberg plant derweil einen Vorstoß. Für wirkungslos hält er nämlich die herkömmlichen Wildwechsel-Warnschilder. Weil sie das gesamte Jahr über zu sehen sind, entstehe ein Gewöhnungseffekt bei den Autofahrern, die Schilder würden nicht mehr beachtet. Er schlägt vor, nur in solchen Monaten Schilder aufzustellen, wenn tatsächlich Gefahr droht, oder Warnhinweise zu verwenden, die aufleuchten und Gefahr signalisieren. Es gebe sogar schon Schilder, die leuchten, wenn sich Wild in der Nähe aufhält. Über solche Möglichkeiten will er mit der Polizei, Versicherungen und dem Landkreis sprechen.
Eine Übersichtskarte der Polizeiinspektion Goslar zeigt, dass es im gesamten Landkreis zu Wildunfällen kommt. Als besonders gefährliche Strecken nennt Lutz-Michael Renneberg unter anderem die Route zwischen Goslar und Vienenburg am Krähenholz, die B241 von Goslar in Richtung Auerhahn und die Verbindung zwischen Heißum und Dörnten.