Vor 125 Jahren: So entstand die neuapostolische Kirche Harzburg

Das Kirchengebäude der neuapostolischen Gemeinde in der Straße „Unter den Linden“ heute... Fotos: Exner
Heute hat sie mehr als 150 Mitglieder, zu Beginn war es ein einziger Mann, der die neuapostolische Auslegung des christlichen Glaubens nach Bad Harzburg brachte. 125 Jahre ist das her. Was damals geschah und wie die Gemeinde diesen Geburtstag feiert.
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Bad Harzburg. Mit einem Festakt am 9. Juli feiert die neuapostolische Gemeinde Bad Harzburg in diesem Jahr ihr 125-jähriges Bestehen. Bis heute vom einen oder anderen skeptisch betrachtet, hat sich die christliche Glaubensgemeinschaft unter den Gemeinden der Kurstadt mittlerweile fest etabliert. Ihren Sitz hat sie heute in der Straße „Unter den Linden“ in Bündheim, was jedoch nicht immer so war.
Unterschiede nicht groß
Ihren Ursprung hat die Neuapostolische Kirche in der schottischen Erweckungsbewegung Anfang des 19. Jahrhunderts. Und doch gilt sie als „deutsche“ Kirche. Das Jahr der eigenen Gründung datiert sie auf das Jahr 1863, als sie sich nämlich in Hamburg von der katholisch-apostolischen Kirche trennte. Nur ein Jahr später formierte sich auch in Schladen eine neuapostolische Gemeinde.
Von dort ausgehend wurden die ersten Gottesdienste Ende des 19. Jahrhunderts unter anderem in Stapelburg, Ilsenburg oder Darlingerode gefeiert. August Oelmann war es, der um 1890 herum von Darlingerode nach Bad Harzburg zog. Er hatte auch die Ideen der Neuapostolischen Kirche mit im Gepäck.

...und auf einer zeitgenössischen Aufnahme nach dem Bau 1926 – noch ohne Anbau.
Riesig waren und sind die Unterschiede zur evangelischen und katholischen Kirche wahrlich nicht. Der wohl Markanteste: Für die neuapostolischen Christen steht Jesus Christus im Mittelpunkt der Bibel. Sie erwarten schon in naher Zukunft seine Wiederkunft. Darauf bereiten sie sich vor. Im Wesentlichen geht es aber auch der Neuapostolischen Kirche darum, das Wort Gottes zu verbreiten. Die Neuapostolische Kirche finanziert sich durch Spenden und nicht durch die Kirchensteuer. Ihre Amtsträger arbeiten zudem ehrenamtlich und haben in der Regel kein Theologiestudium absolviert.
In August Oelmanns Wohnhaus in der Straße „Am Kupferbach“ wurde 1897 der erste neuapostolische Gottesdienst in Bad Harzburg gefeiert. Nach einem zwischenzeitlichen Verbot durch die Behörden hielt die neue und stetig wachsende Gemeinde ab 1906 ihre Versammlungen im Haus Felicitas, der ersten Privatschule der Kurstadt, ab. Dort feierte man 1912 auch die erste Konfirmation und es wurden erste Versuche gestartet, einen eigenen Chor zu gründen.
Innerhalb von zehn Jahren verdoppelte sich die Zahl der Mitglieder, die während dieser Zeit ins Haus der Familie Brandes ins Krodotal umzogen. Ihre Räumlichkeiten wurden der Neuapostolischen Gemeinde auch dort schnell zu eng. In der damaligen Lindenstraße errichtete man deshalb 1926 ein eigenes Kirchengebäude.
Fester Bestandteil
Heute hat die neuapostolische Gemeinde Bad Harzburg 154 Mitglieder, Vorsteher ist seit gut zwei Jahren Ralf Pilgrim. Es gibt einen Gemeindechor und einen Flötenkreis, regelmäßigen Religions- und Konfirmandenunterricht. Einmal im Jahr richtet die Gemeinde ein Fest aus, und das jetzt anstehende Jubiläum haben gut 25 Gemeindeglieder organisiert. Beim einen oder anderen mag gegenüber der Glaubensgemeinschaft aufgrund ihres geschichtlichen Hintergrunds noch eine gewisse Skepsis herrschen, über die Jahre habe sich allerdings die Zusammenarbeit mit den anderen Gemeinden Bad Harzburgs intensiviert, berichten Ralf Pilgrim und Bischof i.R. Rainer Knigge. Gut die Hälfte aller Mitglieder der Bad Harzburger Tobias-Gemeinschaft beispielsweise würden heute der neuapostolischen Kirche angehören. Und der Weltgebetstag im kommenden Jahr solle in Kooperation mit der Kirchengemeinde Bündheim begangen werden. „Uns verbindet das Christsein. Und wir wollen unsere Gemeinsamkeiten betonen“, sagt Pilgrim.

Ralf Pilgrim (l.) ist seit gut zwei Jahren Gemeindevorsteher, Bischof Rainer Knigge zwar bereits im Ruhestand, aber auch er bringt sich nach wie vor stark in der Gemeinde ein – unter anderem mit Öffentlichkeitsarbeit.
Um den über die Jahrzehnte gewachsenen Bedürfnissen der Gemeinde zu begegnen, war das Kirchengebäude in der Straße „Unter den Linden“ bereits 1980 umgebaut worden. Heute gibt es dort mehr Platz, Gottesdienste werden mittlerweile auch in Echtzeit übertragen. Es gibt einen separaten Mutter-Kind-Raum, in dem Frauen ihren Nachwuchs betreuen und durch eine Glasscheibe und einen Lautsprecher gleichzeitig den Gottesdienst verfolgen können. Zwischen 20 und 30 Gemeindeglieder würden diesen im Schnitt jeden Sonntag besuchen, berichtet Gemeindevorsteher Pilgrim. Während der Urlaubssaison kämen zudem auch Gäste aus anderen neuapostolischen Gemeinden.
Im Verhältnis zur Anzahl der Gemeindeglieder ein hoher Schnitt. Dennoch haben die neuapostolischen Christen dieselben Probleme, wie auch die evangelische oder katholische Kirche: einen hohen Altersdurchschnitt, rückläufige Mitgliederzahlen und in der Folge Zusammenschlüsse von Gemeinden. Heute zählt die Neuapostolische Kirche weltweit rund 10 Millionen Mitglieder, 350.000 davon leben in Deutschland.
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