„Uffm Wasser“: Wenn sich bei Seesen die Erde auftut
Still ruht der See im Gebiet des Erdfalls, der sich im Oktober 2022 im Amtsgerichtspark aufgetan hat. Foto: Privat
Das Städtisches Museum zeigt ab sofort eine Ausstellung zu aktuellen und historischen Erdfall-Phänomenen in Seesen. Außerdem ruft Museumsleiter Dirk Stroschein zur Einreichung weiteren Archivmaterials auf. Zugleich erscheint eine Broschüre zum Thema.
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Seesen. Schon in der topografischen Beschreibung Seesens bei Matthäus Merian im Jahr 1654 wird die besondere Seenlandschaft bei der Siedlung behandelt und kommt man wegen der vermeintlichen Unergründlichkeit zu dem Ergebnis, „daß der grund deß Orts uffm Wasser stehen müsse“. Dass die auffällige Häufung von – mit Wasser gefüllten – Erdlöchern im Stadtgebiet auch einen geologischen Grund hat, ist lange bekannt. Aus aktuellem Anlass hat das Städtische Museum eine Ausstellung zum Phänomen Erdfall zusammengestellt, die ab sofort und bis 26. März zu sehen ist.
Auf der Galerie im Obergeschoss des ehemals herzoglichen Jagdschlosses wird zum einen anhand von Fotos und Artikeln eine Chronik der Ereignisse um den jüngsten Erdfall vom Juni vergangenen Jahres im Amtsgerichtspark gezeichnet.
Reddekolk und Silberhohl
Daneben werden aus dem Bestand des Museumsarchivs einzelne Dokumente und Bilder vergangener Erdfälle in Seesen präsentiert – inklusive der historisch bedeutendsten Erdfälle Reddekolk und Silberhohl sowie aus dem Bereich des Bahnhofs. „Das uns bisher in unserem Archiv vorliegende Material zum Thema Erdfall ist nur punktuell auf einzelne Ereignisse bezogen und systematisch insgesamt lediglich lückenhaft vorhanden“, stellt Museumsleiter Dirk Stroschein nach einer Überprüfung aus Anlass der jüngsten Ereignisse fest. Um dies zu ändern und die Materiallage der Archivdokumentation für die Zukunft zu verbessern, ruft er die Bevölkerung nun zur Mitarbeit auf.
Was wirkt, wie eine ausgehobene Grube für einen Sandkasten, ist der Erdfall aus dem Jahr 1976 im Park des Amtsgerichts. Foto: Archiv Städtisches Museum
Passend zur Ausstellung ist zudem gerade unter dem Titel „Seesen und seine Erdfälle“ ein historisch-geologischer Überblick in Broschürenform erschienen. Verfasst wurde er von Rainer Hartmann aus Göttingen und Firouz Vladi aus Osterode am Harz, herausgegeben vom Förderverein Deutsches Gipsmuseum und Karstwanderweg e.V. Die Autoren waren beim aktuellen Erdfall hinter dem Amtsgericht als Gutachter tätig und mussten bei ihren Recherchen feststellen, dass trotz der mehrere Hundert im weiteren Stadtgebiet nachgewiesenen Erdfälle bisher offensichtlich keine die Geologie und die Stadtgeschichte zusammenschauende Bearbeitung oder Veröffentlichung vorlag.
Mit vielen Abbildungen
Sie führen anschaulich aus, wie die Quellen an der St.-Annen-Straße sowie in und an der Seckau mit aufgelöstem Gipsgestein gesättigt sind. Deren Wässer erzeugen auf ihrem Weg von der weiter oberhalb permanent versickernden und im Sommer ganz trockenfallenden Schildau jährlich allein ein Hohlraumvolumen von rund 400 Kubikmeter im Untergrund, der zwischen Schloss, Reddekolk und Bahngelände höchst instabil ist und in der tausendjährigen Geschichte der Stadt schon zu manchen Einbrüchen der Erde geführt hat. Viele davon wurden später mit Boden oder Bauschutt verfüllt. Aber die Erde lebt!
Die 16-seitige Broschüre mit zahlreichen Abbildungen ist im Museum für 5 Euro erhältlich.