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Neue Biografie von Michael Kempe

So hat Zellerfeld die Philosophie von Leibniz geprägt

In einem Zimmer in der Bornhardtstraße hat der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz vermutlich gewohnt, wenn er im 17. Jahrhundert im Oberharz war. Foto: GZ-Archiv

In einem Zimmer in der Bornhardtstraße hat der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz vermutlich gewohnt, wenn er im 17. Jahrhundert im Oberharz war. Foto: GZ-Archiv

Eine neue Biografie widmet dem Aufenthalt des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz im Oberharz ein ganzes Kapitel. Der Historiker und Leibniz-Experte Michael Kempe kommt dabei zu überraschenden Schlüssen zur Bedeutung des Harzes für Leibniz.

Von Silke Römhild Mittwoch, 06.04.2022, 14:35 Uhr

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Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) ist als ein Universalgelehrter bekannt. Kaum ein Wissensgebiet seiner Zeit, das ihn nicht interessiert, kein Forschungsgegenstand, den er nicht voranzubringen versucht hätte. Dass er sich zwischen 1680 und 1686 auch mehr als dreißigmal im Oberharz aufgehalten hat, um den Bergbau zu optimieren, spiegelt sich nicht nur in der nach ihm benannten Straße in Clausthal-Zellerfeld, sondern seit einigen Jahren auch im Leibniz-Erkenntnisweg in und um die Berg- und Universitätsstadt.

Wie wichtig aber die Aufenthalte in der Bergbauregion für den Gelehrten tatsächlich waren, verdeutlicht jetzt eine neue Biografie, die Ende Februar im Fischer-Verlag erschienen ist. Der Historiker und Leibniz-Experte Michael Kempe zeichnet die wichtigsten Etappen im Leben des Rundum-Genies anhand von sieben Kapiteln nach, die er jeweils einem konkreten Ort und Datum zuordnet. Das zweite Kapitel behandelt den 11. Februar 1686 in Zellerfeld.

Draußen habe klirrende Kälte geherrscht, „die Nächte sind lang, die Tage meist neblig und dunkel.“ (S. 61f.) Ob die Kinder an einem Montag im 17. Jahrhundert tatsächlich Zeit hatten, auf dem Unteren Eschenbacher Teich Schlittschuh zu laufen (S. 75), sei einmal dahin gestellt. Fest steht aber, dass die Wintertage im Oberharz Leibniz Gelegenheit gaben, über die Grundlagen seiner Philosophie nachzudenken.

Von Zellerfeld aus, wo er vermutlich „ein Zimmer in einem der mit Schieferschindeln bedeckten Häuser in der heutigen Bornhardtstraße bezogen“ (S. 64) hatte und immer wieder die Glocken der St.-Salvatoris-Kirche hören konnte, schickt er eine kleine Abhandlung über Metaphysik an zwei Gelehrte, von denen er sich Rückmeldung erhofft. Darin geht es um das, was die Welt im Innersten zusammenhält: „Es geht um Fragen zur Existenz Gottes und zur Verfasstheit der Welt, um das Rätsel der menschlichen Freiheit, um den Ursprung des Übels und um die Erlösung durch Jesus Christus.“ (S.72)

Die Leibniz-Biografie von Michael Kempe ist Ende Februar erschienen.  Foto: Verlag

Die Leibniz-Biografie von Michael Kempe ist Ende Februar erschienen. Foto: Verlag

Michael Kempe macht deutlich, dass es gerade die Abgeschiedenheit des winterlichen Oberharzes war, die diese konzentrierte Arbeit an den „großen Stolpersteinen der christlichen Philosophie abendländischer Tradition“ ermöglichte.

Nur etwa einmal pro Woche bekam Leibniz Fortschrittsberichte des von ihm beauftragten Zimmermeisters über die bislang wenig viel versprechenden Experimente mit der Endloskette im Bergwerk. „Über diese unvermeidlichen Pausen ist er mehr als froh – und er weiß sie bestens zu nutzen.“ (S. 71)

Mit dieser Einschätzung stellt sich Kempe gegen die bis heute weit verbreitete Meinung, Leibniz sei durch das mühsame Geschäft des Harzer Bergbaus von seinem eigentlichen Herzensanliegen, der Begründung einer eigenen Metaphysik, abgehalten worden. Und der Autor geht sogar noch einen Schritt weiter: Leibniz‘ Arbeit am Harzer Bergwerkswesen habe seine theoretische Philosophie nicht nur nicht behindert, sondern ihm dabei im Gegenteil sogar geholfen. Denn die Formung und Mitgestaltung des Weltgeschehens durch den Menschen ist integraler Bestandteil von Leibniz‘ optimistischer Weltsicht. Der Schöpfer kann dabei als Ingenieur verstanden werden: „An dieser Stelle überschneiden sich nun Leibniz‘ metaphysische Reflexionen mit seinen Vorstellungen als Ingenieur der Harzer Bergbautechnik.“ (S. 84)

Michael Kempe: Die beste aller möglichen Welten, Fischer Verlag 2022, 352 Seiten, ISBN: 978-3-10-000027-9, 24 Euro.

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