Sigmar Gabriel sieht nur eine Chance für Europa

Ex-Außenminister Sigmar Gabriel fordert die „Einheit Europas“, damit der Kontinent nicht in weltpolitscher Bedeutungslosigkeit versinke. Der Goslarer Ehrenbürger hielt auf Einladung der Stiftung Hahnenklee einen Vortrag in der Stabkirche.
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Hahnenklee. Wenn es nach Sigmar Gabriel geht, hat Europa nur eine Chance, um nicht in großer Bedeutungslosigkeit zu versinken. „Einheit“ heißt das Zauberwort, das der ehemalige deutsche Außenminister, Vizekanzler und SPD-Chef in der Hahnenkleer Stabkirche bemüht. Und darum stehe es in einer „Welt der Unordnung“ gar nicht mal so gut.
„Europa in unbequemen Zeiten“ lautete der Titel des Vortrags, den das Kuratoriumsmitglied Gabriel auf Einladung der Stiftung Hahnenklee in der Stabkirche hielt. Die aktuellen deutsch-französischen Spannungen betrachte er mit Sorge, sagte der Goslarer Ehrenbürger. Das nutze am Ende nur einem, „und der sitzt in Moskau“. Der Angriffskrieg Wladimir Putins auf die Ukraine habe viele unbequeme Wahrheiten ans Tageslicht gefördert: „Viele, auch ich, haben gedacht, dass die Zeit der großen europäischen Konflikte vorüber sei“, räumte Gabriel ein.
Fokus der USA liegt auf Pazifik
Der russische Präsident habe die „Chance gewittert“, weil Europa sich politisch zunehmend aufspalte, eben nicht als Einheit auftrete und dadurch viel riskiere. „Die wirtschaftlichen Achsen haben sich verschoben.“ Gabriel, der sich als Vorsitzender der Atlantikbrücke der Beziehungspflege zwischen Europa und den Vereinigten Staaten verschrieben hat, betont, dass die USA sich mehr und mehr auf ihren Einfluss am Pazifik fokussieren würden. Der „große Konkurrent“ heiße China. Russland habe nach dem Aus der Sowjetunion eher die Bedeutung „einer großen Tankstelle“.

Sigmar Gabriel spricht in der Hahnenkleer Stabkirche über den Zustand Europas. Foto: Roß
Das wolle Putin ändern, indem er den Weg zurück ins „zaristische Russland“ suche. „Da spricht ein weißer General“, sagt Gabriel. Am Ende eines wohl noch lange andauernden Krieges werde Russland jedoch „ein Schatten seiner selbst sein“. Europa schaue zu, wie sich die globalen Machtverhältnisse verschieben, und müsse aufpassen, bald nicht nur noch ein Spielball zu sein. Gabriel vermisst bei deutschen Spitzenpolitikern ein Gespür dafür. „In Deutschland machen wir oft Politik, damit wir uns wohlfühlen.“
"Was soll diese Provokation?"
Er selbst habe etwa „eine ziemlich bösartige Haltung“ dazu, wenn Bundestagsabgeordnete symbolträchtige Reisen nach Taiwan unternehmen, um ihre Unterstützung im Konflikt mit China zu demonstrieren. „Was soll diese Provokation?“, fragt der Ex-Außenminister, der übrigens auch in Sachen Fußball-WM in Katar deutliche Worte verliert: „Die deutsche Arroganz gegenüber Qatar ist ’zum Ko...‘!“, twitterte Gabriel einen Tag nach seinem Hahnenklee-Auftritt. Dieser Satz dürfte in den kommenden Tagen und Wochen vor dem Turnier-Start noch häufiger zitiert werden. Bequemer werden die Zeiten nicht.