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Stadtarchiv stellt historische Apparate aus

Schmuckes und Kurioses aus der Welt der Kamera

In der Sammlung der Historischen Kameras im Stadtarchiv Goslar, von links: Dieter Jacob, Klaus Appelt, Ulrich Albers und Volker Jacob. Foto: Schenk

In der Sammlung der Historischen Kameras im Stadtarchiv Goslar, von links: Dieter Jacob, Klaus Appelt, Ulrich Albers und Volker Jacob. Foto: Schenk

Dieter Jacob hat eine herausragende Sammlung historischer Kameras und will sie wirken lassen – zur Freude des Stadtarchivs, das in den Genuss der Dauerleihgabe kommt und sich an die Dokumentation und Präsentation der Schätzchen macht.

Von Martin Schenk Montag, 08.01.2024, 10:00 Uhr

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Goslar. Dieter Jacob wird einigen älteren Goslarer noch bekannt sein. Der im Jahr 1935 geborene älteste Sohn der Familie Jacob verbrachte seine Schulzeit zusammen mit seinen Geschwistern Gisela und Volker in Goslar. Gewohnt hat die Familie in der Clausbruchstraße und später im Hubertusweg.

Während Dieter Jacob nach der Schulzeit auf der Mittelschule aus Goslar wegging, wird gerade seine Schwester Gisela vor allem der Goslarer Damenwelt etwas sagen. Sie führte lange Jahre zusammen mit ihrem Ehemann Klaus Appelt das Geschäft „Holzberg Dessous“ in der Hokenstraße. Die Ladengestaltung beim Umzug von der Fischemäker- in die Hokenstraße stammt übrigens auch von dem Architekten Jacob. Klaus Appelt war es auch, der vor einiger Zeit im Goslarer Stadtarchiv anfragte, ob es Interesse an historischen Kameras hätte. Sein Bruder, der in Detmold wohnte, würde seine private Sammlung gerne nach Goslar geben, um sie einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Damals plante Archivleiter Ulrich Albers jedoch gerade mit seinen Mitarbeitern den Umzug zum Kulturmarktplatz. Man verabredete sich darauf, nach dem Umzug wieder in Kontakt zu treten.

In Istanbul unterrichtet

Jacob machte eine Ausbildung im Holzbereich, studierte später Architektur und war in einem Büro in Freiburg im Breisgau tätig. Durch Zufall hörte er von einer freien Stelle an der Hochschule für Angewandte Kunst in Istanbul in der Türkei. „Das habe ich interessant gefunden und bin dann in die Türkei gegangen“, dort habe er erst mal die Landessprache lernen müssen – aber ohne Kurse zu nehmen, sondern einfach durch Gespräche auf der Straße und in der Hochschule.

Von 1968 bis 1972 habe er in der Türkei unterrichtet. Da es ihm dann in der Zeit der 1968er Krawalle dort zu unsicher wurde, habe er nach Deutschland zurückkehren wollen. Zwischenzeitlich hatte er in Istanbul auch seine Frau Reinhilt Zitzer-Jacob kennengelernt, die dort als Deutschlehrerin unterrichtete. Beide gingen nach Detmold, wo es eine Stelle als Innenarchitekt für ihn gab. Dort wohnt das Paar heute noch und ist bis vor wenigen Jahren gerne gereist. Immer waren auch Kameras dabei. Allerdings nicht die unhandlichen Holzkameras, sondern Leica-Kleinbildgeräte, die Jacob auch sammelt.

Die Stereo-Kamera der Marke Sands & Hunter Co. London hat zwei Objektive. Foto: Schenk

Die Stereo-Kamera der Marke Sands & Hunter Co. London hat zwei Objektive. Foto: Schenk

Aus den Fotos seiner Reisen zwischen 2000 und 2008 ist ein Buch entstanden, das er in kleiner Auflage innerhalb seiner Familie verteilt hat. Es trägt den Titel „Menschen in der Stadt“ und zeigt großformatige Schwarz-Weiß-Fotos aus den Städten Paris, Venedig und Istanbul, alle aufgenommen mit Leica M6- und M7-Kameras und entsprechenden lichtstarken Objektiven auf Kleinbildfilm. Objekte seiner Momentaufnahmen seien die Bewohner oder Besucher, die das Leben der jeweiligen Stadt widerspiegeln, schreibt der Fotograf im Vorwort seines über 200 Seiten starken Buches.

Angefangen habe seine Sammelleidenschaft für Kameras eigentlich mit einer alten Holzkamera, die er sich wegen des schönen Holzes näher angeschaut habe. Sie war so gut verarbeitet, dass er sie sich gekauft habe, berichtet Jacob. Wo das war, wisse er gar nicht mehr so genau. In den Jahren entdeckte er bei Auktionen immer mehr Geräte, die ihn interessierten. Die russische Reisekamera „Bruno Zenger, St. Petersburg“ erstand er auf einem Trödelmarkt in Detmold, sie sei allerdings in einem sehr erbärmlichen Zustand gewesen und einige Teile wie das Objektivbrett und der Balgen mussten ersetzt werden.

Aufnahmen aus der Zeit

Beim Festumzug zur 1000-Jahrfeier der Stadt Goslar im Jahr 1922 waren etliche Fotografen auf dem Marktplatz mit den Holzkameras und Leitern im Einsatz, um das Ereignis festzuhalten, darunter auch Dr. Friedrich Behme, von dem dieses Foto stammt. Foto: Schenk

Beim Festumzug zur 1000-Jahrfeier der Stadt Goslar im Jahr 1922 waren etliche Fotografen auf dem Marktplatz mit den Holzkameras und Leitern im Einsatz, um das Ereignis festzuhalten, darunter auch Dr. Friedrich Behme, von dem dieses Foto stammt. Foto: Schenk

Archivleiter Ulrich Albers freut sich über die Kamerasammlung, die gut zu den Beständen des Archivs passt: „Wir haben viele Originalaufnahmen und Glasplattennegative, die aus der Zeit stammen, in der diese Kameras verwendet wurden. Die Fotografie steckte damals noch in den Kinderschuhen, war kostenintensiv und mit einem großen Aufwand verbunden. Fotografen wie Dr. Friedrich Behme oder Franz Schirmer waren wahrhafte Meister der lokalen Fotografie und ihre Aufnahmen ruhen in unserem Magazin in der speziellen Kühlkammer bei14 Grad. Sie werden demnächst hochauflösend von Martin Schenk digitalisiert.“ Die meisten Fotos von den Feierlichkeiten zur 1000-Jahrfeier 1922 entstanden mit Holzkameras, wie das auf dem Marktplatz aufgenommene Foto von Behme (rechts) zeigt.

Von Vorteil für die jetzige Präsentation sei gewesen, dass die vier großen Glasvitrinen den Umzug gut überstanden hätten. „Es war die Frage, ob das Umzugsunternehmen sie überhaupt aus dem alten Gebäude an der Zehntstraße herausbekommen würde, da die Türstürze erst nach der Aufstellung im Ausstellungsraum eingezogen worden seien“, erinnert sich Albers. Mit Tricks und viel Spanngurten, Verpackungsmaterial und Man-Power kamen die schweren Vitrinen unbeschadet im Kulturmarktplatz an.

Zu den Kuriositäten gehört diese Detektiv-Kamera der Firma Adams & Co. London mit der Optik von Bausch & Lomb (1895). Jacobs ersetzte die nicht erhaltene Vorderklappe durch eine Acrylscheibe, der Messingverschluss wird so sichtbar. Foto: Schenk

Zu den Kuriositäten gehört diese Detektiv-Kamera der Firma Adams & Co. London mit der Optik von Bausch & Lomb (1895). Jacobs ersetzte die nicht erhaltene Vorderklappe durch eine Acrylscheibe, der Messingverschluss wird so sichtbar. Foto: Schenk

Sie stehen heute im Nordflur des Stadtarchivs, der bei Führungen besucht werden kann. Der Förderverein pro Stadtarchiv wird sich um die Kamerasammlung kümmern. Stadtarchivmitarbeiter Martin Schenk, der unter anderem für den Fotobereich des Stadtarchivs zuständig ist, hat alle 45 Objekte gesichtet und neu fotografiert. „Dieter Jacob hat uns glücklicherweise eine Dokumentation seiner Sammlerstücke zur Verfügung gestellt. Auf dieser Grundlage und auch dank der Hilfe unseres neuen ehrenamtlichen Mitarbeiters Hans-Jürgen Rappmann konnten wir die Datenblätter vervollständigen und auch den ungefähren Wert der Sammlung feststellen, der sich im fünfstelligen Bereich bewegt“, sagt Schenk.

Zwischen 1850 und 1924

Zu den 45 Objekten, die im Zeitraum zwischen 1850 und 1924 gebaut wurden, gehören auch Schmuckstücke wie die Mahagoni-Holzkamera aus dem Jahr 1855 oder Kuriositäten wie die Detektiv-Kamera der Firma Adams & Co. London und die Stereo-Kamera der Marke Sands & Hunter Co. London. Die Kameras stammen hauptsächlich aus den USA, England, Russland, aber auch aus Deutschland. Gezeigt werden in den Vitrinen zurzeit 20 Objekte, 19 Kameras und ein Stereofoto-Betrachtungsgerät. Die anderen Kameras plus Zubehör sind gut verpackt im Magazin eingelagert und sollen regelmäßig in den Vitrinen ausgetauscht werden.

„Ich bin sehr angetan von der Präsentation in den großen Vitrinen“, sagt Jacob. Vor allem seien die Texte zu den Kameras mit dem großen Schriftbild gerade auch für ältere Menschen gut zu lesen.

Martin Schenk plant, bei einer Kamera die Funktionsfähigkeit wiederherzustellen und sie beim nächsten Tag der offenen Tür 2024 in einem kleinen Fotostudio für die Besucher erlebbar zu machen – „so ähnlich wie im Deutschen Technikmuseum in Berlin“, erläutert er.

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