Quedlinburger Domschatz: Raub und Rückkehr bleiben Thema

Blick in Krypta der Stiftskirche in Quedlinburg. Teile des Quedlinburger Domschatzes, einem der bedeutendsten deutschen Kirchenschätze, wurden bei Kriegsende von einem amerikanischen Soldaten gestohlen. Vor 30 Jahren wurde die Rückkehr in die Harzstadt gefeiert. Nach zwei Stücken wird aber weiter gesucht. Foto: picture alliance/dpa | Matthias Bein
Teile des Quedlinburger Domschatzes, einem der bedeutendsten deutschen Kirchenschätze, wurden bei Kriegsende von einem US-Soldaten gestohlen. Vor 30 Jahren wurde die Rückkehr in die Harzstadt gefeiert. Nach zwei Stücken wird aber weiter gesucht.
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Von Bernd Lähne, dpa
Quedlinburg. Wohl kaum ein anderer Ort in Deutschland bietet so viel Mittelalter auf engstem Raum wie das sachsen-anhaltische Quedlinburg im Harz. Die komplette Altstadt mit fast 1300 Fachwerkhäusern, die Stiftskirche mit dem 1993 zurückerlangten Domschatz und der Schlossberg gehören zum Unesco-Weltkulturerbe. „Auch 30 Jahre nach der Rückkehr des einzigartigen Domschatzes ist das Thema in Quedlinburg unvergessen“, sagt Linda Herbst. „Viele Kirchenbesucher interessieren sich besonders für die Geschichte vom Raub und der Wiederkehr des frühmittelalterlichen Schatzes“, berichtet die Domschatz-Kuratorin.
Rund 75.000 Gäste besichtigten 2022 die Kirchen-Schatzkammer, vor Beginn der Corona-Pandemie waren es jährlich fast konstant 90.000. Sanierungs- und Umbauarbeiten auf dem Schlossberg bremsen derzeit den Besucherandrang. Spätestens in zwei Jahren solle das historische Gelände mit Schloss und Kirche wieder mühelos begehbar sein, hofft die Kuratorin.
US-Offizier stiehlt zwölf unersetzliche Stück des Schatzes
Nicht wenige Quedlinburger und Gäste der Stadt bewerten die Rückkehr der Kostbarkeiten an ihren seit Jahrhunderten angestammten Platz in der Stiftskirche St. Servatii mit den Grabstätten Königs Heinrich I. (875 bis 936) und Königin Mathilde (895 bis 968) auch heute noch als eine Sensation. Immerhin galten die unersetzbaren Kunstwerke – darunter das in Gold geschriebene karolingische Samuhel-Evangeliar und der sogenannte Kamm Heinrichs I. – als verschollen beziehungsweise verloren.
Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges, am 19. April 1945, hatten US-Truppen Quedlinburg nahezu kampflos befreit. Joe Meador, ein US-Offizier, stahl wenig später insgesamt zwölf unersetzliche Stücke des ausgelagerten Domschatzes aus einem Versteck und schickte sie per Feldpost ins heimatliche Texas. Das blieb fast 40 Jahre lang ein Geheimnis. Nur wenige seiner Freunde wussten von dem geraubten Schatz aus Germany, wohl auch, weil Meador das Diebesgut hauptsächlich in seiner Wohnung lagerte.
Schatz kommt nach Quedlinburg zurück
Ohne den unschätzbaren Wert seiner Beute zu kennen, starb der Schatzdieb. „Als Meadors Erben Anfang der 1980er Jahre versuchten, einzelne Stücke auf dem internationalen Kunstmarkt zu verkaufen, erfuhr die Öffentlichkeit von der Existenz des verschollen geglaubten Schatzes“, erinnert sich Quedlinburgs Stadtsprecherin Sabine Bahß. Die Spur führte in die USA, nach Whitewright in Texas.
Historiker Willi Korte nahm als Erster die Fährte auf. Nach einem langwierigen außergerichtlichen Vergleich gelang die Rückführung des einzigartigen Kulturgutes. Friedemann Goßlau, damals Pfarrer der Domgemeinde, war als Kläger verantwortlich für die Rückgabe der geraubten Kostbarkeiten an ihren angestammten Platz. Es sei für ihn immer noch wie ein Wunder, sagte Goßlau, der am 18. Januar 2018 verstarb, anlässlich der feierlichen Übergabe der verschollenen Stücke an die Stiftskirche St. Servatius 1993.
Zwei Stücke sind weiter verschollen
„Die tausend Jahre alte Stadt im Herzen Deutschlands hat ihre Identität, ihre Seele wiedergewonnen“, vermerkte der Pfarrer dazu in seinen Erinnerungen. Sowohl Friedemann Goßlau als auch dem „Kunstdetektiv“ Willi Korte wurde die Ehrenbürgerwürde der Stadt verliehen.
Zwei der zwölf geraubten Stücke sind weiterhin verschollen. Domschatz-Kuratorin Linda Herbst gibt die Hoffnung nicht auf, dass auch sie wieder in der Öffentlichkeit auftauchen werden. Es handelt sich um ein Bergkristallreliquiar in Form einer Mitra und um ein etwa 1000 Jahre altes Reliquienkreuz.
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