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Bündheimer Schloss

Poetry Slam: Die Bühne ist der Ring, die Sportart heißt Sprache

Jan Cönig (r.) gewinnt den „7. Slam im Schloß“ vor Johanne Wack (3.v.l.). Mit dabei am Samstag auch (v.l.) Friedrich Herrmann, Tilman Birr, Lisa Pauline Wagner und Moderator David Friedrich.  Foto: Schlegel

Jan Cönig (r.) gewinnt den „7. Slam im Schloß“ vor Johanne Wack (3.v.l.). Mit dabei am Samstag auch (v.l.) Friedrich Herrmann, Tilman Birr, Lisa Pauline Wagner und Moderator David Friedrich. Foto: Schlegel

Der Kulturklub lud am Samstag zum „7. Slam im Schloss“ ein. Vier Poetry-Slammer stiegen in einen Wettbewerb ein, bei dem das Publikum die Jury war. Die Palette dessen, was geboten wurde, war groß und in ihrer Zusammensetzung durchaus ungewöhnlich.

Von Holger Schlegel Montag, 22.04.2024, 13:00 Uhr

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Bad Harzburg. Was ist Poetry Slam? Auch wenn sich diese Kunstform mittlerweile verbreitet hat und gerade auch jüngere Menschen (wieder) für Kultur begeistern kann, soll es doch noch Zeitgenossen geben, die diesen „Wettstreit der Bühnenpoeten“ nicht kennen. Am Samstag beim Kulturklub, der zum „7. Slam im Schloß“ geladen hatte, waren es durchaus eine Handvoll Besucher, die sich erstmals solch eine Veranstaltung zu Gemüte führten. Am Ende dürften auch sie nicht nur wissender den Saal verlassen haben, sondern auch begeistert. Denn die sechs Künstlerinnen und Künstler, die den Abend bestritten und von denen sich vier in ihrer Kunst maßen, boten Außergewöhnliches.

Publikum ist die Jury

Beim Poetry Slam treten die Protagonisten in einen –wahrlich nicht bierernsten – Wettstreit. Wer hat den besten Text verfasst? Wer kann ihn gut rüberbringen? Wer trifft den Nerv des Publikums? Beim „7. Slam im Schloß“ gingen Friedrich Herrmann, Johanna Wack, Lisa Pauline Wagner und Jan Cönig in den Ring respektive auf die Bühne. Wettkampfleiter und auch Moderator war der bekannte Poetry-Slammer David Friedrich. Zusammengestellt worden war die Gruppe wieder von Tilman Birr, Kabarettist und Musiker. Als Jury wurden sieben Menschen aus dem Publikum auserkoren, die in der Vorrunde nach jedem Beitrag Wertungstafeln in die Höhe hielten.

  Und diese Jury hatte keine leichte Aufgabe. Die Beiträge der vier Slammer waren alle auf einem verdammt hohen Niveau – aber mit völlig verschiedenen Stilen und Inhalten. Denn die simplen Wettkampfregeln lauten: Die Texte müssen selbst verfasst sein und „einfach so“ am Mikro vorgetragen werden. Ohne Verkleidung, Hilfsmittel, Tanz, Gesang oder Gedöns.

Beliebt ist natürlich Lustiges, Überspitztes. Jan Cönig legte vor mit einer kabarettreifen Geschichte über eine Odyssee mit dem Auto, die ihn über Tage durch die Lande führte – weil er ja unbedingt da eine digitale Auszeit nehmen wollte und sein Handy samt Navigationssystem zu Hause gelassen hatte. Was banal klingt, wurde durch Cönigs Wortwitz zu einer grandiosen Nummer.

  Lisa Pauline Wagner hatte einen ungemein originellen Stoff für ihren Vortrag: den Road-Trip einer 1-Euro-Münze. Sie, die Münze, sei die erste Generation der Währung, die sich frei bewegen könne. Ihr Leben verbrachte sie erst einige Jahre in der Gastro, dann lange Zeit im Portemonnaie einer alten Dame, später dann hektisch in Supermarktkassen und jahrelang im Polo einer Frau namens Steffi, die sie zum Einkaufen begleitete.

Nachdenkliche Momente

Friedrich Herrmann widmete sich der Nostalgie: dem amerikanisch geprägten deutschen Fernsehen der 90er Jahre. Die Sender waren „wie best friends“. Bis auf die, die wie Verwandte nur einmal im Jahr zu Besuch kamen. Arte zum Beispiel. Dazu gab es dann noch ein paar Lieder aus alter Fernsehwerbung – die sind nämlich kulturhistorisch bedeutende Schätze.

  Dass Poetry-Slam aber nicht nur eine besondere Form des lustigen Kabaretts sein muss, sondern auch die Seele packen kann, zeigte hernach Johanna Weck mit „Anfängen von Nachrichten an Anna“ – deren Mann gestorben ist: „Hey Anna, wie geht es Dir? Ich weiß, blöde Frage, wie soll es Dir schon gehen. Ich hoffe Du kommst einigermaßen…“ Das berührte. Aber Wack drehte die Stimmung anschließend in die komplett andere Richtung – mit einem Text über ungefragt verschickte Penis-Fotos.

Das Publikum war von allen begeistert, die Jury aber hatte eine Entscheidung getroffen: Johanna Wack und Jan Cönig kamen ins Finale. Jeder las noch einen Text und dann entschied der Applaus – eindeutig für Jan Cönig. Traditionell gab es den klassischen Poetry-Slam-Siegerpreis: eine gute Flasche Whisky aus Schottland, mit dem die Slammer ebenso traditionell hinter der Bühne anstoßen konnten. Denn sie sehen sich nicht als Konkurrenten, sondern als befreundetes Ensemble. Und im Publikum haben sie am Samstagabend viele Freunde dazugewonnen.

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