Neue Amtsrichterin Dr. Andrea Tietze trifft auf einen angriffslustigen Anwalt

Vor dem Amtsgericht musste sich ein Mann für einen allzu üppig geratenen Ladendiebstahl verantworten. Symbolfoto: Pixabay
Der Einstand für die neue Goslarer Amtsrichterin und Amtsdirektorin in Jugendsachen, Dr. Andrea Tietze, war alles andere als einfach. Nicht nur, dass sie es mit einer politisch motivierten Tat und einem sehr schweigsamen Angeklagten zu tun bekam, der Verteidiger des 19-Jährigen schoss auch noch aus allen juristischen Rohren. So endete der erste Verhandlungstag sogar mit einem Befangenheitsantrag gegen die Richterin.
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Goslar. Kein leichter Einstand für Dr. Andreas Tietze, die neue Amtsrichterin und Amtsdirektorin in Jugendsachen: Bei einer aktuellen Verhandlung traf sie nicht nur auf einen sehr schweigsamen Angeklagten, sondern auch auf einen agriffslustigen Anwalt.
Im September 2020 schloss sich der zur Tatzeit gerade 18-jährige Goslarer einer Gruppe an, welche sich Aktionen vornahm, die sich gegen den AfD-Landesparteitag in Braunschweig richteten. Aufgabe der Einsatzbeamten war es unter anderem, die Zufahrtswege zum Veranstaltungsort freizuhalten. Die Gruppe, zu der auch der Angeklagte gehörte, näherte sich über die durchweg unverschlossenen Tore eines angrenzenden Kleingartenvereins. Die Schlösser der Tore, so berichteten die seinerzeit dort postierten Beamten im Zeugenstand, seien mit Sekundenkleber manipuliert worden, sodass man diese nicht mehr habe verschließen können. Während der Einsatztrupp auf Ketten und Vorhängeschlösser wartete, näherte sich ihnen eine Gruppe von rund 40 schwarz gekleideten und vermummten Leuten. Zunächst sei der Pulk nur gegangen, doch urplötzlich wären alle losgestürmt, wobei einige Kanthölzer und Schirme schwangen, sagten alle Zeugen übereinstimmend. „Ich hatte Angst um meine Truppe und um mich“, so der Gruppenleiter, der das Geschehen als „prägenden Einsatz“ beschrieb. Seine Kollegen äußerten sich ähnlich. Man habe die heranstürmenden Menschen als sehr bedrohlich empfunden. Selbst der Einsatz von Pfefferspray habe keine Stoppwirkung erzielt.
Die fünf Polizisten versuchten sich dem Mob entgegenzustellen und hielten das Tor fest. Die ersten in den Reihen der Vermummten schlugen ihnen dabei auf die Hände. Durch das für die Polizisten ungünstige Kräfteverhältnis brachen alsbald erste Mitglieder der Heranstürmenden durch und versuchten die Zufahrtstraße zur Milleniumhalle zu blockieren. Fünf von ihnen nahm man fest – unter ihnen der Angeklagte.
Der 19-Jährige wollte zu den Vorwürfen, die bis zum Landfriedensbruch reichen, nichts sagen. Sein Verteidiger beanstandete, dass man nicht beweisen könne, ob es sein Mandant war, der die Polizisten geschlagen oder gar eines der Kanthölzer geführt habe. Bereits bevor die Beweisaufnahme begann, forderte er die Einstellung des Verfahrens.
Richterin Tietze und auch die Staatsanwaltschaft sahen hingegen einen hinreichenden Tatverdacht. Nachdem die Polizisten ihre in weiten Teilen übereinstimmenden Aussagen gemacht hatten, witterte der Verteidiger eine Absprache – und dies bereits beim Verfassen der Polizeiberichte. Er stellte den Antrag, die Aussage des Truppführers nicht zu verwerten. Seine Erinnerung könnte dadurch verfälscht worden sein, dass er die Berichte seiner Kollegen las. Die eingehende Befragung aller Zeugen durch die Verteidigung sprengte schließlich den vorgesehenen Zeitrahmen. Die Vorsitzende kündigte einen Fortsetzungstermin an. Dies, so der Verteidiger, stelle wegen der steigenden Kosten einen Nachteil für seinen Mandanten dar, deshalb drohte er mit einem Befangenheitsantrag.
Hartmut Weber von der Jugendhilfe in Gerichtssachen versuchte noch, die Wogen zu glätten, und erinnerte den angriffslustigen Anwalt daran, dass man sich in einem Jugendgerichtsprozess befände, im Zuge dessen, dem bis dato nicht vorbestraften 19-Jährigen eine eher sanfte Erziehungsmaßnahme drohe. Die Vorsitzende erklärte auf das erneute Verlangen vonseiten des Verteidigers, die Sache einzustellen, sei schon angesichts des beharrlichen Schweigens nicht möglich. Zudem sei der Vorwurf auch zu erheblich.
Der Rechtsbeistand des 19-Jährigen reichte daraufhin den Befangenheitsantrag ein. Dessen ungeachtet verkündete die Vorsitzende den Fortsetzungstermin in dieser Sache.