Jüdische Literatur-Preisträgerin im Schülerdialog

Die Literaturpreisträgerin Lena Gorelik diskutiert in Liebenburg mit Schülern der Adolf-Grimme-Gesamtschule Oker. Foto: Privat
„Sterne ohne Himmel – Kinder im Holocaust“ heißt die aktuelle Ausstellung der Lewer Däle. Hochkarätige Vorträge und Lesungen begleiten die Ausstellung – zuletzt ein Vortrag der Autorin Lena Gorelik. Weitere Veranstaltungen laufen kommende Woche.
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Liebenburg. Inhaltlich und sprachlich brillant berichtete die Literaturpreisträgerin Lena Gorelik am vergangenen Sonntag in der St.-Trinitatis-Kirche Liebenburg über ihre Erfahrungen als in Deutschland lebende Jüdin. Und die Resonanz der Besucher war sehr gut.
Flucht und Ausgrenzung
1992 kam Lena Gorelik als Elfjährige mit ihrer Familie aus St. Petersburg nach Deutschland, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Nach dem Abitur besuchte sie mit 18 Jahren die Journalistenschule in München. Schon ihr erstes Buch „Meine Weißen Nächte“ im Jahr 2004 erregte großes Aufsehen in der Literaturwelt. In ihrem vor einem Jahr erschienenen Roman „Wer wir sind“ beschreibt sie ihre Kindheit im ehemaligen Leningrad – heute St. Petersburg, die Entwurzelung ihrer Familie nach der Flucht aus Russland und die Anstrengungen, die es sie und ihre Familie kostete, trotz aller Ausgrenzung und Demütigung in Deutschland heimisch zu werden.
Ausgangspunkt ihres persönlichen, oft auch humorvollen Vortrages waren drastische Sicherheitsmaßnahmen besonders vor Synagogen und jüdischen Kindergärten und Schulen. Sie selbst schickt ihre Kinder in nicht-jüdische Schulen, um ihnen die Prozedur zu ersparen. Sie sollen nicht jeden Tag mit dem Gedanken konfrontiert werden: „Sind wir sicher?“ Zu Hause musste sie ihr Klingelschild mit einem anderen Namen überkleben, da sie auf vielfache Art und Weise bedroht wird. Ihre Lesungen im Osten Deutschlands finden oft unter Polizeischutz statt. Doch Lena Gorelik betrachtet es als ihre Aufgabe, über die Situation der Juden zu berichten.
Einen wesentlichen Grund für zunehmenden Antisemitismus sieht sie im Jahr 2015 mit der Flüchtlingswelle, den Demonstrationen von Pegida – viel zu lange habe man diese Bewegung gewähren lassen – und dem Aufstieg der AfD.
Schüler-Projekt
Lena Goreliks Appell an das Publikum in Liebenburg: Bei sich selbst anfangen. Schauen, wo denke, spreche, agiere ich stereotyp abwertend oder ausgrenzend? Fazit der lebhaften Diskussion im Anschluss nach dem Vortrag: Jeder einzelne Mensch kann dazu beitragen, dass Ausgrenzung durch Antisemitismus und Rassismus bei uns keinen Platz hat. Und zwar jetzt, hier und heute!
Auch beim jungen Publikum am anderen Morgen hinterließ Lena Gorelik einen bleibenden Eindruck. Die Veranstalter hatten im Begleitprogramm zur Ausstellung den Schulen in der Region beispielsweise eine Diskussionsrunde mit Lena Gorelik angeboten. Zugegriffen hatte der Wahlpflichtkurs des 9. Jahrgangs der Adolf-Grimme-Gesamtschule in Oker unter Leitung von Sabine Rehse, der für seine Recherche zum jüdischen Leben in Goslar in Zeiten des Nationalsozialismus kürzlich von der Unesco-Kommission in Frankfurt ausgezeichnet worden war. Locker, humorvoll und auf Augenhöhe gelang es Lena Gorelik, sich auf die Jugendlichen einzustellen, ihre Fragen zu beantworten und sie dazu zu ermuntern, für andere einzustehen, Ausgrenzung und Diskriminierung nicht hinzunehmen.
Zum Abschluss der Ausstellung diskutieren am Sonntag, 10. Juli, die Organisatoren Dr. Kurt Fontheim, Ursula Henk-Riethmüller und Pastor Dirk Glufke im Gespräch mit GZ-Chefredakteur Jörg Kleine. Thema: „Das Geheimnis der Versöhnung heißt Erinnerung“. Die Veranstaltung beginnt um 17 Uhr. Es geht um ein Resümee der Ausstellung, aber auch um Lehren daraus, um zunehmendem Antisemitismus, Hass und wachsender Ausgrenzung in der Gesellschaft zu begegnen.
Weitere Termine
Am kommenden Sonntag, 3. Juli, 19 Uhr, steht ein Vortrag von Ines Doberanzke-Milnikel auf dem Programm: „Gedenkstättenprojekte der Volkswagen AG“. Am Mittwoch, 6.Juli, 19 Uhr, berichtet Jugendpfleger Gerold König vom Austauschprojekt mit der israelischen Stadt Eilat. red
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