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100 Jahre Reiterverein

Jubiläumsturnier steigt im Park des Liebenburger Ritterguts

Springreiten vor malerischer Kulisse: Seit 1962 treffen sich die Reiter auf dem Liebenburger Rittergut zum traditionellen Turnier. Das erste fand 1924 statt – es ist auch das Jahr der Vereinsgründung. Foto: GZ-Archiv

Springreiten vor malerischer Kulisse: Seit 1962 treffen sich die Reiter auf dem Liebenburger Rittergut zum traditionellen Turnier. Das erste fand 1924 statt – es ist auch das Jahr der Vereinsgründung. Foto: GZ-Archiv

Am Himmelfahrtswochenende steht Liebenburg ganz im Zeichen eines großen Jubiläums: Seit 100 Jahren gibt es den Reitverein – und damit auch 100 Jahre Reiturniere im Ort. Ab Freitag lädt „Klein-Wiesbaden“ wieder drei Tage lang ein. Doch wie begann alles?

Von Andreas Gereke Freitag, 10.05.2024, 12:00 Uhr

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Liebenburg. Gründungstag des Vereins ist der 12. März 1924 – zunächst als Verein zur Hebung der Pferdezucht. Am Sonntag, 31. August 1924, fand das erste Turnier – eine Stutenschau zu Liebenburg statt, hat Stephan Becker, Vorsitzender des Reitervereins, anlässlich des Jubiläums recherchiert. Inhalte der Ausschreibung waren damals eine Materialprüfung für Reitpferde und Zuchtstuten, eine Eignungsprüfung für Wagenpferde (Einspänner) und auch eine Eignungsprüfung für Ackerpferde, zudem standen Reiterspiele sowie die Aufführung einer Jagd mit Auslauf an. In den folgenden Jahren rückte der Reitsport immer weiter in den Vordergrund.

Pacht von Zuckerfabrik

Im Zweiten Weltkrieg kam das Vereinsleben allerdings zum Erliegen, bevor es nach dem Krieg wieder neu erwachte, so Becker. „1947 stand die erste Herbstjagd auf dem Programm und es begannen erste Vorbereitungen für den Bau unserer Reithalle. 1949 erfolgte ihre Fertigstellung, die Einweihung war im November 1949“, weiß Becker. Zunächst war das Gelände noch in Besitz der Zuckerfabrik Schladen und die Liebenburger pachteten es von ihr. Zur Finanzierung der Reithalle wurden durch den Verein 96 Reithallenanteile ausgegeben, die der Verein über Jahre zurück erwerben konnte. Die Anteile an der Reithalle wurden dem Verein gestiftet und das Eigentum ging an den Verein über. Seit Juli 1949 heißt es übrigens „Reiterverein Liebenburg und Umgebung“.

Nicht von Anfang an ist das Rittergut Liebenburg Schauplatz der Turniere – bei diesem Springreiten ist im Hintergrund die alte Bockwindmühle zu sehen. Foto: Archiv Ahrens

Nicht von Anfang an ist das Rittergut Liebenburg Schauplatz der Turniere – bei diesem Springreiten ist im Hintergrund die alte Bockwindmühle zu sehen. Foto: Archiv Ahrens

Das erste Reitturnier nach dem Krieg fand 1948 noch auf dem Turnierplatz zwischen Liebenburg und Klein Mahner statt. „Zu dieser Zeit gab es unter anderem sogenannte Gespannprüfungen, bei denen Gespanne über eine Strecke von 20 Metern Lasten auf einem bestimmten Untergrund ziehen mussten. 1949 wurden gemäß einer Aktennotiz im dritten Durchgang 15,5 Tonnen in Form von drei Gummiwagen an die Gespanne gehängt. Am Ende wurde der Sieger über die Zeit des Fortbewegens auf der „Stoppel“ ermittelt“, fand Becker in den Annalen.

Eine weitere Variante war eine Schrittprüfung für Gespanne. Hierfür stellten sich die Gespanne in einer Linie auf und fuhren auf ein Zeichen an. „Es war eine Strecke von 100 Metern im Schritt zu überwinden. Aber es zeigte sich, dass der Ehrgeiz einiger Fahrer die Pferde Antraben ließ und damit zum Ausschluss führte.“

Zu den Reitertagen gehört in den 1950er Jahren auch Akrobatik. Foto: Archiv Ahrens

Zu den Reitertagen gehört in den 1950er Jahren auch Akrobatik. Foto: Archiv Ahrens

Die Orte der Turniere wechselten – eines war das sogenannte Windmühlenbergturnier. Dort kam Ende der 1950er Jahre das Turnierleben im Dorf zum Erliegen. „Demnach gab es insgesamt vier Jahre gar kein Turnier mehr auf dem Windmühlenberg. Es gab zu dieser Zeit wenig Teilnehmer“, hat Becker in Protokollen alter Vorstandssitzungen entdeckt.

„Der Windmühlenberg war nach der Pause versteppt und für Reitzwecke unbrauchbar. Domänenpächter Wolfram von Schintling-Horny bot damals daraufhin an, die sogenannte Kälberweide in seinem Park zur Verfügung zu stellen“, berichtet Becker, wie das Reitturnier den Weg auf das Rittergut fand. Und wegen des Flairs, der auf der Anlage herrscht, erhielt das Liebenburger „Championat“ auch den Beinamen „Klein-Wiesbaden“.

Verein im Wandel

Ab dem 75-jährigen Bestehen erfolgten sukzessive Erweiterungen – beispielsweise der Bau eines Dressurplatzes auf der Domäne und die Erweiterung des Reitplatzes an der Reithalle. Es entstand ein Trainingsgelände von rund 4500 Quadratmetern.

„Wir sind stolz auf 100 Jahre Vereinsgeschichte. Aber: Der Sport hat sich in dem Verlauf der Jahre verändert“, berichtet Becker. „Heute muss sich der Verein neben den Trainingsmöglichkeiten für den Turniersport erweitern – insbesondere für den Bereich Freizeitreiten. Springreiten auf Grasboden kommt aktuell aus der Mode, es werden vermehrt Turniere auf Sandboden nachgefragt. Und der Unterhalt für unsere Vierbeiner wird sich weiter verteuern“, blickt er in die Zukunft.

Gespannfahren ist auch ein Teil der Turniergeschichte – hier säumen Hunderte Besucher den damaligen Turnierplatz am Liebenburger Friedhof. Foto: Archiv von Schintling-Horny

Gespannfahren ist auch ein Teil der Turniergeschichte – hier säumen Hunderte Besucher den damaligen Turnierplatz am Liebenburger Friedhof. Foto: Archiv von Schintling-Horny

Aber, so der Vorsitzende: „Goldrichtig erweist sich vor diesem Hintergrund die Entscheidung, an dem Eigentum an der L 500 festzuhalten und die Reitanlage zu erhalten, zu pflegen und weiter auszubauen. Wir sind einer der wenigen Vereine im Kreis, die noch Eigentum haben.“ Und er kündigt an: „Der Reiterverein wird auch in Zukunft Turniere ausrichten und sich den Herausforderungen stellen.“

Lorenz von Schintling-Horny, dessen Familie das Rittergut vor einigen Jahren erwarb, blickt auch auf den gesellschaftlichen Wandel: „Vor 100 Jahren war Niedersachsen ein Pferdeland. Das Ross spielte auf dem Dorf eine große Rolle in der Landwirtschaft. Jeder kannte irgendjemanden, der etwas mit Pferden zu tun hatte“, erzählt er.

Einst ein großes Dorffest

Die Dorfbewohner seien selbst alle Experten gewesen und konnten beurteilen, ob jemand gut oder schlecht ritt und ob es ein gutes oder ein schlechtes Pferd war. „Ab den 60er Jahren spielte das landwirtschaftlich genutzte Pferd eine immer kleinere Rolle und die Zweifachnutzung des Pferds aus Landwirtschaft und Sport hörte auf.“

Hoch zu Ross beehren im Jahr 1951 Uniformierte das Liebenburger Reitturnier. Damals gab es sogar zwei: an Windmühlenberg und Lewer Berg. Foto: Archiv von Schintling-Horny

Hoch zu Ross beehren im Jahr 1951 Uniformierte das Liebenburger Reitturnier. Damals gab es sogar zwei: an Windmühlenberg und Lewer Berg. Foto: Archiv von Schintling-Horny

Folge: „Selbst bei uns auf dem Land wurde Reiten zum Sport.“ Einst sei das Reitturnier wie das Schützenfest ein großes Dorffest gewesen. „Man traf sich und klönte und staunte“, erinnert er sich. „Jetzt ist es ein Sportfest mit hochklassigen Wettbewerben.“

 

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